Duden und Brille liegen auf einem Tisch.
Die Grammatik der deutschen Sprache gilt als relativ schwer zu erlernen. Laut einer neuen Studie hat das aber eher nichts mit der Zahl ihrer Sprecher zu tun. Bildrechte: IMAGO / Bihlmayerfotografie

Studie am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie Leipziger erforschen komplexe Grammatiken

21. März 2024, 10:34 Uhr

Bisher sind viele Linguisten davon ausgegangen, dass Sprachen, die von vielen Nicht-Muttersprachlern gesprochen werden, grammatikalisch eher weniger komplex sind. Eine Leipziger Studie stellt diese Annahme in Frage.

Die Experten vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie (MPI EVA) analysierten dafür einerseits Sprachen, die von "Gesellschaften Fremder" (mit vielen Muttersprachlern und Nicht-Muttersprachlern) gesprochen werden, wie etwa das Deutsche. Andererseits untersuchten sie kleine Sprachen, die in erster Linie von der lokalen Bevölkerung verwendet wird, beispielsweise das Isländische, das nur ca. 350.000 Menschen sprechen. Mithilfe der Daten aus Grambank – einer kürzlich veröffentlichten Datenbank grammatikalischer Merkmale der Sprachen der Welt – konnte so die grammatikalische Komplexität von 1.314 Sprachen gemessen werden.

Komplexität von Sprache kontrovers diskutiertes Thema

"Dass einige Sprachen eine komplexere Grammatik haben als andere, wurde bisher häufig mit dem sozialen Umfeld, in dem diese Sprachen verwendet werden, in Verbindung gebracht", erläutert die Studienautorin Olena Shcherbakova. In der Studie zeigte sich nun, dass von Gesellschaften Vertrauter gesprochene Sprachen, wie das Isländische, grammatikalisch nicht weniger komplex sind als etwa das Deutsche. "Im Allgemeinen nimmt die Variation von grammatikalischer Komplexität in Anpassung an das unmittelbare Umfeld sogar allmählich zu", betont Shcherbakova.

 Die weltweite Verbreitung grammatikalischer Komplexität (Fusion). Eng miteinander verwandte Sprachen ähneln einander oft auch hinsichtlich ihrer grammatikalischen Komplexität.
Die weltweite Verbreitung grammatikalischer Komplexität (Fusion). Eng miteinander verwandte Sprachen ähneln einander oft auch hinsichtlich ihrer grammatikalischen Komplexität. Bildrechte: Olena Shcherbakova et al., Science Advances (2023)

Die Komplexität von Sprache ist ein in der Linguistik heftig diskutiertes Thema, zu dem es kontroverse Ansichten gibt. Einige dieser Meinungsverschiedenheiten beruhen darauf, dass 'Komplexität' unterschiedlich definiert wird", erklärt Hedvig Skirgård vom MPI EVA. In ihrer Studie hätten die Forschenden jedoch die Methodik verbessert, indem zwei unterschiedliche Maßstäbe für Komplexität herausgearbeitet wurden: Fusion – wie viele Affixe (Vor- und Nachsilben) Verben und Substantive haben, und Informativität – wie viele Unterscheidungen gemacht werden. Mit der Zahl der Sprecher hängt die Komplexität einer Sprache jedenfalls nicht direkt zusammen.

cdi/pm

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR Aktuell | 18. August 2023 | 21:10 Uhr