Juri Gagarin
Juri Gagarins Weltraumflug war ein Triumpg der sowjetischen Raumfahrt während des Kalten Krieges, der auch im Orbit ausgetragen wurde. Bildrechte: imago/ITAR-TASS

Raumfahrt der Supermächte Wettlauf ins All - Der Kalte Krieg im Orbit

17. Februar 2017, 09:42 Uhr

Menschen, die durch den Orbit düsen, Satelliten, die um die Erde kreisen und Raumschiffe, die zum Mond fliegen. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts stoßen Sowjets und US-Amerikaner ins Weltall vor. Doch was wie friedliche Raumfahrt aussieht, ist ein knallharter Kampf der Supermächte: Es geht um militärische Übermacht und viel Prestige. Was geschah beim Kalten Krieg im All?

Die Geschichte beginnt in den 50er-Jahren: Sowjetunion und USA - im Zweiten Weltkrieg noch Verbündete - stehen sich im Kalten Krieg als erbitterte Feinde gegenüber. Mit Hilfe deutscher Ingenieure tüfteln beide Supermächte an leistungsstarken Langstreckenraketen, die im Kriegsfall auch Atomsprengköpfe transportieren können.

V2-Erfinder in amerikanischen Diensten

Wernher Magnus Maximilian Freiherr von Braun
V2-Erfinder Wernher von Braun arbeitet für die Amerikaner. Bildrechte: imago images / UIG

Die US-Amerikaner können dabei auf den Erfinder der ersten weltraumfähigen Großrakete, den deutschen Ingenieur Wernher von Braun, und sein Team zurückgreifen. Von Braun hatte im Auftrag der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg die ballistische Artillerie-Rakete A4 - von der NS-Propaganda V2 ("Vergeltungswaffe 2") genannt - entwickelt, mit der ab 1944 massenweise Sprengladungen von über 700 Kilogramm Gewicht auf London und Antwerpen abgefeuert wurden.

Sowjets setzen auf größere Raketen

Juri Gagarin und Sergej Koroljow
Der Vater des sowjetischen Raumfahrtprogramms Sergei Koroljow (rechts) mit Juri Gagarin. Bildrechte: IMAGO / ITAR-TASS

Den Sowjets steht hingegen nur die zweite Garnitur deutscher Raketentechniker zur Verfügung. Das sind allerdings Leute mit viel praktischer Erfahrung. Zudem kann die UdSSR bereits auf ein eigenes Raketenprogramm aus Vorkriegszeiten aufbauen. Sergei Koroljow heißt der Mann, der es leitet. Ein mindestens ebenso begnadeter Erfinder und Ingenieur wie von Braun – und wie dieser auch ein Raumfahrt-Enthusiast. Während die Amerikaner aber daran arbeiten, ihre Atomsprengköpfe leichter zu bauen, um sie der Tragfähigkeit ihrer Raketen anzupassen, geht Koroljow den entgegengesetzten Weg. Er baut einfach größere und leistungsstärkere Raketen.

Sputnik schockt Amerika

Das Ergebnis bekommt die Welt am 4. Oktober 1957 eindrucksvoll zu spüren: Mit Sputnik 1 schießen die Sowjets den ersten künstlichen Erdsatteliten in eine Umlaufbahn. Die 80 Kilogramm schwere Kugel mit ihrem Kurzwellensender sorgt in den USA für den sogenannten Sputnik-Schock. "Falls die Sowjets das Weltall kontrollieren, dann können sie die Erde kontrollieren", kommentiert der spätere US-Präsident John F. Kennedy das Ereignis. Tatsächlich zeigt Sputnik 1 den USA, dass die Sowjets nun eine Interkontinentalrakete besitzen, mit der sie jedes Ziel in den USA erreichen können.

Erstes Lebewesen im All

Der Wettlauf um die Vorherrschaft im All und damit um die besten Trägerraketen hat begonnen: Die USA, die ihre Ressourcen bis dahin auf verschiede Raketenprojekte von Army und Navy zersplittert haben, reagieren 1958 mit dem Aufbau der zivilen Raumfahrtbehörde NASA. Doch den Vorsprung der Sowjetunion holen sie so schnell nicht auf. Noch im Jahr des ersten Sputnik-Schocks folgt der zweite: Mit der Mischlingshündin Laika schießt die UdSSR im November 1957 das erste Lebewesen in den Orbit.

