Wissen-News Ameisen betreiben Landwirtschaft schon seit 66 Millionen Jahren
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21. Oktober 2024, 16:05 Uhr
Dass Ameisen Pilze anbauen, ist schon seit langer Zeit bekannt. Wie lange die Insekten diese Art der Landwirtschaft schon betreiben, haben Wissenschaftler aus Stuttgart untersucht und festgestellt, dass das schon seit dem Aussterben der Dinosaurier der Fall ist.
1874 beschrieb der Naturforscher Fritz Müller seinem Kollegen Charles Darwin, dass er pilzzüchtende Ameisen in Brasilien beobachtet hatte. Darwin schickte die Briefe an das Fachmagazin "Nature", woraufhin das Phänomen der Wissenschaft bekannt wurde. 150 Jahre später haben Wissenschaftler der Universität Hohenheim in Zusammenarbeit in einem internationalen Forschungsprojekt jetzt festgestellt, dass die Insekten bereits seit Millionen von Jahren Pilze kultivieren und anfüttern. Der Evolutionsbiologe und Mitautor der in "Science" erschienen Studie Christian Rabeling erklärt, dass sich die Pilze über die Zeit an ihre Wirte angepasst haben. "Manche bilden Strukturen, die nur in der Kultivierung durch Ameisen vorkommen. Und sie lassen sich außerhalb des Ameisennests gar nicht kultivieren – ein Zeichen einer echten koevolutiven Beziehung, bei der sich beide Partner gegenseitig beeinflussen und gemeinsam entwickeln."
Stammbaum gibt Aufschluss über Dauer der Koexistenz
250 Ameisenarten züchten Pilze mit Hilfe von Blättern als Nahrungsquelle. DNA-Sequenzanalysen geben inzwischen Auskunft über den Stammbaum der "Landwirte" und ihres Anbaus. "Heute verwenden wir dabei moderne Hochdurchsatzmethoden, die die Evolutionsbiologie revolutioniert haben", erläutert Rabeling. "Stammbäume für die Ameisen gab es bereits, doch nun ist es uns gelungen, auch Stammbäume für die Pilze aufzustellen." Die Abstammungslinie von 475 Pilz- und 275 Ameisenarten kombinierten die Forscher und fanden heraus, dass Vorfahren der Züchter als auch der Gezüchteten bereits vor etwa 66 Millionen Jahren lebten – kurz nach dem Einschlag eines Asteroiden im Bereich der heutigen mexikanischen Halbinsel Yucatán, der das Aussterben der Dinosaurier auslöste.
Nach dem Massensterben durch diese Katastrophe und der Abkühlung der Erde, sowie großer Dunkelheit auf der Erde, hätten die Pilze einen evolutionären Vorteil verschafft, meinen die Wissenschaftler. "Das könnte ein Schlüsselfaktor dafür gewesen sein, dass Ameisen sich verstärkt auf Pilze spezialisierten", vermutet Christian Rabenstein. Das Wissen über die Herkunft und das Zusammenleben von Ameisen und Pilzen diene auch dem Artenschutz, sagt der Biologe. "Die Artbeschreibung ist der erste Schritt zum Schutz der Artenvielfalt. Denn schützen können wir nur Arten, die wir kennen. Und je mehr wir über sie wissen, wo sie vorkommen und wie sie leben, desto besser können wir Maßnahmen zu ihrem Schutz ableiten."
Link zur Studie
Die Studie "The coevolution of fungus-ant agriculture" ist im Fachmagazin "Science" erschienen.
pm/jar
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | Sachsenspiegel | 24. September 2024 | 19:00 Uhr