Eine Forscherin in Schutzkleidung sortiert Laborgeräte in einem schwarzen Hartplastik-Koffer. Innerhalb des Koffers sieht man Gummihandschue, Pipetten, eine Zentrifuge und andere Laborgeräte. 4 min
Rea Kobialka arbeitet an dem Kofferlabor Bildrechte: ADAPT-Netzwerk
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Forschende der Universität Leipzig entwickeln ein mobiles Kofferlabor, um antibiotikaresistente Bakterien in Afrika zu bekämpfen.

MDR KULTUR - Das Radio Do 28.03.2024 16:56Uhr 03:45 min

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Universität Leipzig Mit dem Kofferlabor aus Leipzig gegen antibiotikaresistente Keime in Afrika

30. März 2024, 15:59 Uhr

Die WHO stuft antibiotikaresistente Keime potentiell als eine der größten Gefahren für die Weltgesundheit ein. Ein Kofferlabor aus Leipzig soll dazu beitragen, dass dieses Horrorszenario keine Wirklichkeit wird. Forschende der Universität Leipzig entwickeln im Rahmen eines afrikanischen One-Health-Netzwerkes ein Laborsystem, was Antibiotikaresistenzen bei Keimen identifizieren soll – schnell, zuverlässig und kompakt verpackt in einem Koffer. Warum es ihn dringend braucht und zu was er befähigt.

Er ähnelt einem gewöhnlichen Handgepäckkoffer. Schwarzes Hartplastik, kleine Gummirollen, Klick-Verschlüsse. An der Seite klebt ein roter „Fragile“-Sticker. Zerbrechlich – so sieht er von außen gar nicht aus. Aber sein Inhalt ist es - und gewöhnlich ist er ganz und gar nicht.

Kompaktes Labor

Pipetten, Gummihandschuhe oder eine Zentrifuge - Diese Geräte aus dem Laboralltag haben ihren festen Platz in der Hartschale schon gefunden. Forschende des Instituts für Tierhygiene und Öffentliches Veterinärwesen der Universität Leipzig entwickeln den Koffer zu einem mobilen Kofferlabor. Das soll in Zukunft genutzt werden, um damit Antibiotikaresistenzen nachweisen zu können - zum Beispiel in Tierställen oder bei Menschen.

Anhand von Proben sollen Tierärztinnen und -ärzte in Afrika mit dem Koffer identifizieren, welche Keime eine Resistenz gegen Antibiotika entwickelt haben. "Es ist in den spezifischen Ländern, mit denen wir arbeiten, oft so, dass gerade in ländlichen Regionen die medizinische Versorgung nicht so gut ausgebaut ist wie in Deutschland. Da ist die Idee, wenn Laborkapazitäten nicht vorhanden sind, dass man dann quasi ein eigenes kleines Labor komplett mitnimmt", erklärt Rea Kobialka, die an der Entwicklung des Kofferlabors in Leipzig mitarbeitet.

Zu sehen ist ein aufgeklappter Koffer aus schwarzem Plastik. In dem Koffer befinden sich Laborgeräte aller Art. Darunter Gummihandschuhe, Pipetten und eine Zentrifuge.
Das Leipziger Kofferlabor. Bildrechte: ADAPT-Netzwerk

Stromversorgung zur Not aus Autobatterie oder Solarpanel

"Dabei ist bei diesem Kofferlabor so wichtig, dass es so, wie es gepackt ist, schon komplett fertig ist, um genutzt zu werden. Wir sorgen immer dafür, dass man auch eine Autobatterie oder sogar ein Solarpanel dabeihat, dass es alles komplett autonom läuft und nicht abhängig ist von irgendwelchen Strukturen, die eventuell an den spezifischen Orten nicht vorhanden sind."

Es ist in den spezifischen Ländern, mit denen wir arbeiten, oft so, dass gerade in ländlichen Regionen die medizinische Versorgung nicht so gut ausgebaut ist wie in Deutschland. Da ist die Idee [...] dass man dann quasi ein eigenes kleines Labor komplett mitnimmt.

Rea Kobialka | Institut für Tierhygiene und Öffentliches Veterinärwesen Universität Leipzig

Antibiotikaresistenzen - eine globale Herausforderung

Die Forschenden der Universität Leipzig sind Teil des Netzwerks African One Health Network for Disease Prevention (ADAPT). Von Leipzig aus koordinieren sie das Projekt. Die Entwicklung des Kofferlabors ist einer von mehreren Arbeitsschritten und wird von Leipzig und einer Forschungseinrichtung in Ghana übernommen. Die Netzwerk-Arbeit mit all ihren Arbeitsschritten folgt einem großen Ziel: Krankheitsprävention in Afrika. Genauer gesagt: Prävention von Tropenkrankheiten und Antibiotikaresistenzen.

Der Anteil an Menschen, die ohne Verschreibung Antibiotika einsetzen und sich selbst praktisch behandeln, wird enorm groß sein.

Institutsdirektor Uwe Truyen | Institut für Tierhygiene und Öffentliches Veterinärwesen Universität Leipzig

Neben Deutschland besteht das Netzwerk aus sieben afrikanischen Ländern. Uganda, Senegal, Ghana, Nigeria, die Demokratische Republik Kongo, Äthiopien und der Sudan – alle Länder befinden sich südlich der Sahara. Denn in dieser Region sind antibiotikaresistente Keime ein riesiges Problem.

