Das Altpapier am 12. Mai 2023: Porträt des Altpapier-Autoren Ralf Heimann
"Das Altpapier" ist eine tagesaktuelle Kolumne. Die Autorinnen und Autoren kommentieren im aktuellen Altpapier die wichtigsten Medienthemen des Tages. Bildrechte: MDR | MEDIEN360G

Kolumne: Das Altpapier am 12. Mai 2023 Kais Welt

12. Mai 2023, 11:09 Uhr

Das mit viel Tamtam angekündigte Buch von Kai Diekmann ist draußen. Problematische Machtstrukturen will er nicht erlebt haben. Seine Antworten vermitteln einen anderen Eindruck. Heute kommentiert Ralf Heimann die Medienberichterstattung.

Das Altpapier "Das Altpapier" ist eine tagesaktuelle Kolumne. Die Autorinnen und Autoren kommentieren und bewerten aus ihrer Sicht die aktuellen medienjournalistischen Themen.

Der Luxus des Nichtssagenmüssens

Am Donnerstag ist das in den vergangenen Tagen hier und da erwähnte Buch von Kai Diekmann erschienen (Altpapier), und wo doch seit Wochen alle über Springers Unternehmensunkultur reden, wäre es doch interessant, was der Mann dazu sagt, der je nach Sichtweise 15 oder 16 Jahre an der Spitze der "Bild"-Zeitung stand. Im Gespräch mit Torsten Zarges für DWDL sagt Diekmann:

"Ich habe zu den ganzen Vorgängen eine sehr explizite Meinung",

das klingt ja schon mal gut,

"aber ich erlaube mir nach sechs Jahren den Luxus, diese Meinung für mich zu behalten."

Das ist schade. Henning Rasche hat im Interview mit der Rheinischen Post ebenfalls gefragt. Hier sagt Diekmann:

"Ich habe zu alldem eine Meinung, aber ich bin nicht mehr Teil dieser Geschichte und ich darf mir heute den Luxus erlauben, diese Meinung für mich zu behalten."

Letzter Versuch. An Tranh hat es im Interview für das Deutschlandfunk-Medienmagazin "@mediasres" dann auch noch mal probiert. Diekmann:

"Ich habe dazu eine explizite Meinung, aber leiste mir inzwischen den Luxus, diese Meinung auch für mich behalten zu dürfen."

Das ist sehr typisch für Interviews, die in einem, wie man ja sagt, "Marathon" geführt wurden. Irgendwann leiert man nur noch die gleichen Sätze runter. Und für einige Fragen hat man sich ein paar schöne Formulierungen zurechtgelegt, um nicht spontan doch so viel zu verraten, dass sich nach den Journalisten dann auch noch Anwälte melden.

Diekmann streitet in allen Gesprächen, die ich gestern gefunden haben, grundsätzlich ab, dass ihm die kolportieren, geschilderten und teilweise ja dokumentierten Vorgänge in irgendeiner Weise bekannt vorkommen.

Der Rheinischen Post sagt er:

"Manches von dem, was jetzt über 'Bild' verbreitet wird, hat mit der Zeitung, die ich erlebt habe, wenig zu tun. Vieles kommt mir sehr mythen- und märchenhaft vor."

Im Deutschlandfunk klingt es so:

"(…) manches von dem, was ich dort heute lese, kommt mir mythen- und märchenhaft vor und hat mit der Bild-Zeitung, wie ich sie erlebt habe, nichts zu tun."

Vielleicht hat das alles aber doch etwas mit toxischen Machtstrukturen zu tun, die später dann möglicherweise missbraucht wurden, auch wenn Diekmann da keinen direkten Zusammenhang sehen mag. In dem Deutschlandfunkgespräch sagt er, angesprochen auf seine eigene Art, die Redaktion zu leiten: 

"Jahrelang hatte ich einen Führungsstil, wie ihn eine Boulevardzeitung braucht. Und der lautete, in meiner Redaktion darf jeder machen, was ich will. So funktioniert eine Boulevardzeitung, die nur auf Papier existiert."

