Kriminalistik Wie die Stimme Straftäter überführt

03. Mai 2019, 14:33 Uhr

Stimmen verändern sich ständig, deswegen sind sie oft schwer identifizierbar. Für Kriminalisten ein großes Problem. Eine Datenbank mit Stimmproben soll ihnen jetzt helfen, Tatverdächtige zu überführen.

Frau sitzt mit Kopfhörern am Computer 3 min
Bildrechte: Uni Trier

Es gibt Stimmen, die graben sich tief ins Gedächtnis und bleiben unvergessen. Tiefes Brummen, warmweiche Melodien, knarrende Erzähler oder fiepende Moderatoren. Doch nicht alle Menschen haben besonders starke und herausstechende Merkmale in ihrer Stimme. Erkältungen oder auch Gemütslagen verändern die Stimme zusätzlich. Kein leichtes Spiel für Kriminalistiker, die etwa Verdächtige anhand von Stimmproben überführen möchten.

Laien können Stimmen schwer unterscheiden

Um die Überführung von Tätern anhand ihrer Stimme zu erleichtern, haben das Landeskriminalamt Brandenburg (LKA) und Trierer Phonetik-Professorin Angelika Braun jetzt eine neuartige Datenbank zur Verbesserung forensischer Gutachten erstellt. Dort sind die Stimmproben von über 200 freiwilligen Sprechern hinterlegt. "Deren Stimmqualität haben wir genau analysiert", erklärt Christoph Meinerz vom LKA in Brandenburg. Damit sei es möglich, das wahrscheinliche Vorkommen jeweiliger Stimmen-Merkmale besser einschätzen zu können.  

Stimmvergleiche können verfälscht werden

"Jedes Ohr nimmt Merkmale von Stimmen wahr. Sie konkret unterscheiden und aussagekräftig beschreiben zu können, überfordert Laien. Ihnen fällt es schwer, Stimmen zu identifizieren, die nicht so markant sind wie die knarrenden Politiker Joschka Fischer und Ex-US-Außenminister Henry Kissinger", erklärt Phonetikern Braun. Profis und Experten verlassen sich bei der Identifizierung mutmaßkicher Straftäter nicht allein auf ihre Wahrnehmung. Stattdessen legen sie für einen Stimmenvergleich beispielsweise ein mitgeschnittenes Telefonat auf eine Stimmprobe des Verdächtigen und vergleichen die Tonspur beider Stimmen mit einer Software.

Dieses Vorgehen sei laut Braun jedoch leider fehleranfällig. "Die Stimme unterscheidet sich grundlegend von Fingerabdrücken oder DNA-Profilen, weil sie nicht unveränderlich ist", erklärt die Phonetikern. Allein die Stimmungslage oder eine Erkältung führten zu völlig verschiedenen Messergebnissen. "Man muss auch bewerten können, wie selten oder häufig eine solche Übereinstimmung ist."

Beispiel: Näseln in der Stimme

Braun nennt ein Beispiel: Streitet ein Verdächtiger mit einer näselnden Stimme trotz positiven Stimmabgleichs per Software die Tat ab, bleibt ein Blick in die Datenbank. Dort erkennen die Gutachter: Von 215 männlichen Stimmen, näseln nur drei. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Verdächtige die Tat also begangen hat, ist sehr hoch.  

Datenbank mit Männerstimmen

Die neue Datenbank, die vom LKA Brandenburg initiiert wurde, enthält ausschließlich Männerstimmen im Alter von 18 bis 45 Jahren. Keine einzige Frauenstimme ist dort zu finden. Der Grund laut Meinerz vom LKA: Männer dieser Altersgruppe begehen die meisten Straftaten. Phonetikern Braun bestätigt das Phänomen. "Die stimmenvergleichenden Gutachten, die ich in meinem Leben mit weiblichen Stimmen gemacht habe, kann ich an einer Hand abzählen."

Über 1.000 Gutachten zum Vergleich von Stimmen

Braun erstellt schon seit über 30 Jahren stimmvergleichende  Gutachten. Etwa 1.000 Analysen habe sie seit ihrem Berufsanfang erstellt. Die neue Datenbank werde laut Braun nicht erweitert, das sei außerhalb eines Forschungsprojektes nicht zu leisten. Das LKA Brandenburg hat das Projekt angestoßen und geleitet. Zugriff haben die Universität Trier, die österreichische Akademie der Wissenschaften und alle Stimmvergleichsgutachter in Deutschland. 

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 04. April 2019 | 10:20 Uhr