Mobiles Wohnen Tiny House - viel Ökonomie, wenig Romantik

03. September 2019, 09:39 Uhr

Der Traum vom eigenen Schneckenhaus: immer alles dabei, auf keinen Ort festlegen, klein aber fein. In der Tiny-House-Bewegung wird genau dieses Ziel verfolgt, indem sich Menschen kleine Häuschen mit bis zu 25 Quadratmetern Wohnfläche auf Anhängern bauen.

Die Tiny-House-Bewegung

Die Bewegung kommt mit dem Trend des Minimalismus daher. Was braucht man eigentlich zum Leben? Was ist überflüssig? Als Land des Überflusses gilt bekanntlich die USA. Doch genau dort setzte sich die Bewegung in Gang. Als eine der Vorreiterinnen gilt die US-Architektin Sarah Susanka mit ihrem Buch “The Not So Big House”, in dem sie sich die Frage nach der optimalen Größe einer Wohnung, um darin wohnen und sich wohlfühlen zu können, stellt.  

Doch nicht nur der Wunsch, sich aufs Wesentliche zu beschränken, treibt Menschen dazu, in einem Tiny House zu leben. Ein weiterer Grund: Steigende Mieten und fehlender Wohnraum in den Städten. Tiny Houses stellen eine Alternative dar und können auf kleinere Brachflächen gestellt werden, die für den Wohnungsbau nicht genutzt werden können. Der dritte Aspekt, der dafür sorgt, dass die Tiny-House-Bewegung an Fahrt aufnimmt, ist der der Nachhaltigkeit. Die kleinen Häuschen werden mit der Absicht gebaut, klimaneutral leben zu können. Solarzellen auf dem Dach und Regenwassertanks ermöglichen einen umweltfreundlichen autarken Lebensstil. Doch sind die Tiny Houses wirklich so viel umweltfreundlicher?

Tiny House – umweltfreundliche Wohnalternative?

Die Rechnung scheint dabei ganz einfach zu sein: Kleineres Haus macht kleineren ökologischen Fußabdruck. Wer weniger Wohnfläche hat, verbraucht auch weniger Rohstoffe beim Bauen, muss weniger heizen und verbraucht weniger Strom. Neben dem Kraftstoffverbrauch privater Fahrzeuge lässt sich der CO2-Ausstoß privater Haushalte zu großen Teilen auf den Lebensbereich “Wohnen“ zurückführen. Vor allem das Heizen fällt dabei ins Gewicht. Der Bereich “Wohnen“ beansprucht 36 Prozent der gesamten CO2-Emissionen privater Haushalte, so das statische Bundesamt. Laut dem Bericht des statistischen Bundesamtes fallen 60 Prozent der CO2-Emissionen aus dem Bedarfsfeld “Wohnen“ auf die Raumwärme.

Überflüssige Räume verursachen zusätzliche Emissionen. Eine Studie der amerikanischen Saint John`s Universität, ergab, dass die CO2-Emissionen für die Instandhaltung einer Immobilie um 36 Prozent reduziert werden können, wenn die Wohnfläche halbiert wird. Dieser positive Effekt kann bei einem Tiny House allerdings wieder aufgehoben werden, da die Häusschen oft über eine schlechtere Dämmung verfügen. Hinzu kommt, dass die Tiny Houses nach Energieeinsparverordnung keinen Energieausweis vorweisen müssen. Also gilt es, genau auf modernste Ausstattung zu achten, wenn man mit einem Tiny House das Ziel verfolgt, weniger Strom zu verbrauchen oder gar klimaneutral zu leben.

Im Rahmen der Doktorarbeit im Fach Umweltplanung- und Design an der „University of Virginia“  befragte die Wissenschaftlerin Maria Saxton 80 Testpersonen, die seit mindestens zwölf Monaten in einem Tiny House leben. Ein Fokus lag dabei auf der Veränderung des ökologischen Fußabdrucks. Dieser wurde mit Einzug in das Tiny House im Durchschnitt um 45 Prozent verringert.

