Meeresforschung Austern - Rückkehr in die Nordsee
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07. Oktober 2020, 10:27 Uhr
Lange Zeit war sie ausgestorben in der Nordsee: Die Auster. Nun gelang ein erster Schritt für ihre Rückkehr. Dem Bundesamt für Naturschutz und dem Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung ist es gelungen die Muschelart im Naturschutzgebiet Borkum Riffgrund trotz Wind, Wellen und tiefem Gewässer auszusetzen. Damit leisten sie zugleich einen Beitrag zum ökologischen Gleichgewicht des Meeres.
Seit 1930 gibt es sie nicht mehr in der Nordsee. Die Auster. Genauer gesagt die europäische Auster, sagt die Meeresbiologin Bernadette Pogoda.
Es gibt derzeit keine Chance, dass die Auster von alleine zurückkehrt, obwohl es kaum noch Austernfischerei gibt; in Deutschland ja überhaupt nicht mehr."
Austern im Vergleich
Die europäische Auster ist flacher und runder als ihre pazifische Schwester. Sie ist eine bedrohte Tierart. Und das nicht nur als Delikatesse, wie wir sie heute kennen. Für Küstenbewohner war sie Grundnahrungsmittel. Überfischt und durch Umweltgifte verdrängt, verschwand sie immer mehr aus dem europäischem Meeresraum, erklärt Wissenschaftlerin Pogoda:
Bis zum Zeitalter der Industrialisierung kann man davon ausgehen, dass die Auster sehr nachhaltig genutzt wurde, also Mengen entnommen wurden, die die Austernbestände auch nachproduzieren konnten.
Ein ausbalanciertes, nachhaltiges Management also. Was der Meeresbiologin zufolge auch daran lag, dass die Menschen damals nicht weit aufs Meer hinausfahren konnten und die Austern an der Küste von Hand entnommen haben. Mit der Industrialisierung habe sich das alles verändert, sagt Pogoda.
Was die Auster aus der Nordsee vertrieb
Nicht nur weil die Auster selbst zu viel gefischt wurde, gibt es sie heute nicht mehr. Auch Fischerei-Zweige mit bodenberührenden Netzen tragen zu ihrer Zerstörung bei. Sie wühlen den Nordseeboden um, zerstören die Lebensgrundlage der Auster. Die pflanzen sich über Larven fort.
Das heißt, es werden kleine, schwimmfähige Jungen ins Wasser vom Muttertier entlassen. Und diese Austern suchen sich innerhalb weniger Tage einen Ansiedlungsuntergrund. Und der Ansiedlungsuntergrund ist im Idealfall auch wieder eine Austernschale.
So entstehen Riffe. Oder auch Austernbänke. Ansammlungen von vielen tausenden Muscheln, die sich immer weiter fortpflanzen.
Das macht die Auster für uns ökologisch so bedeutsam, weil sie über dieses Ansiedlungsverhalten biogene, also von lebenden Organismen gebildete Riffe baut.
Wie anderes Meeresgetier von der Auster profitiert
Findet die Auster keine Schale eines Artgenossen, geht die Larve zugrunde. Darüber hinaus interessieren sich die Forscher des Alfred-Wegener-Instituts und des Bundesamtes für Naturschutz vor allem dafür, dass mehrere Größenklassen zusammenkommen, damit Austern auch über das Larvenstadium hinaus ins Jung- oder Erwachsenenstadium kommen.
Biologin Pogoda erklärt, was die Austern, einmal ausgewachsen, schließlich für Funktionen im Meer übernehmen.
Die Austernschalen wachsen dreidimensional zusammen, so bieten sie Verstecke und Schutzräume für viele andere Tierarten. Und sie sind Ansiedlungsuntergrund für viele festsitzende Organismen. Das macht die Biodiversität an einem Austern-Riff aus. Daher kommt die ökologische Bedeutung, die wir wiederherstellen möchten.
Die Auster als Reinigungskraft
Genau diese Schlüsselfunktion der Austern wollen die Forscher wieder in die Nordsee bringen. Und noch etwas: Mit ihren feinen Kammfiltern reinigen sie das Meerwasser. Deshalb brachte das Team um Wissenschaftlerin Bernadette Pogoda die Austern in tiefe Gewässer, sogenannte Offshore-Gebiete. Zwanzig Seemeilen von der Insel Borkum entfernt, legten sie die Austern in biologisch abbaubaren Jutenetzen aus, auf dass sie die Nordsee sauberer machen.
Man kann die Auster auch im Aquarium beobachten, sagt die Wissenschaftlerin, wie sie ein trübes Aquarium in kürzester Zeit sauber filtert und einerseits die Nahrungspartikel nutzt und verdaut. Alle sonstigen Trübstoffe, die sie für die Verdauung nicht nutzen kann, gibt sie als Ausscheidungsprodukte ab und lagert sie auf dem Meeresboden ab.
Wenn man hochrechnet, wie viel Fläche von der europäischen heimischen Austernart bedeckt war in der Nordsee... Und wenn man hochrechnet, was die Einzeltiere multipliziert gemeinsam mit diesen riesigen Beständen leisten würden, kann man sich durchaus auch fragen, ob die Nordsee ein deutlich klareres Gewässer gewesen ist, als es vor 150 Jahren die Auster noch in großen Beständen gegeben hat.
Gelingt es, die Austern dauerhaft anzusiedeln, täte man in erster Linie der Nordsee einen Gefallen. Eine Auster filtert am Tag bis zu 240 Liter Meerwasser.