Computersimulation Vulkanausbruch fünf Monate zuvor korrekt vorhergesagt
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07. Juni 2022, 16:09 Uhr
Ein Simulationsmodell, das Rechenpower von Supercomputern braucht, hat einen Vulkanausbruch weit im Voraus korrekt vorhergesagt. Nur ein Zufallstreffer? Oder der Startschuss für bessere Vorhersagen in der Vulkanologie?
Im Herbst 2017 bekamen Geologie-Professorin Patricia Gregg und ihr Team Zugang zu den Super-Computern "Blue Waters" und "iForge". Dort richteten sie ihr neues Modellierungsprogramm für Vulkanprognosen ein, vorerst ohne konkreten Ansatz. Der wurde aber schnell geliefert, als sich Wissenschaftler Dennis Geist meldete, der die Aktivität des Vulkans Sierra Negra auf den Galapagos-Inseln beobachtete und erste vage Anzeichen für einen bevorstehenden Ausbruch wahrnahm.
Der Modellierungsansatz des Teams um Patricia Gregg hatte bereits Aufmerksamkeit erregt, weil er den unerwarteten Ausbruch des Okmok-Vulkans in Alaska im Jahr 2008 erfolgreich rekonstruiert hatte. Nun stand der erste konkrete Anwendungsfall für die Zukunft an. Und zwar einer mit perfekten Bedingungen für ein Überwachungssystem, weil es sich bei Sierra Negra laut Patricia Gregg um einen "wohlerzogenen" Vulkan handele, der immer brav ankündigt, wenn er etwas vorhat – in Form von Erdbewegungen, Gasfreisetzung und erhöhter seismischer Aktivität. "Diese Merkmale machten den Sierra Negra zu einem großartigen Testobjekt für unser verbessertes Modell", so Gregg.
Spanne von zehn Tagen vorhergesagt
Trotz der Rechenleistung der beiden verwendeten Supercomputer dauerte es wegen der Unmengen an zu verarbeitenden Daten aus Satellitenbildern und anderen Messungen recht lange, bis das Programm im Januar 2018 ein Ergebnis ausspuckte. "Unser Modell sagte voraus, dass die Festigkeit des Gesteins, das die Magmakammer von Sierra Negra umschließt, irgendwann zwischen dem 25. Juni und dem 5. Juli sehr instabil würde, was möglicherweise zu einem mechanischen Versagen und einer anschließenden Eruption führen würde", erzählt Patricia Gregg.
Wir waren fassungslos.
Das Team stellte sein Ergebnis im März 2018 auf einer wissenschaftlichen Konferenz vor. Danach widmete es sich anderen Arbeiten, bis Geologie-Kollege Dennis Geist am 26. Juni eine SMS schickte und alle Beteiligten in Aufruhr versetzte. "Sierra Negra brach einen Tag nach dem von uns prognostizierten frühesten Datum aus. Wir waren fassungslos."
Welchen Mustern folgen Vulkane?
War das nur ein Zufallstreffer? Gut möglich, das räumen die Forscher selbst ein. Und über die erfolgreiche Anwendung des Modells bei anderen Vulkanen sage das Ergebnis auch noch nicht viel. Da muss und wird weiter geforscht werden. Viele Vulkane folgen nicht genau den festgelegten Mustern im Vorfeld eines Ausbruchs, so wie es der "brave" Sierra Negra tut. Die Vorhersage von Eruptionen sei deshalb eine der großen Herausforderungen in der Vulkanologie.
Aber selbst wenn es sich bei Sierra Negra nicht um ein 1:1 auf andere Vulkane übertragbares ideales Forschungsszenario gehandelt habe, zeige die Studie, wie wichtig der Einsatz von Hochleistungsrechnern prinzipiell für die praktische Forschung sei. Der Vorteil liege in der Fähigkeit, "ständig multidisziplinäre Echtzeitdaten aufzunehmen und sie schnell zu verarbeiten, um eine tägliche Vorhersage zu erstellen, ähnlich wie bei der Wettervorhersage", so Yan Zhan, Mitautor der Studie. "Dies erfordert eine unglaubliche Menge an Rechenleistung, die bisher nicht zur Verfügung stand."
Um bei Vulkanausbruchprognosen aber nicht auf ewig von Supercomputern abhängig zu sein, hofft das Team, künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen in das Vorhersagemodell einbauen zu können, um diese Modellierung auch Forschungsgruppen zugänglich zu machen, die mit normalen Laptops und Desktop-Computern arbeiten.
Links/Studien
- Patricia M. Gregg et.al.: "Forecasting mechanical failure and the 26 June 2018 eruption of Sierra Negra Volcano, Galápagos, Ecuador", erschienen in "Science Advances"
(rr)