Weinlese Frühe Traubenreife zeigt Klimawandel

03. September 2019, 11:36 Uhr

Sie sind zwar nicht frühreif, aber weit früher reif als früher: Weintrauben. Das klingt erst mal unspektakulär - ist aber aus wissenschaftlicher Sicht tatsächlich bemerkenswert: Trauben sind nämlich ziemliche Mimosen, was das Wetter angeht und reagieren entsprechend.

Weinlese im Burgund
Weinlese in der Region Beaune im Burgund. Hier haben die Forscher die Weinlese-Daten ermittelt. Bildrechte: imago/robertharding

In vino veritas! Im Wein liegt Wahrheit, wussten die alten Römer, um auf die Nebenwirkungen hinzuweisen, nämlich, dass Alkohol die Zunge löst und Betrunkene dazu neigen, unverblümt die Wahrheit zu verkünden. Nur, dass man ihnen ungern zuhört. So geht es auch den Trauben an sich, denn sie zeigen seit Jahrzehnten, dass sich unser Klima ändert: Ein Forschungsteam mit Historikern und Naturwissenschaftlern aus der Schweiz, Deutschland und Frankreich hat aktuelle und historische Weinlese-Daten aus dem Burgund ausgewertet und herausgefunden: Seit 1988 beginnt die Weinlese im Durchschnitt 13 Tage früher.

Detektiv-Arbeit: Woher wissen wir, wann vor 300 Jahren Weinlese war?

Trauben reagieren sehr empfindlich auf Regen und Temperatur. Deshalb kann man anhand der Erntezeit-Daten Rückschlüsse auf das Wetter ziehen. Woher weiß man aber, wann die Weinlese zum Beispel im Jahr 1743 im Burgund einsetzte? Dazu durchforsteten die Wissenschaftler verschiedenste Archivquellen, aus denen sich Daten über die Weinlesezeit ablesen lassen: Aufzeichnungen über Lohnzahlungen an Traubenpflücker, Notizen aus dem Stadtrat - im konkreten Fall von Beaune, einer Weinstadt im Burgund - oder Zeitungsberichte. Daraus und aus Temperaturbeobachtungen aus Paris über 360 Jahre wurden schließlich Rückschlüsse auf die Temperaturen zwischen April und Juli im Zeitraum 1354 bis 2018 für die Region Beaune gezogen.

Burgund: Weinlese historisch und Abrechnung Kellermeister

Postkarte Weinlese im Burgund
Bildrechte: Universität Bern
Postkarte Weinlese im Burgund
Bildrechte: Universität Bern
Abrechnung des Kellermeisters der Kirche Notre Dame in Beaune (Frankreich). Das Dokument gibt das Datum der Weinlese in den Rebbergen des Domkapitels nach Parzellen an. Aufgeführt sind die Lohnkosten pro Parzelle und Tag.
Bildrechte: Thomas LAbbé
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Was zeigen die Daten zur Weinlese im Burgund?

Der Leipziger Wissenschaftler Thomas Labbé ist Hauptautor der Studie: Bei den Erntedaten lassen sich ihm zufolge zwei Phasen erkennen, bis 1987 seien die Trauben typischerweise ab 28. September gelesen worden, seit 1988 ab dem 15. September, im Durchschnitt also 13 Tage früher. Das Datenmaterial zeige, so Labbé, dass in der Vergangenheit heiße und trockene Jahre ungewöhnlich waren, in den vergangenen 30 Jahren aber zum Normalfall geworden seien. Selbst für die Forscher war der Befund überraschend: "Dass sich der beschleunigte Erwärmungstrend seit den 1980er Jahren in dieser Zeitreihe so klar erkennen lässt, haben wir nicht vorhergesehen", sagt Mitautor und Klimaforscher Christian Pfister.

Mitteldeutschland liest auch früher

Wissenschaftliche Untersuchungen über jahrhundertelange Zeiträume wie in Frankreich gibt es in Mitteldeutschland nicht, aber auch bei uns zeigt der Trend zu einer früheren Lese. So begann etwa die Weinernte 2018 im Saale-Unstrut-Gebiet und in den sächsichen Weinlagen bereits Mitte August, so früh wie nie zuvor. Und auch in diesem Jahr startete die Lese in dem Weinanbaugebiet im Süden Sachsen-Anhalts Ende August, eine Woche vor dem traditionellen Winzerfest in Freyburg.

Dieses Thema im Programm: MDR aktuell | Radio | 20. August 2019 | 07:30 Uhr

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