Erster Flug zum Mond

Vanguard-Satellit
Ein Vanguard-Satellit wird 1958 am NASA-Space Center Cape Caneveral überprüft. Bildrechte: imago/ZUMA Press

Immerhin gelingt es den Amerikanern im Folgejahr mit Explorer 1 ebenfalls einen Satelliten in eine Umlaufbahn zu bringen. Zwar wiegt der solarbetriebene US-Satellit Vanguard 1 nur 14 Kilogramm, dafür dreht er aber bis 1970 seine Kreise, während Sputnik 1 bereits 1958 in der Atmosphäre verglüht. An der Dominanz der Sowjetunion im Weltall ändert das nichts: Deren Raketenexperten haben längst ganz andere Sphären ins Visier genommen. Im September 1959 schlägt mit Lunik 2 der erste von Menschenhand gebaute Flugkörper auf der Mondoberfläche ein. Einen Monat später fotografiert Lunik 3 die Rückseite des Mondes.

Erste Menschen im Weltraum

Und der nächste "Bigpoint" der Sowjets im Kampf um die Vorherrschaft im Weltall folgt schon bald: Am 12. April 1961 umkreist Juri Gagarin, Sohn eines Zimmermanns und einer Bäuerin, mit der Wostok 1 als erster Mensch die Erde. 1963 schickt die UdSSR mit Walentina Tereschkowa auch die erste Frau ins All. Sie bleibt gleich drei Tage oben und umkreist die Erde 48 Mal. Im gleichen Jahr schickt die Sowjetunion auch die erste dreiköpfige Besatzung in den Orbit. Und es ist natürlich ein Russe, Alexei Leonow, der 1965 als erster Mensch einen "Weltraumspaziergang" hinlegt - in 500 Kilometern über der Erdoberfläche wohlgemerkt.

Wettbewerb der Systeme

Lunochod 1 Sowjetischer Mond-Rover
1970 setzen die Sowjets mit Lunochod 1 den ersten Mond-Rover ab. Bildrechte: imago images / ITAR-TASS

Auch das Mondprogramm der sowjetischen Raumfahrt bricht immer neue Rekorde: 1966 gelingt mit Luna 9 die erste weiche Mondlandung, also das erste unversehrte Aufsetzen eines Flugkörpers auf der Mondoberfläche. Spätere Luna-Missionen bringen sogar Mondgestein zur Erde zurück und setzen mit Lunochod ein Roboterfahrzeug auf dem Mond ab.

Längst geht es im Kampf um die Vorherrschaft im Weltall nicht allein um militärische Aspekte, also um die Entwicklung immer stärkerer und zuverlässigerer Interkontinentalraketen, die im Kriegsfall besonders viele Atomsprengköpfe in das Territorium des Gegners tragen können. Längst geht es darum, die eigene technische Überlegenheit und damit die Überlegenheit des eigenen Gesellschaftssystems zu beweisen.

Kennedys ehrgeizige Pläne

US-Präsident John F. Kennedy und Wernher von Braun 1963 in Cape Caneveral
US-Präsident Kennedy (rechts) und Wernher von Braun (Mitte) 1963 in Cape Caneveral. Bildrechte: imago images / ZUMA Press

In den USA weiß man Anfang der 1960er-Jahre längst, dass man den Rückstand gegenüber den Sowjets einzig und allein durch die erste bemannte Mondlandung wettmachen könnte. Im Mai 1961, kurz nach der Weltraumfahrt des Russen Gagarin, verspricht der junge US-Präsident John F. Kennedy "einen Menschen auf dem Mond zu landen und sicher zur Erde zurückzubringen." Immerhin schaffen es die USA ein Jahr später mit John Glenn den ersten US-Amerikaner in den Orbit zu bringen. Er umkreist mehrfach die Erde und kehrt nach fünf Stunden zurück. Es folgen ehrgeizige Projekte, deren Krönung ab 1967 die Apollo-Missionen zum Mond sind.

