Symbolbild: Übergewicht, Familie - spazierende Eltern mit Kind
Symbolbild vom internationalen Dachverband zum Thema Übergewicht und Adipositas: In den vergangenen 40 Jahren ist die Zahl der Übergewichtigen explodiert - auch bei Kindern und Jugendlichen. Bildrechte: World Obesity Federation

Leopoldina Jahresversammlung 2022 Pandemie des Übergewichts: Zu viele Sachsen-Anhalter sind zu dick

25. September 2022, 09:02 Uhr

Neben der Corona-Pandemie stecken wir in einer weiteren Pandemie: Überall auf der Welt werden die Menschen immer dicker. Ernährungswissenschaftlerin Gabriele Stangl von der Martin-Luther-Universität Halle hat auf der Jahresversammlung der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina über die "Pandemie des Übergewichts" gesprochen. Das Treffen der Top-Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Landes steht dieses Jahr unter dem Motto "Global Health".

Im bundesweiten Vergleich sticht Sachsen-Anhalt hervor, sagt die Professorin der Ernährungswissenschaften und Leopoldina-Mitglied Gabriele Stangl. Das Bundesland gehöre zu denen mit den höchsten Übergewichtsraten. Das zeige sich auch bei Folgeerkrankungen. Dass Sachsen-Anhalt etwa auch Spitzenreiter bei den Herz-Kreislauf-Erkrankungen sei, hänge direkt damit zusammen, denn man wisse, dass Übergewicht Herz-Kreislauf-Erkrankungen fördere. Das gelte insbesondere für die hypertensive Herzerkrankung, die durch chronischen Bluthochdruck verursacht werde, der wiederum eine unmittelbare Folge von Übergewicht sei, so Stangl.

Bluthochdruck ist eine unmittelbare Folge von Übergewicht, von Adipositas.

Prof. Dr. Gabriele Stangl

Doch nicht nur hierzulande, sondern auf der ganzen Welt sei die Zahl der Übergewichtigen und Fettleibigen in den vergangenen 40 Jahren explosionsartig angestiegen, erklärt Stangl. Was also dagegen tun? Bisher habe man bei dieser Frage sehr stark das Individuum in die Pflicht genommen, auf die eigene Ernährung zu achten, sagt Stangl.

Eine übergewichtige Frau, sitzend.
Nicht nur der Einzelne ist Schuld am Übergewicht, unsere Umwelt trägt ebenfalls dazu bei. Bildrechte: imago images/Shotshop

"Inzwischen ist man davon abgekehrt, weil man weiß, wir haben es mit einer obesogenen Umwelt zu tun", sagt die Hallenser Ernährungswissenschaftlerin und erklärt:

Unser Nahrungsmittelsystem ist so, dass wir uns dem gar nicht mehr entziehen können. Wenn man in den Supermarkt geht, dann sieht man dort Regale voll mit sehr kalorienreichen Lebensmitteln, die zudem äußerst günstig sind.

Prof. Dr. Gabriele Stangl

Ein weiterer Faktor sei die Bewegung, die immer mehr aus unserem Alltag verschwunden sei. Stangl sieht die Politik in der Pflicht das komplexe Problem konsequenter anzugehen. Den bisher freiwilligen Nutri-Score zur Pflicht zu machen, wäre da ein erster Schritt, sagt die Forscherin.

Nahaufnahme einer Packung mit einer Art Knäckebrot und Vegan-Label sowie Nutri-Score. Wird von Hand gehalten, Hintergrund unscharf. Bild abgedunkelt. Nutri-Score noch einmal groß ins Bild montiert mit Verlaufslinie zur Originalstelle auf Verpackung. Nutriscore enthält die Buchstaben A bis E nebeneinander, jeder Buchstabe mit Farbe im Verlauf der Ampelfarben von Grün über Gelb nach Rot.
Mithlfe des Nutri-Scores lässt sich leicht erkennen, wie gesund ein Produkt ist. Bildrechte: MDR WISSEN, IMAGO/photothek (M)

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Den Vortrag "Globesity" - die Pandemie des Übergewichts von Prof. Gabriele Stangl und alle anderen Vorträge der Leopoldina Jahresversammlung 2022 können Sie hier auf dem Youtube-Kanal der Leopoldina anschauen.

14 Kommentare

W.Merseburger am 25.09.2022

Alle wissen, dass Übergewicht auch negative gesundheitliche Folgen haben kann, aber nicht muss. Nun steht in der Überschrift, dass zu viele Sachsen-Anhalter zu dick sind. Die Gründe sind falsche Ernährung und ungesunde Lebensweise. Das mag zwar alles zutreffen, wobei der Altersdurchschnitt der Menschen in S-A zu berücksichtigen ist, wenn man von zu vielen Dicken spricht. Ab einem bestimmten Alter ist es für viele unverschuldet sehr schwierig, kein Übergewicht zu haben. Was ich hier aber energisch kritisieren muss, ist schon wieder der Ländervergleich, wobei in S-A prozentual die meisten Menschen in Deutschland zu dick sein sollen. Wann hört man mal auf zu berichten, dass S-A immer unabhängig vom Problem in der BRD Schlusslicht ist oder sein soll. Ich glaube einfach nicht daran.

goffman am 25.09.2022

Es darf auf keinen Fall Diskriminierung aufgrund von Krankheit geben. Da haben Sie absolut recht und so war es auch nicht gemeint.

Aber auch der Diabetiker profitiert davon Sport zu machen, regelmäßig z.B. zur Fußpflege zu gehen etc. Es geht mir nicht darum, die Kosten der Krankheit auf den Erkrankten abzuwälzen. Es geht mir darum, durch Vorsorge vermeidbare Krankheiten zu verhindern und Anreize für diese Vorsorge zu schaffen.

goffman am 25.09.2022

Warum ist er nicht umsetzbar? Private Krankenkassen machen das viel schlimmer. Da wird man sogar aufgrund seines Alters diskriminiert. "Unsozial" - ja, es wäre weniger sozial, wenn man den Einzelnen mehr in die Pflicht nimmt. Das halte ich aber für legitim. Ja, es gibt Menschen, die können nichts für ihr Übergewicht. Ein gesunder Lebenswandel mit ausreichend Bewegung und einer gesunden Ernährung hat aber vermutlich bei jedem Menschen eine positive Wirkung.

Ich gebe Ihnen recht: Niemand sollte aufgrund seines Lebenswandels aus dem System unserer Sozialversicherungen ausgeschlossen werden und die Krankenkassenbeiträge müssen für jeden bezahlbar bleiben. Anreize für einen gesunden Lebenswandel zu schaffen und einen selbstverschuldet ungesunden Lebenswandel zumindest ein bisschen zu sanktionieren halte ich aber nicht für unsozial. Das ist im Interesse unserer Gesellschaft und hilft vielleicht sogar den inneren Schweinehund zu überwinden.