Kolumne: Das Altpapier am 18. August 2023 Zahlt Ignoranz sich aus?
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18. August 2023, 12:50 Uhr
Ein Grünen-Politiker antwortet in einem Deutschlandfunk-Interview elf Minuten lang nicht auf eine Frage. In dem Gespräch erfährt man trotzdem sehr viel – auch darüber, wie Medien funktionieren. Heute kommentiert Ralf Heimann die Medienberichterstattung.
Das Altpapier "Das Altpapier" ist eine tagesaktuelle Kolumne. Die Autorinnen und Autoren kommentieren und bewerten aus ihrer Sicht die aktuellen medienjournalistischen Themen.
Das nächste gehackte Interview
Der Deutschlandfunk-Moderator Philipp May hat gestern in der Sendung "Informationen am Morgen" ein Interview mit dem Grünen-Politiker Andreas Audretsch geführt, das man auf unterschiedliche Weise interpretieren kann. Aber vielleicht zuallererst, worum es geht.
Familienministerin Lisa Paus (Grüne) hat ein Gesetz von Finanzminister Christian Lindner (FDP) blockiert, das die Wirtschaft stärken soll – obwohl Vize-Kanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zugestimmt hatte. Unter anderem die "Süddeutsche Zeitung" schreibt, "aus Kreisen des Finanzministeriums" habe es geheißen, die Blockade habe "sachfremde Gründe gehabt". In anderen Worten: Am Gesetz lag es nicht, jedenfalls nicht an dem von Lindner. Die Absicht der Familienministerin soll gewesen sein, mehr Geld für ein Projekt herauszuschlagen, das ihr sehr am Herzen liegt: die Kindergrundsicherung. Aber war das tatsächlich so?
Philipp May möchte im Interview mit Andreas Audretsch, dem stellvertretenden Fraktionschef der Grünen, wissen, was es mit dem Veto auf sich hatte. Aber Audretsch möchte die Frage nicht beantworten, elf Minuten lang. Das Ergebnis erinnert an ein kurioses Interview, das der SPD-Politiker Philipp da Cunha im Juli gegeben hatte (Altpapier), als er vor der Kamera mehrfach eine Antwort wiederholte, die mit der Frage gar nichts zu tun hatte.
Wie man ein Interview führt, wenn die interviewte Person an den Fragen gar kein Interesse hat, war auch vor einigen Tagen Thema, als MDR-Moderator Lars Sänger im Sommer-Interview mit dem Rechtsextremen AfD-Björn Höcke keine so glückliche Figur machte (Altpapier).
Diesmal ist es anders. Philipp May führt ein sehr überzeugendes Interview. Trotzdem ist die Frage, ob Andreas Audretsch nicht dennoch erreicht hat, was er wollte, nämlich Lesart des Geschehenen zu verbreiten.
Rüdiger Suchsland hat den Verlauf des Gesprächs für das Heise-Portal "Telepolis" seziert. Er hält das Interview für einen Beleg dafür,
"dass die öffentlich-rechtlichen Medien keineswegs so linkslastig und Grünen-freundlich sind, wie Rechtsextremisten und CDU-Populisten ihnen bei jeder Gelegenheit gern unterstellen".
"Wir haben zwei Fragen"
Um einen Eindruck davon zu geben, was in dem Gespräch passiert ist, dokumentiere ich hier vor allem die Stellen, an denen Philipp May zu Wort kommt. Er steigt ein mit seiner zentralen Frage: "Was sollte das mit dem Veto?"
Audretsch antwortet mit einer allgemeinen Aussage: Die Bundesregierung habe zwei große Aufgaben, sagt er. Das führt er dann aus. May wendet ein:
"Aber das Veto, das ist ja meine Frage, da ging es schon um die Kindergrundsicherung. Deswegen das Veto von Lisa Paus, damit es da mehr Geld gibt."
Philipp May versucht zwischendurch einzugreifen. Doch Audretsch redet weiter ("Lassen Sie mich den Satz machen"). May fragt schließlich:
"Was hat das mit dem Entlastungspaket von Christian Lindner zu tun?
Audretsch wiederholt:
"Wir haben zwei Fragen."
