Superoberfläche aus Dresden Lotus- und Anti-Eis-Effekt auf Aluminium

14. Oktober 2019, 12:47 Uhr

Wasser und Schmutz einfach abperlen lassen, ohne Chemie, ohne Schrubben - der Lotus kann es. Wie bequem wäre es, wenn wir uns mit solchen Wunderoberflächen umgeben könnten: Nie mehr Fenster putzen oder Auto waschen! Es gibt sie, allerdings bedeutet es einen immensen Aufwand, sie herzustellen. Forscher aus Dresden haben jetzt ein einfacheres Verfahren entwickelt, das aber genauso wirksam ist und zudem die Vereisung bremst.

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Zwei Jahre lang hat Doktorand Stephan Milles daran geforscht, wie man eine Oberfläche schaffen kann, an der weder Schmutz noch Wasser haften und die außerdem noch zeitverzögert vereist. Denn gerade für Flugzeuge, Rotorblätter von Windrädern und Lebensmitteltanks kann Eis zum Problem werden. Da helfe es schon, wenn Tragflächen, Triebwerke und Sensorelemente sich zumindest verlangsamt mit Eis zusetzten, so Milles.

"Happy End" für ein Hochrisikoprojekt

Milles' Projekt an der TU Dresden wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft als Hochrisikoprojekt eingestuft. Was nicht heißt, dass es dabei explosiv oder giftig zugeht, sondern dass der Ausgang des Vorhabens von vornherein ungewiss ist. Im Falle der Superoberfläche aus Dresden kann man durchaus von einem "Happy End" sprechen. Stephan Milles hat eine Methode entwickelt, wie man eine Oberfläche so bearbeiten kann, dass sie Schmutz und Wasser abweist und eben langsamer vereist. Die Ergebnisse seiner Arbeit wurden im September 2019 in der Wissenschaftszeitschrift "Scientific Reports" veröffentlicht.

Alltagstaugliche Basis: Aluminium

Damit seine Lösung auch wirklich in der Praxis zum Einsatz kommen kann, hat sich Stephan Milles für die Veredelung von Aluminium entschieden - das Material, aus dem viele Teile von Flugzeugen, Windrädern oder ganze Lebensmitteltanks bestehen, die eben nicht oder nicht so schnell vereisen sollen. Nun sollte man meinen: Aluminium hat eine glatte Oberfläche, da perlen Wassertropfen per se ab. Doch das Gegenteil ist der Fall. Damit die Flüssigkeit nicht haftet, bedarf es einer besonderen Beschaffenheit.

Das Geheimnis liegt in der Struktur

Um den sogenannten Lotuseffekt zu erzielen, musste Milles dem Aluminium eine neue mikro- und nanostrukturierte Oberfläche verleihen. Mit dem Laser arbeitete er winzige zapfenartige Gebilde ein, die er sich beim natürlichen Vorbild, dem Lotus abgeschaut hatte. 140 Stück davon pro laufendem Millimeter verändern die Spannung der Oberfläche so, dass Wassertropfen einfach abperlen.

Die große Herausforderung war, zunächst eine Struktur zu finden, die zehnmal kleiner ist als ein menschliches Haar und diese dann noch filigraner zu gravieren.

Stephan Milles, TU Dresden

Dieses Problem hat Milles gelöst und damit ein Verfahren entwickelt, das wesentlich einfacher zu realisieren ist als alle bislang bekannten Methoden, bei denen ausschließlich in Reinräumen gearbeitet werden muss. Dort muss die Luft beinahe frei von Partikeln sein, was mit einem hohen Aufwand und immensen Kosten verbunden ist.

Wir haben nur den Laser als Werkzeug, ein paar optische Elemente, die die Strahlen entsprechend formen und unser Material, was wir bearbeiten wollen. Die Handhabung an sich ist einfach und von daher grundsätzlich für die Industrie interessant.

Stephan Milles

Einfach - aber mit vielseitigem Ergebnis: Denn neben der Fähigkeit, Schmutz und Wasser einfach "abrollen" zu lassen, vereisen die mit Laser bearbeiteten Oberflächen eben auch langsamer. Darauf haben viele Hersteller von Flugzeugteilen und Lebensmitteltanks gewartet. Doch bis es soweit ist, dass die Superoberfläche aus Dresden in Serie gehen kann, muss sie auch großflächig bearbeitet werden können - zu Preisen, die für die Wirtschaft auch interessant sind. Milles hat sich deshalb für das sogenannte Laserinterferenzverfahren entschieden:

Nur das Laserinterferenzverfahren kann unterschiedliche Oberflächen in kürzester Zeit filigran strukturieren. Erst wenn ein Quadratmeter Aluminium in wenigen Minuten lasergraviert werden kann, wird das Verfahren spannend für die Industrie.

Stephan Milles

Milles' Kollege Dr. Robert Baumann, der sich ebenfalls mit dem Einsatz von Lasertechnik in der Oberflächenbearbeitung beschäftigt, sieht in dieser Technologie großes Potential. Doch um dieses ausschöpfen zu können, brauchen die Wissenschaftler Forschungsaufträge:

Wir sind auf Projektpartner angewiesen, die mit ihren Problemen zu uns kommen und nach einer Lösung mit einer Mikrostrukturierung suchen. Dann können wir das gemeinsam angehen.

Dr. Robert Baumann, TU Dresden

Eine Idee haben die Forscher der TU Dresden schon: Bakterien- und virenfreie Oberflächen für Türklinken. Auch dafür gibt es Vorbilder in der Natur, die sich dank des Einsatzes von Lasern nachahmen ließen. Doch bis es soweit ist, freuen sich die Dresdner erst einmal mit Stephan Milles über die Auszeichnung für seine Arbeit, die er im Juni auf der internationalen Konferenz "International Conference on Nature Inspired Surface Engineering" in Hoboken (New Jersey/USA) erhalten hat.

Dieses Thema im Programm: MDR Aktuell - Das Nachrichtenradio | 13. Oktober 2019 | 09:20 Uhr

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