Zahlen in einem Wirbel
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Von Zeitreisen, Zeitschleifen und Zeitparadoxien Das "Jetzt" ist eine Illusion: 10 Zeit-Fakten zum Staunen

05. November 2020, 16:29 Uhr

Fakt 1: Wer in einem Hochhaus ganz oben wohnt, altert schneller

Aber nicht nur das: Dieser Effekt, den bereits Albert Einstein beschrieb, nämlich, dass Masse, also Materie, einen Einfluss auf den Verlauf der Zeit hat, ist bereits zwischen zwei Treppenstufen nachweisbar!
Kaum zu glauben, aber Atomuhren wiesen eindeutig nach: Schon bei einem Höhenunterschied von 33 Zentimetern lief eine höher platzierte Atomuhr schneller als die tiefer Platzierte.
Doch halt, bevor Sie jetzt Ihren Mietvertrag kündigen, verraten wir: Der Unterschied ist minimal. In einem rund 80-Jahre langen Leben würde diese Höhendifferenz gerade einmal das 90. Milliardste einer Sekunde an Altersunterschied bedeuten. Diesen Effekt können Sie getrost vernachlässigen und weiter die Aussicht aus dem 10. Stock genießen! Dann doch lieber das Rauchen aufgeben, als nach unten umzuziehen...  

Fakt 2: Die Zeit kann – rein theoretisch – rückwärts laufen

Steffen Turkat 1 min
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MDR AKTUELL Mi 24.07.2019 14:51Uhr 00:20 min

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Dass die Gegenwart stets auf die Vergangenheit folgt und dass wir machtlos in die Zukunft hineingleiten, ist nicht absolut selbstverständlich, auch wenn wir den "Zeitfluss" so wahrnehmen.
Theoretisch ist ein Universum denkbar, in dem die Zeit auch rückwärts laufen könnte. Allerdings gibt’s dafür Voraussetzungen, wie uns Kernphysiker Steffen Turkat von der TU Dresden erzählt: Wir bräuchten eine Art Spiegeluniversum.

Nichts einfacher als das...

Fakt 3: Es gibt Zeitschleifen im Universum

Prof. Hermann Nicolai 1 min
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MDR AKTUELL Mi 24.07.2019 16:01Uhr 00:14 min

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Einen Moment immer und immer wieder erleben?! Klingt beunruhigend. Für manche Materieformen im Universum ist das aber tatsächlich möglich… Ganz nach dem Motto: Täglich grüßt das Murmeltier.
Prof. Hermann Nicolai vom Max-Planck-Institut für Gravitationsforschung in Potsdam hat uns berichtet, wo im Universum man hinreisen müsste, um in einer Zeitschleife zu landen.

Doch als Reiseziel eignet sich der Horizont des schwarzen Lochs leider nicht. Jedenfalls nicht für uns Menschen.

Da komm ich jetzt nicht hin. Beziehungsweise: Wenn Sie hinkommen, kommen Sie nicht mehr raus. Also, mal abgesehen davon, dass Sie den Eintritt in das schwarze Loch nicht überleben werden.

Prof. Hermann Nicolai

Fakt 4: Die Zeit kann stehen bleiben

Um einen Zeitstillstand zu erreichen, müssten wir Menschen allerdings eine momentan unerreichbare Hürde überwinden: Wir müssten Lichtgeschwindigkeit erreichen. Würden wir mit 300.000 Kilometern pro Sekunde (Lichtgeschwindigkeit) durch die Gegend sausen, würde für uns die Zeit im Vergleich zum Rest der Materie stehenbleiben.
Dies erkannte bereits Albert Einstein, wie uns Prof. Hermann Nicolai vom Max-Planck-Institut für Gravitationsforschung in Potsdam erzählt:

Einstein hat seine Überlegungen mit der Frage begonnen: Was passiert eigentlich, wenn ich auf einer Lichtwelle reite? Und dann wurde ihm irgendwie klar, wenn ich auf der Lichtwelle reite, mit Lichtgeschwindigkeit, dann bleibt die Zeit stehen.

Prof. Hermann Nicolai, Quantenphysiker

Was für uns einfach nicht möglich ist (Nein, wir können leider momentan nicht auf Lichtwellen reiten und es sind aktuell auch keine Forschungen in Sicht, die das auch nur ansatzweise in Aussicht stellen), ist für eine besondere Form von Teilchen aber Realität. Wir stellen uns heute vor, dass Licht aus sogenannten Photonen besteht. Für diese speziellen Teilchen steht die Zeit aus unserer Perspektive still.

Fakt 5: Eine Party als Beweis, dass Zeitreisen nicht möglich sind

Stephen Hawking
Niemand kam zu Hawkings Party. Er hatte aber auch erst morgen eingeladen. Bildrechte: IMAGO / Kyodo News

Wenn Zeit theoretisch in einem gespiegelten Universum aus Antimaterie auch rückwärts laufen könnte und im Horizont von schwarzen Löchern Zeitschleifen existieren, dann müsste doch eigentlich denkbar sein, dass wir irgendwann einmal Zeitreisen unternehmen könnten. Leider sieht es nicht danach aus. Denn all diese abgefahrenen Theorien gelten nicht für uns Menschen. Unsere Körper sind einfach zu komplex, zu massereich und zu träge, um Zustände, die in diesen Theorien beschrieben sind, auch nur ansatzweise erreichen zu können. Steven Hawking wollte im Jahr 2009 mit einem ungewöhnlichen Experiment beweisen, dass Zeitreisen tatsächlich nicht möglich sind. Er veranstaltete eine große Party, zu der er ausschließlich Zeitreisende aus der Zukunft einlud. Das Besondere: Er veröffentlichte die Einladungen erst nach der Feier, in der Hoffnung, dass Menschen in mehreren tausend Jahren darauf aufmerksam werden könnten. Leider kam niemand. Für Steven Hawking ist also der Beweis für die Unmöglichkeit von Zeitreisen, dass uns bislang noch niemand aus der Zukunft begegnet ist.