In der Folge erklärt er, warum und wie sich das später dann geändert habe, das hoffe er jedenfalls. Diekmann sagt:

"Die digitale Welt ist eine dezentrale Welt. Da habe ich nicht jeden Tweet oder jeden Post auf Instagram kontrollieren können. Da brauchen Sie eine dezentrale Führungsstruktur. Da ändert sich auch die Rolle des Chefredakteurs. Der ist auf einmal nicht mehr der Oberkontrolletti, der ich über ein Jahrzehnt war, sondern Sie müssen dafür sorgen, dass sie die richtigen Leute an den richtigen Stellen haben, denen sie vertrauen."

Mitarbeiter, denen der Chef vertraut

Das muss allerdings nicht zwingend dazu führen, dass toxische Machtstrukturen sich auflösen. Es kann auch dazu führen, dass sie sich verfestigen oder erst entstehen, und das könnte man sich dann zum Beispiel wie einen Boys Club vorstellen, also eine Gruppe von Menschen an den richtigen Stellen, denen die Person an der Spitze vertraut.

Es gibt durchaus Hinweise darauf, dass es solche Strukturen noch zu Diekmanns Zeiten als Chefredakteur gab. Der "Spiegel" berichtete im April 2018 über einen Vorgang, der zumindest einige Fragen offen lässt. Nachdem eine Mitarbeiterin Diekmann nach einer Klausurtagung vorgeworfen hatte, er habe sie im See vor seinem Haus vergewaltigt – die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren gegen Diekmann ein –, kümmerte sich ein fürsorglicher Mitarbeiter laut "Spiegel" unmittelbar darum, die Aussagen der Mitarbeiterin unschädlich zu machen. Julian Reichelt schrieb dem Bericht nach ein Gedächtnisprotokoll und fertigte ein Dossier an.

Der "Spiegel" berichtete damals, hier die Passage im "Bildblog":

"Ein Mitarbeiter Reichelts schrieb auf dessen Bitte hin zusammen, welche Erfahrungen er bei der Zusammenarbeit mit der Kollegin im Haus gemacht habe. Ein weiterer 'Bild'-Mitarbeiter erkundigte sich an ihrer Universität nach ihrer Dissertation. Die Recherche lief wie eine 'Bild'-Kampagne im eigenen Haus."

Auf die Frage nach diesem Fall sagt Diekmann im Deutschlandfunk:

"Zu dem Fall ist alles gesagt. Der Fall ist auch abschließend geklärt. Und ich bitte um Verständnis, dass ich mich dazu nicht mehr äußere."

Das stimmt so allerdings nicht ganz. Alles ist nicht geklärt. Nicht geklärt ist beispielsweise, ob Diekmann dieses Dossier damals in Auftrag gab. Dem "Bildblog" hat er das damals nicht beantwortet. 

Was dagegen klar ist: Julian Reichelt, also möglicherweise eine richtige Person an der richtigen Stelle, die das Vertrauen des Chefs genoss, stieg ganz nach oben auf.

Und wie es dort, oben an der Spitze, zu Diekmanns Zeiten zuging, das wird im Interview mit der Rheinischen Post deutlich. Diekmann sagt:

"Es kam vor, dass der damalige Politikchef Nikolaus Blome nach der Redaktionskonferenz in mein Zimmer gekommen ist und mich zusammengebrüllt hat – das können Sie sich gar nicht vorstellen. Dann ging er wieder raus und machte lächelnd weiter. Das halte ich für ein gesundes Redaktionsklima."

Vielleicht kann jemand, der im gegenseitigen Zusammenbrüllen ein gesundes Redaktionsklima sieht, tatsächlich aber auch einfach nicht verstehen, was an den in die Kritik geratenen Machtstrukturen bei Springer überhaupt problematisch sein soll.

