Materialforschung Neue Superfaser: Stark wie Spinnenseide
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23. Dezember 2019, 13:24 Uhr
Spinnenseide ist eine der strapazierfähigsten Naturfasern überhaupt, 25 Mal belastbarer als ein vergleichbarer Stahlfaden. Nun haben Wissenschaftler an der Uni Bayreuth eine Superfaser entwickelt, die weit dünner ist als menschliches Haar und etwa 30 Gramm heben kann. Dies entspricht dem 150.000-fachen Gewicht einer Fruchtfliege. Eine Sensation, der man übrigens hier in Halle an der Uni auf den Grund gegangen ist: Hier konnten die Forscher ins Innere der Faser schauen.
In einem kleinen Raum auf dem Technik-Campus der Uni Halle bläst die Kühlung des Supermikroskops. Ein unauffälliges Maschinenquadrat steht vor uns, stolze drei Millionen Euro wert. Es ist eins von zwei Mikroskopen dieser Art in Deutschland. Juliana Martins streichelt liebevoll die Flanke der Maschine. Hier hat die junge Frau vor knapp einem Jahr die Superfaser eingespannt. Mitgebracht hatte sie diese aus Bayreuth nach Halle - in ihrer Handtasche. Was macht nun also die Maschine? Man stelle sich einen Apfel vor, sagt die Forscherin: Wenn man sehen will, wie der von innen aussieht, schneidet man ihn einfach auf. Das Problem: Der Apfel ist dann kaputt. So wäre das auch mit der Superfaser.
Deswegen haben wir dieses Supermikroskop genutzt, um das Innere der Faser zu sehen, ohne es zu zerstören.
Im Mikroskop werden Bilder gemacht, um die Faser und ihr Inneres dreidimensional darstellen zu können. Was nun zu erkennen ist, sieht aus wie ein aufgeschnittener Zopf glatt gezogener Haare. Dahinter steckt aber Arbeit:
Die Präparation hat etwas gedauert. Vorher sah es aus wie ein Haar kurz nach dem Aufstehen, jedes einzelne verdreht und kraus. Was sie gemacht haben: Sie haben dran gezogen, bis es glatt war.
Damit ist die Superfaser sehr belastbar und zugfest. Das Rezept für die unkomplizierte Herstellung dieser Polymerfaser hat ein Forscherteam der Universitäten Bayreuth und Jülich hergestellt. Wie die Superfaser entstand, weiß von Andreas Greiner von der Uni Bayreuth:
Wir haben uns gezielt mit der Herstellung von Fasern durch Elektrospin beschäftigt, worin wir auf eine mehr als 20 Jahre währende erfolgreiche Forschungsarbeit zurückblicken. Diesmal haben wir die Rezeptur aber etwas verändert und dabei ein anderes Verhalten der Fasern entdeckt und dann genauer nachgeschaut. Es wurde uns klar, dass wir auf eine vollkommen neue Materialklasse blicken. Dann ging die Arbeit erst richtig los, um die Ergebnisse zu bestätigen und richtig zu verstehen.
Wie die Superfaser zur Superfaser wird
Unter Elektrospinnen verstehen die Forscher die Herstellung von meist sehr dünnen Kunststoff-Fasern. Die kann man mit Strom in eine Richtung ausrichten. Das Entscheidende ist: Man verändert die innere Struktur des Fadens. Dadurch wird er strapazierfähiger, und zwar so, dass er sogar mit dem Stabilsten, was wir aus der Natur kennen – Spinnenseide – mithalten kann:
Die Fasern sind ausgesprochen leicht, sehr zugfest und zäh. Sie sind fünf bis zehn Mal leichter als ein menschliches Haar, können aber große Gewichte tragen: Eine unserer Fasern kann 30 Gramm anheben. Das entspricht etwas mehr, als drei Zwei-Euro-Münzen wiegen. Also mehr als das Ein-Millionen-fache des Eigengewichtes des Fadens. Ich finde das sehr beeindruckend. In der Natur können größere Spinnenseidenfäden ähnliches leisten.
Der Einsatz der Superfaser ist laut Andreas Greiner vielfältig: Sie kann in nachhaltigen Textilien genauso zum Einsatz kommen wie als Leichtbauteil für Autos, Flugzeuge oder in der Medizin bei Implantaten. Der Vorteil: Damit würden solche Karosserieteile und vielleicht auch künstliche Hüften noch haltbarer und stabiler. Und wir müssten nicht so lange warten, bis eine Spinne mit ihrem Seidenfaden fertig ist.
(as)
Dieses Thema im Programm: MDR aktuell | Radio | 19. Dezember 2019 | 18:50 Uhr