
Biodiversität Müssen wir die Regenwürmer retten?
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15. März 2021, 13:46 Uhr
Forscher haben zum ersten Mal die weltweite Verteilung der Regenwürmer untersucht. Ergebnis: Wir haben die meisten. Aber sie sind sehr anfällig für Klimaschwankungen. Wir müssen die "Ökosystemingenieure" schützen.
Wenn die Regenwürmer unter den Menschen einen Präsidenten wählen dürften, dann wäre die Chance sehr hoch, dass sie Nico Eisenhauer ihre Stimme geben. Der Professor am Deutschen Zentrum für Integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig weiß ganz genau, was die Würmer als "Ökosystemingenieure" für uns bedeuten. Und er fordert deshalb einen Paradigmenwechsel, einen neuen Blick auf die "erstaunlichen Kreaturen unter unseren Füßen“.
Zusammen mit einem internationalen Forscherteam hat Eisenhauer jetzt erstmals eine weltweite Verteilungskarte der Regenwürmer erstellt. Eines der Ergebnisse: Anders als sonst im Tierreich nimmt die Zahl der Regenwürmer nicht in Richtung Tropen zu. Die meisten von ihnen, sowohl nach Masse als auch nach lokaler Vielfalt, gibt es in den gemäßigten Zonen, in Europa, auch in Deutschland, im Nordosten der USA und in Neuseeland.
Die unterirdischen Biodiversitätsmuster stimmen also nicht mit denen der überirdisch lebenden Organismen überein, so die Studienergebnisse. Die Artenvielfalt von Pflanzen, Insekten oder Vögeln (Anzahl der Arten in einem bestimmten Gebiet) steigt nämlich normalerweise von hohen zu niedrigen Breiten. Das heißt, dass die Anzahl der Arten in den Tropen am höchsten ist.
Gewicht: Mehr Regenwürmer als Säugetiere
Regenwürmer sind echte Ökodienstleister – Nährstoffversorgung, Süßwasserversorgung, Kohlenstoffspeicherung oder Saatgutverbreitung gehören zu ihren Aufgaben. Und sie sind in vielen Ökosystemen weltweit anzutreffen. Nur zu feuchte, zu saure, zu trockene oder gefrorene Böden (Permafrost) mögen sie nicht. Überall sonst graben sie Löcher, mischen Bodenkomponenten und fressen organische Abfälle. Auch in unseren Breiten sind sie damit im wahrsten Sinne des Wortes Schwergewichte, so die Forscher, denn die gesamte Regenwurmbiomasse ist häufig größer als die aller Säugetiere, die in demselben Gebiet leben.
Klimawandel gefährdet auch unterirdisch
Wie bei allen anderen Lebewesen, so hat auch bei Regenwürmern der Klimawandel Einfluss auf die Entwicklung. Häufigkeit und Biomasse sind bei ihnen besonders stark an Niederschlag und Temperatur gebunden. "Aufgrund dieser starken Klimaeffekte kommen wir zu dem Schluss, dass der Klimawandel Veränderungen in den Regenwurmgemeinschaften hervorrufen und die Funktionen und Dienstleistungen der Ökosysteme verändern kann", sagt Nico Eisenhauer.
Womit wir wieder am Anfang des Artikels sind und dem Wunsch von Nico Eisenhauer, den Blick auf den Boden zu richten. Auf die wichtigen Kreaturen unter unseren Füßen.
Veröffentlichung in "Science"
An den Forschungen waren insgesamt 140 Wissenschaftler weltweit beteiligt. Sie erhoben Daten an 6.928 Standorten in 57 Ländern. Geleitet wurden sie von Nico Eisenhauer (iDiv, Uni Leipzig) und Erin Cameron (Saint Mary's University, Halifax/Kanada). Die Ergebnisse sind im Magazin Science veröffentlicht worden.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | 19. August 2017 | 15:00 Uhr