Ferdinand Porsche - Stolz oder Problem von Vratislavice?

20. November 2017, 17:22 Uhr

Ferdinand Porsche ist der ganze Stolz des tschechischen Städtchens Vratislavice. Denn hier wurde er geboren! Doch die Frage, wie mit seiner NS-Vergangenheit umzugehen sei, sorgte für einen handfesten Streit. Inzwischen ist ein neues Museum entstanden.

Das Porsche-Werk in Leipzig ist mit seinen rund 4.000 Angestellten einer der wichtigsten Arbeitgeber Sachsens. Jeder ist stolz auf den genialen Autokonstrukteur Ferdinand Porsche, der in Stuttgart die Keimzelle der heutigen Weltmarke gründete. Wäre da nicht seine dunkle Vergangenheit während des Nationalsozialismus. In seinem Geburtsort Maffersdorf - heute das tschechische Vratislavice, zwanzig Kilometer hinter der sächsischen Grenze - war man sich lange uneinig, wie man mit Porsches zwiespältiger Vergangenheit umgehen will. Ein Riss zog sich durch die Gemeinde.

Geburtsort Ferdinand Porsches

So gibt es die Autofans vom "Porsche Club Vratislavice", die alles verehren, was aus dem Hause Porsche kommt und die es stört, dass ihr Vratislavice zumeist unter den Tisch fällt, wenn es um Porsche-Geschichte geht. Ihr größter Traum deshalb: ein richtiges Porsche-Museum in Vratislavice, damit der Geburtsort Porsches endlich mehr Beachtung fände. So starteten sie vor ein paar Jahren einen ersten Ausstellungsversuch im Kulturzentrum von Vratislavice - mit drei historischen Fahrzeugen, die das Porsche-Museum in Stuttgart leihweise zur Verfügung stellte. Das Rathaus zog mit, montierte an allen Zufahrtsstraßen nach Vratislavice Willkommensschilder an, die darauf hinweisen: Hier ist der Geburtsort Ferdinand Porsches.

Museum geschlossen wegen Protesten

An dieser Huldigung Porsches - bezahlt aus der Gemeindekasse - störten sich nicht wenige: Sich mit Porsche zu brüsten, ohne seine Vergangenheit in der NS-Zeit hinreichend aufzuarbeiten - für sie ein Unding! Schließlich habe Porsche direkt von dem Terror-Regime profitiert, sogar Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge für sich arbeiten lassen. 150 Aktivisten schlossen sich zusammen, drohten der Gemeinde in einer Petition mit einer Klage wegen "Verherrlichung des Nationalsozialismus". Und das hatte Folgen: Das Porsche-Museum in Stuttgart zog seine historischen Fahrzeuge zurück, der Porsche-Gedenkflügel im Kulturzentrum wurde geschlossen und die Schilder 2013 abmontiert.

Ein neues Museum

Doch, Überraschung! Inzwischen stehen sie wieder. Der neue Bürgermeister Lukas Pohanka hat die Schilder, die sein Vorgänger auf Anraten eines Anwalts vorsichtshalber abnehmen ließ, wieder angebracht. Die Angst vor einer Klage: obsolet. Der Grund: Ein neues Museum im Geburtshaus von Ferdinand Porsche, das die Vorbehalte in Vratislavice ernst genommen hat. Verantwortlich dafür: Skoda Tschechien, die Porsche-Schwester im VW-Konzern. Sie hat das Geburtshaus gekauft, aufwändig wieder aufgebaut und darin ein Museum errichtet. Aber eines, das keine Heldenverehrung betreibt, sondern auch die Schattenseiten des genialen Autokonstrukteurs aufzeigt.

Hitlers Lieblingskonstrukteur

Das Museum besteht aus drei Räumen: Der erste ist dem böhmischen Erfindergeist allgemein gewidmet, der zweite den automobilen Innovationen Ferdinand Porsches. Highlight ist hier ein Nachbau des Lohner-Porsche Semper Vivus - das erste Hybridauto der Welt. Der dritte Raum beschäftigt sich mit der Familiengeschichte des Porsche-Clans, stellt alle Lebensphasen Ferdinand Porsches dar und arbeitet seine Verstrickungen mit dem NS-Regime auf - beginnend mit Hitlers Auftrag, einen "Wagen für das Volk" zu entwickeln.

Hitlers Lieblingskonstrukteur Ferdinand Porsche soll ein Auto für jedermann kreieren, nicht teurer als 1.000 Reichsmark. Ab 1934 konstruiert Porsche den deutschen Volkswagen, später "KdF-Wagen" beziehungsweise "VW Käfer" genannt. Durch das Volkswagenprojekt gewinnt Ferdinand Porsche Hitlers Vertrauen und dessen Gunst. 1937 legt Porsche auf Drängen des Führers seine tschechoslowakische Staatsangehörigkeit ab. Ein Jahr später wird er Mitglied der NSDAP und Hauptgeschäftsführer des Volkswagenwerkes. Doch der "Käfer" geht nicht in die Massenproduktion. Nach Kriegsbeginn stellt Porsche seine Fähigkeiten und das Volkswagenwerk in den Dienst der Rüstung. Seine enge Verbindung zum NS-Regime verschafft ihm viele Aufträge. Es werden Waffen produziert und auf Basis des Volkswagens entstehen Militärfahrzeuge: Kübelwagen, Schwimmwagen und auch Panzer. Dass Porsche für die Produktion in großem Umfang Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter sowie KZ-Häftlinge einsetzen ließ - auch das wird im Museum nicht verschwiegen.

Positive Resonanz

Das Museum bekomme durchweg positives Feedback, erklärt der Historiker und Archivar Lukas Nachtmann, der die Konzeption der Ausstellung maßgeblich mitgestaltet hat. Und offenbar scheint sie auch die Kritiker besänftigt zu haben. Denn die Ausstellung zeigt den böhmischen Konstrukteur in all seinen ambivalenten und streitbaren Facetten: als genialen Erfinder, cleveren Unternehmer und Technikenthusiasten, der ohne weltanschauliche Bedenken und moralisches Gewissen die Entfaltungsmöglichkeiten nutzte, die ihm das NS-Regime bot.

Über dieses Thema berichtete der MDR im TV auch in "Aktuell" 07.06.2013 | 17.45 Uhr