Die fünf besten rhetorischen Tricks. Beim dritten habe ich geweint

Interessant an den ganzen Interviews sind die rhetorischen Tricks, mit denen Diekmann Vorwürfe geschickt an sich abperlen lässt.

Als An Tranh im Deutschlandfunk einwirft, der Vorwurf im Fall Springer laute "systematischer Machtmissbrauch von Männern gegenüber Frauen", und das Ganze solle ja auch schon bei ihm, Diekmann, angefangen haben, sagt Diekmann, zu seiner Zeit habe er das nicht erlebt. Er sagt:

"Ich habe halt keinen Roman geschrieben, in dem ich passend machen kann, was nicht passend ist oder Dinge hinzufügen, damit es sich besser liest."

Das ist schon für sich genommen interessant, weil Stefan Niggemeier Diekmann vor ein paar Tagen nachgewiesen hatte, dass Schilderungen in seinem Buch teilweise dem widersprochen, was er vorher behauptet hatte, und teilweise so gar nicht stimmen können. Aber es ist auch in anderer Hinsicht ganz aufschlussreich.

Man kann den Satz so verstehen, dass Diekmann hier unterstellt, die Vorwürfe ergäben sich vor allem aus einem Roman, in dem Fall eben offenbar aus dem von Benjamin von Stuckrad-Barre. Das stimmt aber so nicht. Die Vorwürfe ergeben sich aus der Berichterstattung, sie sind nicht ausgedacht. Auf den Roman bezieht An Tranh sich überhaupt nicht. Es ist eine Nebelkerze.

Eine gängige und natürlich auch Diekmann bekannte Strategie ist jene, die Aufmerksamkeit einfach woanders hin zu lenken ("Guck mal, ein Eichhörnchen") oder wahlweise auch, einfach positive Dinge hervorzuheben.

Auf Tranhs Frage, ob es denn nicht Dinge gebe, die man aus seiner Sicht aufarbeiten müsste, für die er sich vielleicht sogar entschuldigen möchte, sagt er, da müsse sie ihm schon konkrete Vorwürfe nennen. Das hilft manchmal, denn oft hat man diese konkreten Vorwürfe dann nicht parat. In diesem Fall funktioniert es nicht. Als An Tranh den konkreten Fall anspricht, sagt Diekmann, siehe oben, zu dem Fall sage er nichts. Schade.

Was er aber schon sagt:

"Ich glaube, es hat vor mir keine Chefredaktion gegeben, in der so viele Frauen waren wie zu meiner Zeit."

Diekmann lenkt die Aufmerksamkeit weg von der Frage, ob es denn gar nichts gebe, das man aufarbeiten müsse. Und das macht er auch an anderer Stelle. Tranh sagt, sie habe nachgezählt, in 15 Jahren unter seiner Führung habe es mehr als einhundert Rügen vom Presserat gegeben.

Diekmann sagt:

"Was den Presserat angeht, natürlich ist jede Rüge zunächst einmal eigentlich eine Rüge zu viel."

Das ist lehrbuchhaft. Man fängt an mit einer allgemeinen Aussage, die nach Zustimmung oder hier sogar nach einem Eingeständnis klingt, aber natürlich, wenn man genauer hinsieht, keins ist. Diekmann hätte auch sagen können:

"Natürlich, eine Zeitung muss sauber arbeiten."

Oder:

"Klar, wenn jemand etwas kritisiert, dann muss man das grundsätzlich erst mal ernst nehmen."

Danach erklärt er aber gleich, warum man das im vorliegenden Fall vielleicht doch nicht muss. Und zwar aus folgenden Gründen:

Er, Diekmann, habe sich auch oft mit dem Presserat gestritten, denn der liege natürlich auch nicht immer richtig. Diekmann nennt ein Beispiel, die Berichterstattung über die Nationalität von Straftätern. Der Presserat habe die "Bild"-Zeitung gerügt, wann immer sie das gemacht habe. "Inzwischen hat sich der Presserat dort auch eines Besseren besonnen und seine Spruchpraxis geändert", sagt Diekmann. Die Rügen ständen da aber weiterhin. Und das klingt, als hätte der Presserat "Bild" am Ende recht gegeben. So ganz stimmt das allerdings nicht.