Dann kommentiert May zum ersten Mal den Verlauf des Gesprächs. Er sagt:
"Entschuldigung, Herr Audretsch, wenn ich Sie da ganz kurz unterbreche. Das war ja nicht meine Frage. Sie haben ja selbst gesagt, dass das zwei verschiedene Fragen sind. Meine Frage war, was hat die Kindergrundsicherung und das Veto von Lisa Paus mit dem Entlastungspaket, dem sogenannten Wachstum-Chancengesetz von Christian Lindner zu tun?"
Es folgt eine der wenigen Stellen, an denen Audretsch tatsächlich auf eine von May gestellte Frage eingeht. Er sagt:
"Ich halte nichts davon, dass wir diese zwei Sachen gegeneinander diskutieren. Das ist nicht der richtige Weg. Der richtige Weg ist…"
Hier unterbricht May ihn:
"Aber genau das passiert doch, wegen des Vetos von Lisa Paus jetzt gerade, die ja ganz offensichtlich diese zwei Fragen miteinander verknüpft."
An diesem Punkt wird deutlich, was hier eigentlich passiert. Dass ein Zusammenhang besteht, hat offenbar jemand aus dem FDP-Ministerium öffentlich gemacht. Das lässt die Grünen schlecht dastehen, denn es sieht so aus, als ginge es hier nicht um die Sache, sondern um Machtspiele – als würde Lisa Paus ein eigentlich gutes Vorhaben ablehnen, um den Koalitionspartner zu erpressen.
Viele Medien nehmen es hin
Dass Parteien an einer Stelle Zugeständnisse machen und dafür an anderer Stelle etwas bekommen, dass sie also Kompromisse eingehen, ist das Wesen von Politik. Aber in der verbreiteten Vorstellung führt der Weg zu einem Kompromiss über gute Argumente und Zugeständnisse, die sich inhaltlich im schlechtesten Fall noch so gerade vertreten lassen.
Tatsächlich ist ein wichtiges Kalkül dabei jedoch auch die Frage, wie Entscheidungen und die daraus ableitbaren Erzählungen medial wahrgenommen werden. Hat eine Partei sich mit ihren Anliegen durchgesetzt? Hat sie gewonnen? Ergibt sich so eine Erzählung, die im Sinne der Partei ist?
Die hier wahrscheinlich aus der FDP-Sphäre lancierte Erzählung ist nicht im Sinne der Grünen. Andreas Audretsch versucht, sie aus der Welt zu bekommen. Würde er das Veto begründen, wäre das auch eine Bestätigung der FDP-Interpretation, die nach den vorliegenden Informationen der Wahrheit entspricht. Audretsch versucht, dem eine andere Erzählung entgegenzusetzen.
Diese Erzählung lautet:
"Beides muss geschafft werden."
Das ist im Interview der nächste Satz auf Philipp Mays Einwand, durch das Veto passiere ja genau das, was laut Audretsch verhindert werden soll, dass nämlich beides verknüpft wird.
In vielen politischen Interviews geht es an so einer Stelle für die interviewte Person glimpflich weiter.
Oft nehmen Menschen, die Interviews führen, es hin, wenn Interviewte in ihrer Antwort nichts zu der Frage sagen. Das kann verschiedene Gründe haben. Ein möglicher ist: Sie haben ja auch noch andere Fragen auf dem Zettel, die sie gern abhaken würden, und die Zeit läuft ja. Ein anderer möglicher Grund ist: Sie sind schlecht vorbereitet.
Dann lassen sie sich beduseln von der Wortwolke, in die sie geraten sind. Sie hören zu, können aber gar nicht mehr folgen und daher auch nicht eingreifen. Irgendwann stellen sie einfach die nächste Frage, um die Kontrolle zurückzubekommen. So sieht alles formal wie ein Interview aus, tatsächlich ergibt sich aber ein geplantes und leider von lästigen Fragen durchbrochenes Statement.
Das Publikum merkt das oft nicht, denn die Form bleibt ja gewahrt. Wer ein Interview führt und keine Nachfrage stellt, war mit der Antwort dann offenbar wohl zufrieden.
Hier ist das anders. Dass Philipp May den Überblick behält, wird zum Beispiel deutlich, als Andreas Audretsch von einem Gesetzesentwurf spricht und May einwirft: "Der Gesetzesentwurf liegt noch nicht vor."
