Teasergrafik Altpapier vom 9. Dezember 2021: Porträt Autor Ralf Heimann
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Das Altpapier am 9. Dezember 2021 Ein Geisterfahrer? Hunderte!

09. Dezember 2021, 15:01 Uhr

In einem langen Interview erklärt Julian Reichelt die Gründe für seinen Rauswurf. Die Geschichte konstruiert er wie eine Story für die "Bild". Dass sein eigenes Verhalten etwas mit dem Rauswurf zu tun gehabt haben könnte, sieht er nicht. Ein Altpapier von Ralf Heimann.

Eine Story wie aus der "Bild"

Julian Reichelt hat der Zeit ein Interview gegeben (€). Wo fangen wir an?

Vielleicht bei Anton Rainer vom Spiegel, der an den Recherchen zu Reichelt in den vergangenen Monaten beteiligt war. Er hat bei Twitter "eine unvollständige Auflistung aller Schuldigen" zusammengestellt, die Reichelt in seinem Gespräch mit Cathrin Gilbert benennt. Und das sind:

"'Woke-Wahnsinnige', Mathias Döpfner, Die 'Berliner Blase', Kritiker von Winston Churchill (?), Diversity-Plakate mit 'islamistischer Kleidung', 'Inquisitorische' Recherchen".

Im nächsten Tweet geht es weiter:

"Die @tagesthemen, Fehlende 'unternehmensweite Solidarität mit Israel', Cancel Culture, Die @nytimes, 'Opferbewegungen', Ein 'Partyveranstalter', @derspiegel, 'Frustrierte Kollegen', Sparmaßnahmen bei @axelspringer, Das 'Establishment'"

Es ließen sich noch andere hinzufügen, zum Beispiel ein "von mir besessener Schriftsteller", das dürfte Benjamin von Stuckrad-Barre sein. Reichelts Erzählung in diesem Interview ist: Da wurde jemandem ganz übel mitgespielt, der sich eigentlich nie etwas zu Schulden kommen lassen hat. Warum? Weil den Menschen seine politische Meinung nicht gefällt, weil sie ihn ohnehin nicht mögen, aus Rachegelüsten oder Neid, weil die Gesellschaft sich in eine sehr beängstigende Richtung bewegt oder einfach, weil sie ihm sein privates Glück nicht gönnen.

Dabei geht Reichelt vor, als ginge es hier um eine "Bild"-Geschichte, die den emotionalen Kern des Ganzen möglichst zugespitzt auf den Punkt bringen muss, um in einer Überschrift Platz zu finden. Reichelt sagt:

"Man hat mich unterm Strich wegen meiner Beziehung rausgeworfen. Dafür, dass ich einen Menschen liebe."

Das bekannte Problem mit "Bild"-Geschichten ist aber, dass sie so zugespitzt oft nicht stimmen. Das ist hier offensichtlich der Fall, denn dass er einen Menschen liebt, war für den Rauswurf nicht der Grund.

In seiner Video-Botschaft an die Belegschaft im Oktober sprach Springer-Chef Mathias Döpfner darüber, was gegen Reichelt vorlag: Es waren unterschiedliche Vorwürfe in insgesamt sechs Fällen. Fünf der Frauen arbeiteten bei Springer, eine der Verbindungen konnte die Kanzlei Freshfields laut Döpfner nachweisen. Eine aktuelle Beziehung hätten sowohl Reichelt als auch die Mitarbeiterin abgestritten.

Reichelt sagt nun in dem Video:

"Die Beziehung, um die es geht, wurde im Abschlussbericht von Freshfields, den Mathias Döpfner mir selber vorgelesen hat, sehr konkret thematisiert."

Haben Reichelt und die Frau die Beziehung im Frühjahr also gar nicht abgestritten? Wusste Döpfner längst davon? Hat er gelogen? Oder hat Reichelt gelogen?

Die Lüge hatte Döpfner in dem Video als Grund dafür angeführt, dass er den "Bild"-Chef rausgeworfen hatte, nach einem 20-minütigen Gespräch am Telefon, wie in Reichelts Interview zu lesen ist.

Laut Döpfner verlief das Gespräch, das zur Kündigung führte, so: Er habe Reichelt nach seiner Beziehung gefragt, Reichelt habe sie abgestritten, dann habe er "zwei sehr glaubwürdige Zeugenberichte" vorgelegt, Reichelt sei eingeknickt, dann musste er gehen.