Von Diekmann kann man viel lernen

Der Presserat hat seine Richtlinie dazu vor sechs Jahren tatsächlich geändert. Vorher galt: Medien sollen die Herkunft und Religion von Straftätern nur nennen, wenn "ein begründbarer Sachbezug" besteht – wenn die Herkunft also etwas mit der Straftat zu tun hat. Inzwischen steht in den Richtlinien: Die Berichterstattung über Herkunft und Nationalität ist legitim, "wenn ein begründetes öffentliches Interesse besteht".

Und dieses "begründete öffentliche Interesse" können Boulevard-Medien sich jetzt tatsächlich leichter herbeifantasieren, indem sie sagen: "Wenn wir darüber berichten, muss das ja wohl bedeuten, dass es ein öffentliches Interesse gibt." Aber das bloße Interesse der Öffentlichkeit reicht explizit nicht aus, es muss begründet werden – die Veröffentlichung der Information muss einen Nutzen haben, der schwerer wiegt als die Wahrung der Privatsphäre der Person. Und das ist auch weiterhin oft nicht der Fall, wenn die "Bild"-Medien die Nationalität nennen. Das hat der Presserat erst im September wieder einmal angemahnt.

Im Interview bleibt natürlich die Wirkung, wenn man sagt: Am Ende haben sie uns doch recht gegeben. Das unterfüttert Diekmann noch mit weiteren Argumenten, die den Vorwurf relativieren. Er nennt ein unsinniges Beispiel. Nach Angela Merkels Wahl habe die Schlagzeile "Miss Germany" der Zeitung eine Beschwerde eingebracht. "Sie sehen, da geht in die Statistik auch unglaublich viel Unsinn ein", sagt Diekmann.

Hängen bleibt: Wenn die Beschwerden diese Qualität haben, dann kann das ja wohl alles nichts sein.

Diekmann schiebt noch etwas hinterher:

"Richtig ist übrigens auch, dass es kein Medium gibt, für das so viele Beschwerden als unbegründet zurückgewiesen worden sind. Sie sehen also, das hat ganz viel auch schlicht und ergreifend mit der Größe von Bild und Statistik zu tun."

Also nicht damit, dass "Bild" auch tatsächlich Dinge macht, die eine Rüge rechtfertigen würden? Schauen wir noch einmal genauer hin.

Auch dieser Hinweis soll die Vorwürfe relativieren. Diekmann zeigt einen Ausschnitt, der einordnen soll, aber missverständlich ist, denn wenn man sich die Relationen ansieht, wird klar: Allein an der Größe kann es wohl nicht liegen. Hier ein paar Zahlen: Zwischen 1986 und 2020 sammelte die taz elf Rügen, das Busenblatt "Coupé" kommt auf 16, die "B.Z." auf 21 und die "Bild"-Zeitung auf 219.

Um jetzt auch mal was Positives zu sagen: Von Kai Diekmann kann man sicher viel lernen, wenn es darum geht, die Dinge so darzustellen, dass sie wirken und, zumindest auf den ersten Blick, überzeugend klingen. Was soll man sagen: Er sollte eine Kommunikationsagentur gründen.

Es gelingt ihm, die Geschichten zu platzieren, die er erzählen möchte. Dabei scheint er auch in schwierigen Gesprächsmomenten nie in Schwierigkeiten zu geraten. Er bleibt ruhig und sachlich, im Grunde wirkt er wie das Gegenteil der Zeitung, an deren Spitze er 16 Jahre lang stand.

Die Augenzeugenschaft

Dirk Peitz schreibt in seiner Rezension für "Die Zeit", Kai Diekmanns Verständnis von Journalismus komme in dem Buch in einem einzigen Satz zum Vorschein. Der Satz steht im Buch relativ weit hinten, auf Seite 433 von 537. Er lautet:

"In diesem Kapitel, liebe Leserinnen und Leser, nehme ich Sie mit in die Welt des Wladimir Putin, so wie ich sie erlebt habe."