Amerikaner fliegen zum Mond

Apollo 11 Astronauten Neil Armstrong und Edwin E."Buzz" Aldrin
Neil Armstrong und Edwin E."Buzz" Aldrin landen 1969 als erste Menschen auf dem Mond. Bildrechte: imago/United Archives International

Die dafür geschaffenen Saturn-Raketen gehören zu den leistungsstärksten Trägersystemen der Raumfahrt, die je gebaut werden. Wernher von Braun und andere deutsche Raketeningenieure sind im Auftrag der NASA maßgeblich an ihrem Bau beteiligt. 1967 startet der erste Saturn-Gigant zu seinem Jungfernflug. Neun weitere Apollo-Test-Missionen folgen, bevor am 20. Juli 1969 mit Apollo 11 die ersten US-Amerikaner den Mond erreichen. Der Satz von Astronaut Neill Armstrong, der am 20. Juli 1969 als erster Mensch seinen Fuß auf den Erdtrabanten setzt - "Ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein gewaltiger Sprung für die Menschheit" - geht in die Geschichte ein. Bis 1972 folgen sechs weitere Apollo-Missionen. Danach kehrt nie wieder ein Mensch zum Mond zurück. Die Amerikaner feiern ihr Apollo-Programm als Sieg im Wettlauf ums All.

Die ersten Raumstationen

Kosmonaut Alexej Leonow und Astronaut Thomas Stafford treffen sich 1975 im Weltall
1975 treffen sich Alexej Leonow (rechts) und Thomas Stafford (links) im Weltall. Bildrechte: imago images / ITAR-TASS

Die Sowjets sehen das natürlich anders. Und tatsächlich hatten sie bis dahin stets die Nase vorn, nur eben auf den Mond landen sie nicht. Dafür wenden sie sich in den 1970er-Jahren verstärkt dem erdnahen Orbit zu. Mit "Saljut 1" gelingt es ihnen 1971 auch, die erste Raumstation in Betrieb zu nehmen. Damit setzt die UdSSR erneut einen Meilenstein im Weltall, zwei Jahre bevor die Amerikaner 1973 mit ihrem Skylab-Programm nachziehen. Der Wettstreit im Orbit geht damit weiter. Doch ausgerechnet hier gibt es - mitten im Kalten Krieg - auch eine erste versöhnliche Geste zwischen Vertretern der beiden Supermächte. Im Juli 1975 umarmen sich Kosmonaut Alexej Leonow und sein amerikanischer Kollege Thomas Stafford in rund 225 Kilometern Höhe. Zwei Tage lang fliegen ihre Raumschiffe aneinander gekoppelt um den blauen Planeten.

Gemeinsam im Orbit

Doch bis der Kalte Krieg auch auf der Erde endet vergehen noch 14 weitere Jahre. Andere Meilensteine der Raumfahrtgeschichte folgen. So schicken die US-Amerikaner mit dem Space-Shuttle "Columbia" 1981 die erste Raumfähre ins Weltall. Die Sowjetunion bringt in dieser Zeit Raumfahrzeuge auf Venus und Mars und nimmt 1986 mit der "Mir" die erste ständig bewohnte Weltraumstation in Betrieb. Sie wird die Erde 15 Jahre lang umkreisen. 1995 kommt es genau hier zum nächsten Händedruck zwischen mittlerweile russischen Kosmonauten und amerikanischen Astronauten. Als mit der Raumfähre "Atlantis" erstmals ein Space Shuttle an eine Raumstation ankoppelt und sich die beiden Besatzungen in den Armen liegen, findet der Kalte Krieg im All auch symbolhaft seinen Abschluss.

Serie über Gagarin in der ARD-Mediathek Der MDR-Journalist Martin Hübner ist am 10. November 2022 mit dem Medienpreis Luft- und Raumfahrt in der kategorie Lebenswerk ausgezeichnet worden, der erstmalig vergeben wurde. Sein neuestes Werk ist eine Serie über Juri Gagarin. In den fünf Folgen blickt er hinter die Kulissen von Gagarins Helden-Inszenierung. Im Fokus steht dabei der "wahre Gagarin", vor und nach seinem historischen Weltraum-Flug. Interviews mit Weggefährten geben erstaunliche Einblicke in die Lebensumstände des Kosmonauten Nr. 1.