Reichelt sagt: "Ich habe Mathias Döpfner da nicht angelogen." So habe das Gespräch nie stattgefunden. "Das ist so niemals passiert. Ich habe dem Vorstand nicht die Unwahrheit gesagt", sagt er. Wie das Gespräch seiner Erinnerung nach tatsächlich verlief, sagt er nicht.

Damit bleiben Zweifel, und vielleicht ist das Absicht. Beide werfen einander Lügen vor. Das bedeutet: Einer lügt hier ganz sicher. Der Spiegel hat noch mal bei Springer nachgefragt. Der Verlag teilt mit: "Wir haben unserer bisherigen Darstellung nichts hinzuzufügen."

Döpfners SMS

In einem anderen Fall bestätigt Reichelt indirekt, dass Döpfner nicht die Wahrheit gesagt habe. An dieser Stelle geht es um das Zitat aus der SMS-Nachricht, in dem er die Bundesrepublik mit dem "DDR-Obrigkeitsstaat" vergleicht und den Großteil der Journalistinnen und Journalisten als "Propaganda-Assistenten" abqualifizierte.

Später sagte er, das sei ironisch gemeint gewesen. War es das wirklich?

Reichelt:

"Sie wollen jetzt, dass ich Ihnen sage, Mathias' WhatsApp-Nachricht sei in Wahrheit nicht ironisch gemeint gewesen. Das kann aber nur er selbst wissen. Was ich sagen kann, ist: Mathias und ich sind politisch in den allermeisten Fällen einer Meinung. Ich habe mich immer geborgen gefühlt in dieser großen geistigen Nähe."

Eine Möglichkeit ist hier: Dieser Fall gehörte zu den wenigen, in denen Döpfner und Reichelt nicht einer Meinung waren. Dann hätte Reichelt aber auch sagen können: "Mathias Döpfner und ich waren nicht in allen Fällen einer Meinung."

Andernfalls gäbe es zwei Möglichkeiten. Entweder Döpfners Nachricht war nicht ironisch gemeint, sondern so, wie man sie verstand. Oder Reichelts Schlagzeilen auf der "Bild"-Titelseite in den Monaten davor waren allesamt ironisch. Das erscheint unwahrscheinlich.

"Flood the zone with shit"

Reichelt unterstellt nicht nur Döpfner Lügen, auch anderen, dem Spiegel oder der New York Times. Und auch dafür gibt es mehrere mögliche Erklärungen. Entweder Reichelt ist tatsächlich überzeugt von dem, was er hier sagt. Das würde darauf hindeuten, dass er die Wirklichkeit an vielen Stellen anders wahrnimmt als die meisten anderen Menschen, die auf diesen Sachverhalt schauen. Oder Reichelt weiß, dass seine Einschätzungen mitunter zweifelhaft sind, und es ist schlicht eine Kommunikationsstrategie. Oder die andere Seite lügt. Oder es ist mal so, mal so.

Sollte es eine Kommunikationsstrategie sein, kennen wir sie bereits aus den USA. "Flood the zone with shit" nannte Donald Trumps Kommunikationsberater Steve Bannon diese politische Kampfsportart. Verbreite so viele widersprüchliche Informationen, dass hinterher kein Mensch mehr weiß, was stimmt. Dann entscheidet das Gefühl.

Im Falle des Telefonats mit Döpfner könnte das so sein. Eine Aufzeichnung des Gesprächs gibt es vermutlich nicht. Im Nachhinein lässt sich nicht sagen, wie es war. Es steht Aussage gegen Aussage.

An einigen Stellen klingt Reichelts Argumentation plausibel. Etwa dort, wo es um eine von Ben Smith in der New York Times als "geheim" bezeichnete Zahlung an eine Mitarbeiterin ging. Er habe die Anweisung von Zahlungen gar nicht alleine entscheiden können, sagt Reichelt, das Ganze sei durch mehrere Instanzen gegangen. Außerdem sei es keine geheime Zahlung gewesen, sondern eine "vollkommen normale Sonderzahlung für eine Kollegin, die im Ausland hohe Ausgaben hatte".

Dass die Stimmung im Haus auch deshalb schlecht war, weil Reichelt 120 Kolleginnen und Kollegen, auch aus der Führungsetage, entlassen sollte, um das Unternehmen für den Finanzinvestor KKR "hübsch" zu machen, wie er erzählt, erscheint ebenfalls nicht unwahrscheinlich. Andererseits klingt es hier so, als habe sein eigenes Verständnis von Mitarbeiterführung und -verführung mit alledem nichts zu tun.