Peitz:

"Darin steckt alles, was der Boulevard an Beschreibung von Politik verspricht. Da ist die Augenzeugenschaft: Ein stets subjektiver, aber scheinbar objektivierender Blick wird ins eigentlich Blickdichte geworfen, in die Zentren der Macht; das vermeintliche oder tatsächliche Weltgeschehen wird im Verständnis des Boulevards von Einzelnen gesteuert, from the top, es gibt keine Systembedingungen, nichts Strukturelles, keine Interdependenzen, keine Komplexitäten, nur Leute mit Macht (fast ausschließlich Männer) und die ihnen folgenden Apparate – und es gibt das Volk."

Und Peitz schreibt:

"Nicht immer ist bei der Lektüre klar, ob die Gleichsetzung des Ichs im Titel des Buchs mit dem Medium, für das Diekmann arbeitete, diese geradezu possessive Beziehung zwischen Subjekt ('Ich') und Objekt ('BILD') nicht vor allem eine gewaltige Überschätzung zeigen könnte, der Bedeutung des ehemaligen Arbeitgebers wie der eigenen Rolle."

Dazu vielleicht noch ein Zitat zum Schluss. Er stammt aus dem Gespräch mit Torsten Zarges, der gefragt hatte, ob Diekmann vielleicht den falschen Nachfolger ausgesucht hat. Diekmann antwortet:

"Wenn es um meine Nachfolger geht, halte ich es wie in der Politik: Darüber wird öffentlich nicht geredet. Und wenn doch, dann füllt das möglicherweise ein ganz neues Buch. Winston Churchill hat für seine Erinnerungen drei Bände gebraucht, Helmut Kohl vier, ich bin gerade mal beim Erstling."

Man könnte noch hinzufügen: Obama arbeitet auch gerade am nächsten Band seiner Erinnerungen. Und von der Bibel kam später ja auch noch das neue Testament.


Altpapierkorb (Elon Musk, Whistleblower, Hammerstein, N-Wort, Intendantengehälter, Fehlerkultur, Kritik am Medienstaatsvertrag, Verlage vs. öffentlich-rechtlicher Rundfunk)

+++ Elon Musk hat, natürlich via Twitter, angekündigt, als Twitter-Chef zurückzutreten und eine Nachfolgerin einzusetzen. Alexander Demling schreibt für den "Spiegel": "Wahrscheinlichste Anwärterin ist Linda Yaccarino, bislang Chefin des Werbegeschäfts von NBCUniversal, zu dem einige der größten US-Fernsehsender und das Hollywood-Filmstudio Universal gehören. Laut mehreren Medien verhandelt die Fernsehfrau mit Musk über den Job."

+++ Der Bundestag hat ein neues Gesetz verabschiedet, das Menschen schützen soll, die Missstände in Firmen oder Behörden aufdecken, also Whistleblower, berichtet "epd Medien". Nach dem Gesetz dürfen Whistleblower nicht bestraft werden. Veröffentlichen dürfen sie Informationen über Missstände allerdings nur in bestimmten Fällen, Geheimdienstinformationen gar nicht. Eigentlich sollten auch anonyme Meldungen erlaubt sein. Aber die Regelung hat es nicht durch den Vermittlungsausschuss geschafft. Deswegen ist jetzt lediglich die Rede davon, dass Meldestellen anonyme Meldungen "bearbeiten sollten".

+++ Der "Spiegel"-Journalist Konstantin von Hammerstein, Mitautor der Titel über Verteidigungsminister Boris Pistorius ("Minister Perfect?"), ist dem Eindruck aus seinen Artikeln nach ziemlich begeistert von Pistorius, und da wäre es natürlich interessant gewesen, zu erfahren, dass von Hammerstein Tochter als Redenschreiberin für Pistorius arbeitet, wie Lars Petersen für das Magazin "Business Insider" recherchiert hat. Beim "Spiegel" habe man davon nichts gewusst, heißt es aus dem Verlag. Unter der Geschichten hat man jetzt noch einen Transparenzhinweis ergänzt.

