Festival der jüdischen Kultur Vielfältiges Programm beim Yiddish Summer

02. August 2016, 13:49 Uhr

Der "Yiddish Summer Weimar" feiert bis 12. August mit mehr als 100 Veranstaltungen bereits zum 16. Mal jiddische Tradition, moderne Interpretation und ungewöhnliche musikalische und tänzerische Fusionen. Das Spektrum reicht von Konzerten, Jam Sessions, Workshops, Tanzveranstaltungen bis zu gemeinsamem Singen und Schnupperkursen in jiddischer Sprache.

Figurentheater und tänzerische Transformationen - Premieren in Weimar

Zwei Stücke haben während des Festivals Premiere: "Bobe Mayses", ein Figurentheaterstück, und "Gilgul – Transformation" mit zeitgenössischem jiddischem Tanz.

"Bobe Mayses: Yiddish Knights and Other Impossibilities", die bekannteste jiddische Rittergeschichte, wird von der New Yorkerin Jenny Romaine inszeniert – als Straßenspektakel mit lebensgroßen Puppen. Das Skript dafür schrieb New-York-Times-Bestsellerautor Michael Wex, die Musik komponierte Dr. Alan Bern, Festivalleiter des "Yiddish Summer Weimar". Entwickelt und umgesetzt wird die Inszenierung mit vierzehn jungen Künstlern aus ganz Europa, den USA und Syrien.

Das Ammenmärchen entspringt aus dem ersten gedruckten Werk säkularer jiddischer Literatur "Bovo Bukh", von Elia Levita. In westjiddischer Sprache wird, mit der Reimform des Ottava Rima, unter anderem die fesselnde Lebensgeschichte des Autors und das 500-jährige Bestehen des jüdischen Ghettos in Venedig  neu erzählt.

"Gilgul – Transformation" auf Hebräisch "Die Verwandlung" oder auch "Seelenwanderung" wird von Steven Lee Weintraub choreografiert und von Zilien Biret und Ilya Shneyveys, beide große Namen im Bereich der New Jewish Music, musikalisch gestaltet. Thematisiert werden poetische Themen wie Identität, das Anderssein und Gemeinschaft aus einer jüdischen Perspektive betrachtet. Zum Anschluss an das einstündige Theaterstück wird dem Publikum die Möglichkeit einer jiddischen Tanz-Session geboten.

Spurensuche in Erfurt, Jena und Eisenach

Auch außerhalb von Weimar gibt es viele Orte, an denen jiddische Kultur und Alltag wiederbelebt werden. Eine Botschafterin des Judentums ist Thekla Bernecker aus Eisenach. Sie ist keine gebürtige Jüdin, hat den jüdischen Glauben aber für sich entdeckt und lebt ihn. Das spiegeln ihre Stadtführungen wider – und auch ihre Lebensgewohnheiten bis hin zum Shabbat-Mahl.

Ein wichtiger Anlaufpunkt für Besucher, die sich für mittelalterliche, jiddische Traditionen interessieren, ist die Alte Synagoge in Erfurt. Hier ist der berühmte Schatz ausgestellt – inklusive des Hochzeitsrings. Dieser wird ab September nach New York ausgeliehen. Zuvor will das Landesamt für Denkmalpflege ein Hologramm des Kleinods anfertigen lassen. Das 3sat-Ländermagazin war als einziges Medium dabei und zeigt exklusives Material.

Clara Rosenthal war Anfang des 20. Jahrhunderts eine kulturelle Instanz in Jena. Sie öffnete ihr Haus jungen Künstlern, veranstaltete dort Konzerte und beförderte kulturellen Dialog. Die Nazis verboten ihr die Veranstaltungen, nahmen ihr den geliebten Plattenspieler und letztlich den Lebensmut, so dass sie den Freitod wählte. Heute ist die Villa wieder Ort der Kultur und des Dialogs, an dem regelmäßig Lesungen und medienpädagogische Projekte stattfinden. Zudem ist es das Zuhause der derzeitigen Stadtschreiberin.

Einblicke in die Other Music Academy

Herzstück des „Yiddish Summer“ ist auch außerhalb der Festivalzeit die „Other Music Academy“, kurz genannt OMA, in Weimar. Die ehemalige Schule ist Sitz des Other Music e.V. als Träger des Festivals. Die behutsame Sanierung des Gebäudes symbolisiert gewissermaßen, wie der Verein auch mit jiddischer Tradition umgeht: Hier steht Altes gleichberechtigt neben Neuem. Die Sanierung des Gebäudes lässt absichtlich den Blick auf den Urzustand frei.

So entsteht der Eindruck, dass das Gebäude noch nicht fertig sei. Dies solle laut Festivalleiter Dr. Alan Bern „zum Anpacken, zum Betätigen anregen und ein Stehenbleiben verhindern“. So spiegelt der Boden des OMAcafés, welcher aus verschiedensten Dielen von Häusern deutschlandweit zusammengewürfelt ist, das Projektziel der OMA wider: ein interkulturelles, interdisziplinäres Zentrum für Kunst, Kultur und Wissenschaft zu schaffen in dem individuelle und soziale Selbstbestimmung und Selbstverantwortung gestärkt werden können.