PR-Agentur von Reichelts Ego

Er blendet also gewisse Dinge aus, um eine Geschichte zu transportieren. Auch das kennen wir schon von seiner Arbeit als "Bild"-Chefredakteur. Moritz Tschermak und Mats Schönauer schreiben in ihrem Buch "Ohne Rücksicht auf Verluste" über die "Bild" und das System Reichelt – wie Reichelt zum Beispiel dafür sorgte, dass am Ende nicht das in der Zeitung oder auf der Startseite steht, was eine Redakteurin oder ein Redakteur sich für einen Kommentar überlegt hat, sondern was Reichelt dort mitteilen möchte. Tschermak und Schönauer  beschreiben "Bild" als politische PR-Agentur von Julian Reichelts Ego.

Und das deckt sich durchaus mit dessen auf den ersten Blick vermessen erscheinender Einschätzung: "Nicht Julian Reichelt ist Bild, sondern: Bild war Julian Reichelt."

Dass das nicht ausschließlich Hybris ist, sondern in Teilen durchaus zutrifft, ist seit Reichelts Weggang am Ton und der Richtung der Berichterstattung zu erkennen.

Dass das Blatt vor einigen Tagen zwei Wissenschaftler und eine Wissenschaftlerin an den Pranger gestellt hat (was nun den Presserat beschäftigt) passt natürlich in das von Reichelt geprägte Bild. Aber die Mehrzahl der Schlagzeilen, die seit Oktober auf der Startseite erscheinen, sind deutlich weniger aggressiv, anklagend und mehrheitskritisch wie in der Zeit, als Reichelt noch das Sagen hatte.

Eine andere Einschätzung von Reichelt widerspricht seiner Aussage oben allerdings vollkommen. Reichelt sagt:

"Bild war eine Monarchie, ich habe daraus eine Demokratie mit flachen Hierarchien und transparenter Kommunikation gemacht."

Anton Rainer schreibt bei Twitter: "L'État, c'est moi!", sagte Ludwig XIV. und führte die Demokratie ein."

An vielen Stellen ergibt sich der Eindruck – und das spräche für die Erklärungsvariante: Er glaubt das alles tatsächlich –, dass eine der exklusivsten Geschichten in Reichelts Karriere seine Selbstwahrnehmung ist.

Zum Vorwurf, er habe eine Kollegin derart gefördert, dass sie sich überfordert gefühlt habe, sagt Reichelt: "Überforderung ist nichts Schlimmes. Sie führt dazu, dass Menschen über das hinauswachsen, was sie sich selbst zutrauen." Die Aussage leitet er mit dem Satz ein: "Ich mag da falschgelegen haben in meiner Einschätzung, aber ich glaube, verantwortungsvolle Überforderung ist nichts Schlimmes."

Hier hätte Cathrin Gilbert den Vorwurf etwas genauer formulieren müssen. Das hat der Spiegel im Oktober getan. In diesem Text war nicht die Rede davon, dass die Frau über sich hinauswuchs. Dort stand, Kollegen hätten "über Monate beobachtet, wie schlecht es der Frau ging, wie sie immer häufiger krank wurde". Auch einen Klinikaufenthalt hätten sie bestätigt.

Wenn auch nur die Hälfte der Berichte über Atmosphäre, Führungsstil und Binnenpluralismus in der "Bild"-Redaktion stimmen sollten, dann deutet das nicht auf das hin, was man in Deutschland gemeinhin unter Demokratie versteht, aber der Begriff ist ja, wie auch die deutsche Geschichte beweist, durchaus für Interpretationen offen.

Zur Abwechslung: Sophistereien

Reichelt hat in den vergangenen Wochen offenbar viel über die Gründe für seine Entlassung nachgedacht. Nur ein Gedanke scheint ihm dabei nicht gekommen zu sein: Dass sein eigenes Verhalten etwas mit dem Rauswurf zu tun haben könnte.

Als Cathrin Gilbert ihn mit dem Vorwurf konfrontiert, er habe "als Vorgesetzter Beziehungen zu Mitarbeiterinnen gepflegt, die Ihnen Machtmissbrauch vorwerfen", wendet er ein, ihm sei nie eine Aussage präsentiert worden, in dem ihm "Machtmissbrauch" vorgeworfen worden sei. Und das ist mal ausnahmsweise eine Sophisterei, mit der Reichelt von der eigentlichen Sache ablenkt.

Ihm wurde vorgeworfen, dass er Frauen berufliche Vorteile gewährt habe, mit denen er Beziehungen unterhielt. Und wenn die privaten Sympathien tatsächlich ein Grund für die Vorteile waren, hätte immer die implizite Gefahr bestanden, dass die Vorteile entfallen, sobald die privaten Sympathien enden. Das hatte Reichelt in der Hand. Schon so eine Situation herzustellen, kann man als Machtmissbrauch bezeichnen.