+++ Nach der von Boris Palmer angezettelten 412. unnötigen Debatte über das N-Wort sieht Ex-Altpapier-Autor Matthias Dell immerhin den Fortschritt, dass die berichtenden Medien das Wort selbst nicht mehr verwenden, sogar die "Bild"-Zeitung verzichte darauf. In seinem Beitrag für "Übermedien" schreibt Dell über das Argument, so schlimm sei das Wort jetzt auch nicht: "Die Idee eines unschuldigen oder harmlosen Gebrauchs des Begriffs verdankt sich allein der kolonialen Amnesie und anderen Formen von weißer Ignoranz; ein nicht unwesentlicher Teil von Diskriminierung besteht in der Marginalisierung von Geschichte der Subalternen. Wer sagt, dass das N-Wort 'früher' nicht rassistisch gebraucht worden sei, meint eigentlich, dass dieser Rassismus leichter ignoriert werden konnte, das Bewusstsein für seine Geschichte nicht tradiert worden ist."

+++ Die Papierausgabe vom "Prignitz-Kurier" erscheint am 30. September zum letzten Mal (Altpapier). Helmut Hartung gibt in seinem Blog "Medienpolitik.net" einen Überblick über die aktuellen Entwicklungen. Andere Verlage, zum Beispiel Funke, stünden vor ähnlichen Problemen und planten ähnliche Schritte. Es gebe Warnungen, dass bis 2025 bis zu 40 Prozent aller Gemeinden in Deutschland keine gedruckte Zeitung mehr bekämen. Und weil wir gerade drüber sprechen: Von der Presseförderung gibt es heute nichts Neues.

+++ Sind die Spitzengehälter im öffentlich-rechtlichen Rundfunk angemessen? (Altpapier) Lea Eichhorn, Nadja Mitzkat und Robert Bongen beschäftigen sich in einem zehn Minuten langen Beitrag für das NDR-Medienmagazin „Zapp“ mit der Frage. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Rainer Haseloff sagt zwischen Tür und Angel auf die Frage, warum er politisch noch nicht dafür gesorgt habe, dass Intendantengehälter gedeckelt werden: „Da sind wir gerade dabei.“ Doch bislang ist das nirgendwo sichtbar. Der ARD-Vorsitzende Kai Gniffke sagt, er könne sich „Regelungen in dieser Richtung vorstellen“, also auf Teile seines Gehalts zu verzichten, „aber nur für mich persönlich“. Das werde er dann allerdings nur persönlich mit seinem Aufsichtsgremium besprechen, „wenn es dazu kommt“.

+++ Holger Klein spricht im „Übermedien“-Podcast „Holger ruft an“ mit Helene Bubrowski, FAZ-Journalistin und Autorin des Buchs „Die Fehlbaren“, in dem sie sich mit Skandalen, Fehlerkultur und der oft problematischen Rolle von Medien beschäftigt.

+++ Mit der Kritik an der Medienstaatsvertragsreform beschäftigt sich Jürgen Bischoff in einem Beitrag für die taz. Die Politik schiebe ihre Verantwortung auf die Rundfunkräte, schreibt er, doch die seien eh schon überfordert. Phoenix und der Kinderkanal stünden sogar unter Vormundschaft der neun ARD-Rundfunkräte und des ZDF-Kontrollgremiums. Das heißt in diesem Fall: Zehn Gremien wären zuständig.

+++ Volker Nünning schreibt für das Magazin „Medieninsider“ über den Streit zwischen den öffentlich-rechtlichen Sendern und den Verlagen. Unter anderem erklärt er, wer überhaupt mit wem streitet, und warum.

Neues Altpapier gibt es am Montag von Klaus Raab.

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