Wie man ein Gespräch sabotiert
Der Politiker kommt nicht durch mit seiner Strategie, ohne Rücksicht auf die Fragen einfach Aussagen zu platzieren. Das heißt: Er kommt schon durch damit, er wiederholt seine Aussagen einfach. Insofern kann man auch zu dem Schluss kommen, dass das Interview für ihn gar nicht so schlecht läuft. Allerdings bleiben seine Phrasen nicht unkommentiert. Das Publikum erfährt, was da gerade vor sich geht. Und es kann sich nun entscheiden, wie es das bewertet.
Bei einem gut geführten Interview liegt immer der Satz nahe: "Das wäre ein Gespräch für ein Journalismus-Seminar." Und diesen Satz möchte ich hier unbedingt unterbringen. Auf der einen Seite zeigt das Interview nämlich, wie man auf eine immer wieder hartnäckig gestellte Frage auch bei der fünften Nachfrage nicht antwortet. Man simuliert eine Antwort, indem man höflich und ruhig im Ton etwas sagt, das zwar nicht inhaltlich, aber doch melodisch wie eine Antwort klingt.
Man kann anhand des Gesprächs allerdings auch erklären, wie sich die Person, die auf der anderen Seite sitzt, gegen diese Form der Gesprächs-Sabotage wehren kann.
Die Strategie funktioniert nur, wenn beide an dem Interview beteiligten Personen so tun, als liefe alles so wie erwartet. Eine Person arbeitet einen Fragenkatalog ab, die andere Person einen Aussagenkatalog. Inhaltlich muss beides nicht zwingend Berührungspunkte haben, solange die Übereinkunft besteht, dass es weiter alles geschäftsmäßig klingt. Im Sinne von: Wenn etwas als Antwort hingenommen wird, dann muss es wohl eine Antwort gewesen sein.
Philipp May verlässt diese Form, indem er deutlich macht, dass das Gespräch nicht so läuft, wie er es geplant hatte. Nach einem längeren Monolog von Audretsch sagt May:
"Sie beantworten meine Frage nicht, weil meine Frage, Herr Audretsch, meine Frage war ja, was die Kindergrundsicherung, was die Kindergrundsicherung mit dem Wachstumspaket von Christian Lindner zu tun hat. Das haben Sie jetzt nicht beantwortet. Aber vor allen Dingen haben der Wirtschaftsminister, Christian Lindner und der Bundeskanzler eine Sache vereinbart, nämlich, dass dieses Wachstumspaket von Christian Lindner durch das Kabinett geht. Wieso hat dann Lisa Paus diese Vereinbarung, die ja ihr grüner Vizekanzler mit den anderen Koalitionspartnern getroffen hat torpediert?"
Das ist scheinbar der nächste Versuch, eine Antwort zu bekommen. In Wirklichkeit dürfte May hier längst klar sein, dass Audretsch diese Antwort nicht geben wird. Dadurch, dass er auf eine kommentierende Ebene wechselt, erhöht er den Druck auf seinen Interviewpartner. Und dann geht es nicht mehr um die Antwort, sondern um die Frage: Wer setzt sich durch?
May könnte mit der Feststellung, dass Audretsch keine Antwort geben möchte, zur nächsten Frage überleiten. Das wäre die sichere Variante, wenn es darum ginge, das Gespräch auf irgendeine Weise zu retten. Weiter auf der Frage zu beharren, kommt der Feststellung gleich: Ohne Antwort geht’s hier nicht weiter.
Mit jeder weiteren Nachfrage verliert das Gespräch seinen eigentlichen Zweck, nämlich Informationen über politische Erwägungen zu vermitteln. Dafür gewinnt es an anderer Stelle an Erkenntniswert. Das gerät sehr zum Nachteil von Andreas Audretsch. Philipp May sagt:
"Sie lesen immer wieder Ihren Sprechzettel vor. Wer gibt denn Ihnen eigentlich, bei Ihnen in der Partei eigentlich gerade, die Richtung vor, wenn offensichtlich Robert Habecks Wort, dass er den Koalitionspartnern gibt, egal ist?"