Fakt 6: Für Physiker gibt es kein JETZT

Leuchende Kurve 1 min
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MDR AKTUELL Do 25.07.2019 10:18Uhr 00:51 min

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Jetzt oder nie?! Es gab eine Sache, die Albert Einstein "ernstlich" an der Zeit beunruhigt hat. Und zwar: das "Jetzt". Denn für Gegenwart oder für das "Jetzt", das wir Menschen ja stets erleben, gibt es in der Physik keinerlei Berechnungsmethoden oder auch keinerlei Hinweise. Kurz: Das "Jetzt", also der gegenwärtige Moment, existiert in der Physik gar nicht. Da stellt sich natürlich die Frage: Ist unser Erleben von Gegenwart nur eine Illusion? Genauso sieht es aus, erklären uns der Kernphysiker Steffen Turkat und der Quantenphysiker Prof. Hermann Nicolai zum "Jetzt":

Fakt 7: Die Gegenwart dauert 3 Sekunden

Neurowissenschaftler und Psychologen haben herausgefunden, dass wir Menschen Sinneseindrücke in Zeitintervallen wahrnehmen, die von unserem Gehirn vorgegebenen werden. Ereignisse, die weniger als 30 bis 40 Millisekunden auseinanderliegen, können wir gar nicht mehr als getrennt erleben. Unsere Wahrnehmung scheint nun so zu funktionieren, dass unser Gehirn diese fest vorgegebenen kleinen Zeitintervalle verarbeitet, indem es sie zu weiteren etwas längeren Zeitrahmen, Zeit-Paketchen, wenn man so will, zusammenfasst. Und diese Zeitrahmen werden für uns zu dem "einen Moment" und der dauert zwei bis drei Sekunden. Das ist für Neurowissenschaftler und Psychologen das "Jetzt".

Fakt 8: Wir erleben Ereignisse als lang und kurz zugleich

Eine junge Frau sitzt am Strand und schaut in die Kamera 4 min
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4 min

Mi 24.07.2019 11:42Uhr 03:43 min

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Dieses Phänomen heißt das "subjektive Zeitparadoxon". Wenn viel los ist, also wenn viele Sinneseindrücke auf uns einprasseln, haben wir das Gefühl, dass die Zeit rasend schnell vergeht. Wenn es langweilig ist und wir stundenlang in einer reizarmen Umgebung verweilen, ziehen sich die Sekunden wie Kaugummi auseinander. Das ist unser subjektives Zeiterleben. Erinnern wir uns aber nun an die ereignisreiche Zeit zurück, kommt sie uns im Nachhinein viel länger vor, als immer gleiche reizarme Momente. Ein Paradoxon.   

Fakt 9: Keiner weiß, wie und ob Zeit überhaupt angefangen hat

Wenn Sie jemand fragt: Wie ist das Universum und überhaupt alles entstanden? Dann antworten Sie wahrscheinlich: Mit dem Urknall!
Diese Antwort stimmt mit der Meinung des größten Teils der Forschungswelt voll und ganz überein. Wahrscheinlich ist alles, was wir kennen, Materie, Raum und Zeit, mit dem Urknall entstanden. Allerdings können Wissenschaftler nicht erklären, was während des Urknalls passiert ist.

Prof. Hermann Nicolai 1 min
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MDR+ Do 25.07.2019 10:18Uhr 00:32 min

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Verrückterweise kommt man mit allen Berechnungsmethoden einfach nicht näher als die ersten 10 hoch Minus 43 Sekunden heran. Das ist zwar wirklich schon SEHR kurz danach, jedoch bleibt der Urknall selbst im Dunkeln, im wahrsten Sinne des Wortes. Deshalb mögen Physiker die Frage: "Ja, was war denn vor dem Urknall?" überhaupt nicht so gerne. Wir haben sie natürlich trotzdem gestellt! Quantenphysiker Prof. Hermann Nicolai hat uns geantwortet:

Fakt 10: Wir sehen immer nur die Vergangenheit

Ein Blick in den Sternenhimmel ist ein Blick in die Vergangenheit, soweit so gut. Licht, das teilweise Milliarden Jahre unterwegs war, strahlt uns da entgegen. Aber auch nähere Objekte können wir nie in ihrer eigenen Gegenwart wahrnehmen. Die Lichtstrahlen der Sonne zum Beispiel, die wir "jetzt" sehen, haben sich bereits vor rund acht Minuten auf den Weg gemacht. Und selbst, wenn wir uns mit einer Person unterhalten, hier und "jetzt" auf der Erde, sehen wir Vergangenes. Denn selbst bei kürzester Distanz vergeht Zeit, und unser Gehirn braucht auch noch einmal 150 bis 200 Millisekunden für die Verarbeitung dieser Informationen.