Südlich der Sahara sterben weltweit am meisten Menschen an Antibiotikaressistenten Keimen

Laut der WHO haben die afrikanischen Länder südlich der Sahara die größte Sterblichkeitsrate aufgrund von Antibiotikaresistenzen. Auch weltweit wächst die Gefahr der Antibiotikaresistenzen. Die WHO geht davon aus, dass Antibiotikaresistenzen zu einer der größten Gefahren für die weltweite Gesundheit überhaupt erwachsen könnten. Schon jetzt sterben weltweit 4,95 Millionen Menschen im Zusammenhang mit Antibiotikaresistenzen.

Der Grund für die vielen Fälle in der Subsahara-Region liegt bei dem falschen Umgang mit antibiotischen Mitteln. Der Zugang dazu ist, anders als in Deutschland, oft nicht streng geregelt. Häufig lassen sich Antibiotika ohne Rezept in den Apotheken kaufen. Uwe Truyen, Institutsdirektor an der Universität Leipzig, erklärt: "Das heißt, der Anteil an Menschen, die ohne Verschreibung Antibiotika einsetzen und sich selbst praktisch behandeln, wird enorm groß sein. Wenn ich dann falsch behandle - zu wenig Antibiotikum, zu kurz, das falsche - dann komme ich natürlich ganz schnell in Situationen, wo eine Selektion angelegt wird, die keinen Nutzen hat, aber viel mehr Schäden verursacht, nämlich die resistenten Stämme selektiert."

So können die antibiotikaresistenten Keime überleben und auch weiter übertragen werden. In der Wissenschaft ist klar: Nur gut funktionierende Präventionsmaßnahmen können die Gefahr eindämmen. 

One-Health: Gesundheit von Pflanzen, Tieren und Menschen hängt zusammen

Aus diesem Grund ist eines der Ziele des ADAPT-Netzwerkes, die Schwachstellen in der Prävention von Antibiotikaresistenzen zu beheben. Eine klare Schwachstelle zurzeit: die Diagnostik. An dieser Stelle soll das Kofferlabor ansetzen. "Es geht darum, Übertragungswege zu identifizieren und zu identifizieren, wo befinden sich diese Erreger", so Rea Kobialka.

Auf einer Wiese stehen zehn Menschen nebeneinander versammelt und lächeln freundlich in die Kamera. Vier Frauen und sechs Männer zum Teil aus Deutschland, zum Teil aus afrikanischen Ländern.
Das Team des African One Health Network für Desease Prevention (ADAPT) bei einer Konferenz in Kapstadt. Bildrechte: ADAPT-Netzwerk

Aktuell tüfteln die Forschenden aus Leipzig und Ghana an dem Aufbau des Koffers. Denn der muss für Proben jeglicher Art ausgestattet sein – sei es Blut, Abwasser oder Gülle. Grund dafür ist der Ansatz des Netzwerkes: "Ein ganz wesentlicher Punkt unseres ADAPT-Netzwerkes ist, dass es den One-Healt-Ansatz verfolgt, nämlich mit dem Bewusstsein, dass wir die Humanmedizin, die Nutztier-Seite und die Umwelt nicht trennen können. Einfach weil diese Bakterien überall wachsen können und übertragen werden können und wir deswegen praktisch die gesamte Breite an möglichen Infektionen abbilden müssen", sagt Uwe Truyen.

Die Proben sollen so in Zukunft von Tierärztinnen und Medizinern in Afrika gesammelt, im Kofferlabor analysiert werden und damit langfristig Aufschluss darüber geben, wie die Übertragungswege von antibiotikaresistenten Keimen zwischen Mensch, Tier und Umwelt sind. Anschließend können Maßnahmen ergriffen werden, die die Übertagung verhindern.

Deutschlands Rolle im ADAPT-Netzwerk

Die Aufgaben sind zwischen den afrikanischen Ländern aufgeteilt. Die Rolle des Leipziger Teams ist die Konzeption und Koordination der einzelnen Arbeitsschritte. Außerdem sind die Forschenden für Ergebnisanalysen und Entwicklung von Diagnoseverfahren - wie das Kofferlabor - zuständig.

Institutsdirektor Uwe Truyen ordnet ein: "Man muss sich im Klaren sein: Dieses Projekt ist 100 Prozent Geld aus Deutschland, was nach Afrika gegeben wird, in die Verantwortung der afrikanischen Partner. Aber es ist nicht so, dass wir denen erzählen, wie die Welt funktioniert, sondern wir haben diese Arbeitspakete entworfen, aber die Entwicklung und die Arbeit an diesen Arbeitspaketen geschieht vor Ort in den betreffenden Ländern unter der Verantwortung der Tierärzte und Ärzte dort."

Die Aufgaben des ADAPT-Netzwerkes:

  • Untersuchen von Mensch, Rind und Geflügel auf Antibiotikaresistenzen (Senegal)
  • Schaffen von Kapazitäten für die Diagnostik von Antibiotikaresistenzen und vernachlässigten Tropenkrankheiten (Ghana)
  • Untersuchung der Inzidenzen von Antibiotikaresistenzen nach dem vermehrten Einsatz von Antibiotika im Zusammenhang mit der Coronavirus-Pandemie (Uganda)
  • Bewertung und Verbesserung bestehender Hygienepraktiken an der Schnittstelle zwischen Mensch, Tier und Umwelt (Sudan)
  • Aufbau von Kapazitäten für einen nachhaltigen und verantwortungsvollen Umgang mit Antibiotika (Äthiopien)