Das Altpapier am 3. April 2023: Porträt der Altpapier-Autorin Johanna Bernklau
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Kolumne: Das Altpapier am 3. April 2023 60-jähriger Journalismus für 60-Jährige?

03. April 2023, 09:56 Uhr

Das ZDF wird 60 Jahre alt und feiert das mit einer kritikwürdigen Sendung. Aber es gibt noch Hoffnung, auch für das junge Publikum. Außerdem: Lohnt es sich für Journalisten, mit Influencern zu kooperieren? Und wenn ja, wie? Heute kommentiert Johanna Bernklau die Medienberichterstattung.

Das Altpapier "Das Altpapier" ist eine tagesaktuelle Kolumne. Die Autorinnen und Autoren kommentieren und bewerten aus ihrer Sicht die aktuellen medienjournalistischen Themen.

Das ZDF feiert Geburtstag

Dieser Text beginnt mit einem Geständnis. Wäre ich am Wochenende nicht auf Twitter unterwegs gewesen, hätte ich sie wahrscheinlich gar nicht bemerkt: Die "Show der Shows", mit der das ZDF am vergangenen Samstag seinen 60. Geburtstag eher nicht gefeiert, sondern vielmehr verhöhnt hat.

Zur Prime Time erinnerte das ZDF in seiner Sendung an Klassiker wie "Wetten, dass…?", "Dalli Dalli" und "Der große Preis". Mit dabei waren bekannte ZDF-Gesichter, die in den von Schauspielern moderierten Shows gegeneinander antreten mussten.

Doch schon 15 Minuten nach dem Start der Sendung hagelte es auf Twitter erste Kritik. Das Medienmagazin "Die Mediatheke" twitterte:

"Mit 'Nuhr im Zweiten' hat man ja wenigstens noch die Konkurrenz verarscht – aber dass das ZDF zum 60. Geburtstag sich selbst in den Dreck zieht ist schon bemerkenswert."

Ob die "Show der Shows" einer augenzwinkernden, großväterlichen Erzählung aus alten Zeiten gleichkommen sollte oder einer ernst gemeinten, stolzen Präsentation der besten ZDF-Sendungen wurde beim Anschauen nicht wirklich klar. Egal, was die Sendung sein wollte – Parodie oder Hommage – sie verfehlte ihre Wirkung.

TV-Kritiker Oliver Kalkofe schreibt auf Twitter, dass die Sendung "weder Selbstironie noch Selbstbewusstsein, sondern leider nur ein albern-kindisches Aufbrühen alter Erfolge inkl. sämtlicher […] alten Fehler & Spießigkeiten" gewesen sei.

Wie lieblos und unsauber das ZDF seine eigenen Klassiker mit der "Show der Shows" parodieren wollte, beschreibt Holger Gertz eindrücklich für den SZ-Artikel "Verschimmle in Würde". Er vergleicht die Sendung mit der eindrucksvollen Dieter-Nuhr-Parodie im ZDF Magazin Royale und stellt fest, dass das bei der Geburtstags-Show vom Samstag leider nicht funktioniert hat:

"Worauf es bei Parodien ankommt, konnte man in jener Sendung [vom ZDF Magazin Royale, Anm. AP] hervorragend erkennen, Präzision ist wichtig im Großen und Kleinen, sogar im Sprechtempo der handelnden Figuren. Präzision auch in der Unterscheidung vom Original, damit keine flache Kopie herauskommt. An diese Vorgabe hielt man sich beim ZDF leider nicht, als nun am Samstagabend dem heiligen Samstagabend an sich ein Denkmal gesetzt werden sollte. […] Wenn man sich verhöhnt, statt sich zu parodieren, ist das kein schönes Geschenk zum sechzigsten Geburtstag."

Ein alternatives Geburtstagsangebot für linear Gelangweilte

Was das ZDF mit ihrer "Show der Shows" aber abgesehen von einer misslungenen Parodie noch gezeigt hat, ist der klare Fokus auf ein Publikum, das so alt ist, wie das ZDF selbst. Das ist weder eine neue Erkenntnis, noch besonders schlimm – die junge Zielgruppe hat sich ohnehin schon aus dem linearen Fernsehen verabschiedet und wäre auch nicht wegen einer superwitzigen Geburtstagsshow zurückgekehrt.