Was macht das Tiny House mit mir?

Eins ist schon mal klar: Man ist aufgrund der begrenzten Wohnfläche gezwungen, sich auf das Wesentlichste zu beschränken. Überflüssiger Besitz muss aussortiert werden und es findet ein Umdenken in Bezug auf den persönlichen Konsum statt. Was brauche ich in meinem Leben wirklich? Gemäß der Umfrage von Saxton veränderte sich der Lebensstil der Bewohner und sie gestalteten ihren Alltag umweltbewusster. Das bezog sich auf verschiedenste Lebensbereiche wie Ernährung und Transport. Dieser Effekt ließ sich bei Menschen, die in ein Tiny House ziehen, um umweltfreundlicher zu leben, natürlich erwarten. Doch auch bei den Testpersonen, die aus anderen Gründen in ein Tiny House gezogen sind, ließ sich ein umweltfreundlicher Lebensstil feststellen.

Also alle ab ins kleine Häuschen?

Wer hätte nicht gern sein eigenes Tiny House mitten im Wald oder an einem See stehen? Morgens öffnet man die Tür und grüßt Mutter Natur. Das ist eine romantische Vorstellung, die in der Realität jedoch nur schwer umzusetzen ist. Anders als in der USA, kann man in Deutschland das Baurecht nicht so einfach umgehen.

Tiny House darf nur auf Baugrund stehen

Das Land, auf dem das Tiny House steht, muss als Baugrund gelten, um dort leben zu können. Das heißt, dass auch das Tiny House an das Straßennetz sowie an Gas, Wasser, Elektrizität und die Kanalisation angeschlossen sein muss. Zudem unterliegt es weiteren Bedingungen, wie zum Beispiel, dass das Haus eine Blitzschutzanlage hat und fensterlose Bäder und Toiletten nur zulässig sind, wenn eine wirksame Lüftung gewährleistet ist.

Einsamkeit adé: Kein Platz in Deutschland

Selbst ohne diese ganzen Bestimmungen würde es in Deutschland schwierig sein, ein einsames Plätzchen für das Tiny House zu finden. Die Fläche Deutschlands ist von einem dichten Netz aus Gebäuden überzogen. In einer gemeinsamen Studie des Leibniz-Instituts für ökologische Raumentwicklung (IÖR) und des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) fanden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler heraus, dass es keinen Ort gibt, der weiter als 6,3 Kilometer vom nächsten Haus entfernt ist. Diese 6,3 Kilometer betreffen den Truppenübungsplatz Bergen im Süden der Lüneburger Heide. In 99 Prozent der Fälle ist es sogar so, dass, egal, wo wir uns befinden, in maximal 1,5 Kilometer Entfernung bereits das nächste Gebäude steht. Die Studie wurde im Fachmagazin "Landscape and Urban Planning" veröffentlicht.

Wer seinen Traum vom mobilen Eigenheim trotz zahlreicher Bestimmungen und wenig verfügbarer Fläche dennoch nicht aufgeben möchte, kann in sogenannten Tiny-House-Siedlungen oder auf speziellen Campingplätzen unterkommen.

20 Anbieter und eigene Wohnparks Tiny House ist eine Wachstumsbranche. Mittlerweile gibt es sogar schon Beratungsunternehmen, die Kunden bei Baurecht und Planung unterstützen. Die schätzen, dass es derzeit rund 20 Anbieter in Deutschland gibt, Tendenz steigend. In vielen Kommunen werden Tiny Houses als eine Möglichkeit gesehen, das Miet- und Bauproblem zu lösen. Dortmund z.B. hat dazu die Kampagne „Kleines Haus. Großes Leben.“ gestartet, für eine eigene Tiny-House-Siedlung. Die Stadt Hannover möchte auf einem 50.000 Quadratmeter großen Grundstück die nach eigenen Angaben europaweit größte Mobilhaussiedlung errichten.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Einfach genial | 12. Dezember 2017 | 19:50 Uhr