Hier ist gar nicht entscheidend, ob Reichelt diese Macht tatsächlich ausgenutzt hat. Entscheidend ist die Möglichkeit, dass er Entscheidungen aus dieser Machtposition heraus getroffen haben könnte.

Diesen Eindruck hätte er leicht vermeiden können, indem er die Beziehung transparent gemacht hätte. Dass er darauf verzichtete, benennt Döpfner in seinem Video als eines der zentralen Probleme. Wenn es stimmt, was Döpfner in diesem Video sagt, hat er die Situation nicht reflektiert.

Auf die Frage, welchen Grund er dafür sehe, dass diese Frauen mit ihm geschlafen haben, und ob er denke, dass es daran liege, dass er so attraktiv sei, sagt er: "Darüber habe ich noch nie nachgedacht." Ich halte das für unwahrscheinlich.

Es gibt eine weitere Parallele zu Reichelts Fall und seiner apokalyptischen Berichterstattung. Er sieht nicht nur überall Schuldige, sondern auch überall Gefahren. Ben Smith hat im Oktober in einem Interview mit der Zeit gesagt, in den USA hätten schon fünf Prozent der Vorwürfe gegen Reichelt für eine Entlassung ausgereicht. Reichelt will seinen Fall aber nicht als Metoo-Sache verstanden wissen. Er sieht die Ursache vor allem in einer gesellschaftlichen Entwicklung, die er für eine Fehlentwicklung hält.

Ambivalenz und Missverständnisse

Springer hat nach Reichelts Rauswurf sein Personal darauf verpflichtet, Beziehungen innerhalb der Belegschaft offenzulegen. Man kann darüber streiten, in welchem Maße das sinnvoll und nötig ist. Warum müssen Menschen ihre Beziehungen offenlegen, zwischen denen es kein Hierarchiegefälle gibt? Kann nicht wenigstens das Privatsache bleiben? Da sind sicherlich unterschiedliche Einschätzungen möglich. 

Generell ist diese Regel der Versuch, Schwächere zu schützen. Würde eine Person, die eine Affäre mit einer ihr vorgesetzten Person beginnt, bei dieser Person darauf drängen, das Ganze im Unternehmen öffentlich zu machen, könnte das auch als Misstrauen verstanden werde. Die Verpflichtung verhindert das. Man kann in ihr allerdings auch eine allgemeine Gefahr sehen. Und damit sind wir wieder bei Reichelt. Seine Perspektive ist: "Das ist doch der Horror der totalen Überwachung, wie die FAZ das genannt hat, furchterregend, realitätsfremd."

Das Thema des gesamten Interviews ist Machtmissbrauch, allerdings anders, als man es erwarten würde; es geht um Machtmissbrauch nach Reichelts eigenem Verständnis: Eine Gruppe von Menschen missbraucht hier eine Macht, die sie ehemals gar nicht hatte, und die ihr nach Reichelts Verständnis auch nicht zusteht. Das sind Minderheiten oder strukturell Benachteiligte, zu denen Frauen zählen. Und jetzt nehmen sie auch noch Springer ein.

Auf die Frage, ob er sich bei den Frauen nicht entschuldigen sollte, sagt er: "Ich wüsste nicht bei wem, und wofür." Laut "Kress Pro" soll er auch nach der Entschuldigung bei seiner Rückkehr im kleinen Kreis gesagt haben, er wisse gar nicht, wofür er sich da entschuldigt habe. Er sieht sich als Opfer. Das ist seine Kernbotschaft in diesem langen Gespräch. Die ganze Ambivalenz seiner Missverständnisse wird dann an anderer Stelle in dem Interview deutlich, wenn er sagt:

"Woher kommt dieser Wahn, Menschen als Opfer sehen zu wollen, und woher kommt dieser Wahn, dass manche Menschen sich so gerne selbst als Opfer sehen?"

Eine mögliche Antwort liefert er auch:

"Vielleicht erscheint manchen Menschen das als Ausweg aus der Bedeutungslosigkeit und ihrer eigenen Mittelmäßigkeit."

Vielleicht findet er ja bald wieder einen Job, der etwas Bedeutung mit sich bringt.


Altpapierkorb (Hörspiele, Instagram als Gefahr, Medienpolitik, Erfahrungen mit Hass, Zahlenscheue Streamingdienste)

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Neues Altpapier gibt es am Freitag.

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