Die Jungen (und vielleicht auch die Alten) können sich stattdessen über ein Online-Geburtstagsangebot des ZDF freuen, das ziemlich viel richtig macht: In einer 3D-Story wurde das erste Studio der ZDF-Nachrichten von 1963 visualisiert. Interaktiv können sich die User durch ein virtuelles ZDF-Museum bewegen und erfahren in etwa 10 Minuten Nutzungszeit mehr über die Geschichte des ZDF als in 154 Minuten Geburtstagsparty um 20:15 Uhr.

Neue Studie: Journalismus und Influencer

Apropos junge Zielgruppe und apropos online: Zwei Mediennutzungs-Forscherinnen am Hans-Bredow-Institut, Dr. Lisa Merten und Hannah Immler, haben in einer aufwendigen Instagram-Studie herausgefunden, inwiefern Influencer nachrichtenferne Menschen zum Journalismus bzw. zu politischen Themen bringen können.

Im Podcast des Instituts stellen die Forscherinnen ihre Studie und erste Ergebnisse vor, für die sie die Posts der 465 einflussreichsten Instagram-Kanäle für den deutschsprachigen Raum, und deren Netzwerke untersucht haben. Sie sprechen ausführlich über ihre angewandte Forschungsmethode, betonen aber auch die Praxisnähe ihrer Studie. Das Ziel war es von Beginn an, am Ende des Projekts eine Liste mit Influencern zu erstellen, die für Kooperationen mit Politik und Journalismus in Frage kommen.

"Es macht keinen Sinn, mit einem Jan Böhmermann zu kooperieren, […] wir müssen uns die angucken, die nicht typisch politische Influencer sind"

stellt Dr. Lisa Merten im Podcast fest. Die analysierten Influencer wurden in drei Gruppen eingeteilt: Influencer mit einem sehr informationsreichen Publikum, die auch viele politische Inhalte posten (Jan Böhmermann, Sophie Passmann). Influencer mit einem informationsarmen Publikum, die allerdings keine politischen Inhalte posten (Toni Kroos). Und, am interessantesten, Influencer mit einem informationsarmen Publikum, die auch politische Inhalte posten (Sängerin Mandy Capristo, ehemalige Mode-Influencerin Diana zur Löwen).

Noch ist die Studie nicht ganz abgeschlossen – bis jetzt haben die Forscherinnen nur die Feed-Posts der Influencer analysiert. Die Instagram-Storys, dort, wo man eher und ungezwungener über politische Themen reden kann, werden aktuell noch ausgewertet.

Journalistische Influencer? Influencer für Journalismus?

Die versprochene Liste der Forscherinnen klingt wie der Traum eines jeden Journalisten: Endlich kann ich Menschen mit meinen Inhalten erreichen, die ich normalerweise nicht erreiche. Mindestens genauso spannend wie die Ergebnisse der Studie ist allerdings die Frage, wie eine Kooperation zwischen Journalismus und Influencern aussehen könnte. Der Beziehungsstatus der beiden ist kompliziert:

Sind politische Influencer eine Verlängerung des Journalismus, deren Follower ihnen auf einer privaten Ebene mehr vertrauen als Journalisten auf einer professionellen? Oder sind sie bloße Werbeträger und betreiben Marketing für den Journalismus?


Altpapierkorb

+++ Die FAZ und die taz nutzten den ZDF-Geburtstag, um nach dem Sinn und Unsinn eines zweiten Programms zu fragen: Ex-SWR-Intendant Peter Voß schreibt in seinem Gastbeitrag für die FAZ "Warum gibt es das ZDF?", dass man das ZDF heute vermutlich nicht mehr gründen würde. Christian Walther prophezeit in der taz, dass der Sechzigste vielleicht der letzte runde Geburtstag des Senders sein könnte.

+++ Offener Brief der DW-Sportredaktion: Am Freitag protestierte die Redaktion öffentlich gegen die Sparmaßnahmen der Deutschen Welle, die das Budget im Bereich Sport um 75 Prozent gekürzt habe.

+++ Twitter hat Teile seines Codes für den Empfehlungsalgorithmus als Open Source veröffentlicht. Ziemlich schnell ist technik-affinen Menschen aufgefallen, dass Twitter-Nutzer in vier Gruppen eingeteilt wurden: Demokraten, Republikaner, "Power user". Und für den König des Twitters gibt sogar eine eigene Variable: "author_is_elon".

Das Altpapier am Dienstag schreibt Christian Bartels.

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