Blutdruckmessgerät und Glasampulle mit Notfallmedikament (hier Euphylong/ Theophyllin/ Asthmamittel)
Das Asthmamittel Theophyllin erwies sich als roichtige Medizin für die seltene Muskelkrankheit ADCY5-abhängige Dyskinesie Bildrechte: IMAGO / Becker&Bredel

Asthmamittel hilft Hoffnung aus Mitteldeutschland für seltene Muskelkrankheit Dyskinesie

07. März 2023, 11:23 Uhr

Für Menschen mit der seltenen Muskelkrankheit ADCY5-abhängige Dyskinesie gibt es offenbar einen Hoffnungsschimmer aus Mitteldeutschland. Ein Team der Martin-Luther-Universität Halle/Wittenberg und der Uni Leipzig hat herausgefunden, dass das Asthmamittel Theophyllin und das (in Europa nicht zugelassene) Parkinson-Medikament Istradefyllin für Linderung bei der Muskelerkrankung sorgen können.

ADCY5-abhängige Dyskinesie ist eine von vielen sogenannten seltenen Erkrankungen. Ein oder mehrere Defekte im ADCY5-Gen lösen diese Krankheit aus, bei der ein spezielles Enzym, der cAMP-Botenstoff, in den Zellen überaktiv ist. Diese Überproduktion sorgt für unkontrollierte Bewegungen, Krämpfe und andere Beschwerden, wie Sprachstörungen. Medikamente, die bisher bei der Krankheit zur Linderung der Symptome eingesetzt wurden, haben starke Nebenwirkungen.

Kaffee brachte die Forschenden auf die Spur

Durch einen Zufall wurde bei einer Person mit dem Gendefekt bemerkt, dass Kaffee offenbar eine lindernde Wirkung hat. Das mitteldeutsche Forschungsteam folgte dieser Spur und suchte nach bereits vorhandenen Medikamenten, die eine dem Koffein ähnliche Grundstruktur aufweisen, allerdings ohne den "Hallo-Wach-Effekt". Fündig wurden sie beim Asthmamittel Theophyllin und dem Parkinson-Medikament Istradefyllin, das aber in Europa nicht zugelassen ist. Wirkstoffe in beiden Mitteln drosseln die Bildung des cAMP-Botenstoffs in den Zellen. Der Asthmawirkstoff, der auch für Kinder zugelassen ist, zeigte in einer Fallstudie mit einem Kind einen verblüffenden Effekt.

Bisher keine gravierenden Nebenwirkungen

Wissenschaftlerin Prof. Dr. Andrea Sinz vom Institut für Pharmazie an der Uni Halle zufolge erhielt das Kind den Wirkstoff in Absprache mit den Eltern erst in niedrigeren, später in höheren Dosen. Es konnte schließlich gerade sitzen, Zuckungen und unkontrollierte Bewegungen wurden deutlich weniger, im Schlaf verschwanden sie komplett. Nach einigen Monaten konnte das Kind sogar aus dem Rollstuhl aufstehen, laufen und deutlicher sprechen. Gleichzeitig wurden keine gravierenden Nebenwirkungen beobachtet. Inzwischen wird diese Behandlungsmethode auch an anderen Kindern mit ADCY5-abhängiger Dyskinesie getestet.

Die US-Gesundheitsbehörde National Institutes of Health schätzt, dass in den USA etwa 300 Personen mit dieser Erkrankung leben. Prof. Dr. Andrea Sinz geht davon aus, dass es weit mehr Betroffene gibt als bekannt ist, da dieser Gendefekt so selten ist, dass er vermutlich nicht immer nicht korrekt erkannt und diagnostiziert wird.

Die komplette Studie "Effects of theophylline on ADCY5 activation—From cellular studies to improved therapeutic options for ADCY5-related dyskinesia patients" lesen Sie hier.

lfw

Dieses Thema im Programm: MDR S-ANHALT | SACHSEN-ANHALT-HEUTE | 06. März 2023 | 19:00 Uhr

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