Auge einer Frau wird untersucht
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Medizin Warum wir Licht spüren, ohne es zu sehen

16. Dezember 2019, 17:41 Uhr

Menschen können Licht über ihre Netzhaut nicht nur optisch wahrnehmen - über bestimmte Ganglienzellen werden diese Reize auch anders verarbeitet, wie US-Forscher herausfanden. Das könnte etwa unseren Tag-Nacht-Zyklus beeinflussen und erklärt, warum die innere Hell-Dunkel-Uhr auch bei Blinden funktioniert.

Die Wissenschaftler um Satchidanada Panda vom Salk Institute for Biological Studies in La Jolla im US-Bundesstaat Kalifornien nutzten für ihre Experimente die gespendeten Netzhäute verstorbener Menschen. Diese wurden auch außerhalb des Körpers funktionsfähig gehalten und Lichtreizen ausgesetzt. Bestimmte Ganglienzellen in ihnen reagierten dann tatsächlich auf die Reize - vor allem im blauen Spektrum, das typisch für Tageslicht, aber auch für die Bildschirme von Smartphones ist.

Die Forscher fanden außerdem heraus, dass diese Zellen zu mindestens drei unterschiedlichen Typen gehören: mit längerer oder kürzerer Reaktionszeit auf die Lichtreize und Aktivität nur bei bestimmten Helligkeiten. Außerdem scheinen diese Ganglien nicht mit dem Gehirn in Verbindung zu stehen, sondern stattdessen mit anderen Zellen der Netzhaut zusammenzuarbeiten. So können weitere Informationen über Kontrast und Helligkeit vermittelt werden.

Blick auf das nächtliche Leipzig aus südlicher Richtung 60 min
Das Völkerschlachtdenkmal, die russisch-orthodoxe Kirche, das Bundesverwaltungsgericht, das RB-Stadion, das Neue Rathaus und der Uni-Riese prägen auch nachts die Ansicht auf Leipzig. Bildrechte: MDR/Docstation

Innere Uhr wird verschoben

Wichtig sind diese Erkenntnisse zum Beispiel für die Erforschung des Tag-Nacht-Rhythmus. Denn dessen Störung kann Schlafprobleme, Übergewicht und Krankheiten bis hin zu Krebs auslösen. Negativ auf den Zyklus wirken sich die zunehmende Büroarbeit mit künstlichem Licht und Nachtschichten aus, da so unsere "innere Uhr" künstlich verstellt wird.

"Wir sind inzwischen zu einer in Innenräumen lebenden Spezies geworden, die sich dem naturgegebenen Zyklus von Tageslicht am Tag und fast völliger Dunkelheit in der Nacht zunehmend entzieht", sagte Studienleiter Panda dem Fachportal wissenschaft.de

Neuartige Lampen gegen Depressionen?

Der Erstautor der Studie Ludovic Mure erläuterte zudem, wie seine Arbeit ein weiteres Phänomen erklaren kann: dass Blinde trotz nicht vorhandener Sehfähigkeit eine innere Uhr haben, die sich dem Hell-Dunkel-Rhythmus anpasst. Der Grund könnte darin liegen, dass die von den Forschern entdeckten Ganglienzellen die Lichtreize an das Gehirn weitergeben.

Die Wissenschaftler wollen nun diese neue Zellart genauer untersuchen, etwa mit Blick auf die Unterschiede zwischen jüngeren und älteren Menschen. Dadurch könnten auf lange Sicht neuartige Lampen für Büros oder zur Therapie gegen Krankheiten wie Depressionen entwickelt werden. "Auch die Bildschirme von Fernsehern, Computern und Smartphones könnten dadurch verbessert werden", erklärt Panda.

cdi

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Mitteldeutschland bei Nacht | 22. Dezember 2019 | 22:00 Uhr

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