Auch darauf antwortet Audretsch nicht. Nach einem weiteren Monolog des Politikers sagt May:
"Okay, Herr Audretsch, ich fasse noch mal zusammen. Habeck, Vizekanzler, gibt grünes Licht für ein Gesetz, das auch noch in seinen Beritt Wirtschaft fällt. Und dann kommt Lisa Paus und stellt in letzter Minute auf Rot, aus offenbar sachfremden Gründen, nämlich wegen zu wenig Geld aus ihrer Sicht für die Kindergrundsicherung. Das muss man ja auch jetzt alles im Kontext des letzten halben Jahres sehen. Der permanente öffentliche Streit, der in der Bevölkerung nur noch Kopfschütteln hervorruft. Schlimmer noch Verunsicherung. Dann der Vorsatz von allen Seiten, die Außendarstellung zu verbessern und dann direkt nach der Sommerpause das nächste Machtspielchen. Sogar in wohlgesinnte Zeitungen schreiben Erpressungsversuch. Ganz ehrlich, merken Sie eigentlich jenseits Ihrer Blase, dass Sie gerade das letzte Quäntchen Vertrauen verspielen mit so was?"
Medien müssen etwas entgegenhalten
Aus den beiden konkurrierenden Erzählungen "Lisa Paus erpresst die FDP" und "Wir müssen beide Ziele erreichen" ergibt sich eine dritte, und das wird nur möglich, weil May sich aus dieser Interview-Inszenierung heraus auf eine kommentierende Ebene begeben hat. So entlarvt er Audretsch als Interviewpartner, der die Form wahrt, sich einem Gespräch aber entzieht und stattdessen Propaganda verbreitet. Diese dritte Erzählung lautet: So eine Art von Politik- und Politikkommunikation schadet dem Vertrauen in Politik generell.
Auch das lässt Audretsch unkommentiert, er wiederholt abermals seine These, "dass wir beides über die Bühne bringen müssen, und das werden wir auch so hinkriegen".
Dann folgt ein weiterer und letzter langer, nur kurz von May unterbrochener Monolog, in dem Audretsch seine Aussagen platzieren kann. Am Ende bleibt die Frage: Warum passiert so etwas?
Ein Teil der Antwort ist – darum ging es schon nach dem MDR-Interview mit Björn Höcke: Für politische Parteien sind Interviews Möglichkeiten, ihre Aussagen vor einem großen Publikum loszuwerden. Das ist ein legitimes Anliegen, denn ein Zweck eines politischen Interviews ist ja, die Positionen einer Partei zu vermitteln.
Es geht allerdings auch darum, darin steckende Widersprüche zu identifizieren. Daher wird es dort problematisch, wo Parteien sich kritischen Fragen und Fragen überhaupt verweigern, wo sie das Format manipulieren, wo sie es im Prinzip einfach als Ausspielweg von Inhalten sehen, in denen die Fragen nur stören.
Dass das passiert, liegt auch daran, dass viele Redaktionen es zulassen. Wenn keine Zeit ist für eine gründliche Vorbereitung, ist es nicht möglich, diese Strategie zu entlarven.
In Text-Interviews ist es ohnehin nahezu unmöglich, denn zwischen dem Gespräch und der Veröffentlichung steht die Autorisierung, die größere Unfälle in der Regel verhindert.
Von der anderen Seite betrachtet, von der Seite der Politik aus, ist diese Art von Kommunikation allerdings in Teilen auch eine Reaktion auf Medienentwicklungen.
Ein einzelnes unglückliches Zitat kann, unter Umständen geschnitten, eine völlig unkalkulierbare Wirkung entfalten. Deswegen kann die Fixierung auf Sprechzettelsätze auch eine Schutzreaktion sein, um nicht missverstanden zu werden, versehentlich oder absichtlich. Aber wahrscheinlich spielt auch eine Rolle, dass Parteien ihre Inhalte inzwischen über ihre eigenen Kanäle verbreiten können, also selbst Medien sind, nur eben keine kritischen. Auch das Verständnis für die medialen Funktionen führt dazu, dass Parteien die Schwächen in der Tendenz ausnutzen.
Zusammengefasst lässt es sich vielleicht so sagen: Politische Parteien möchten möglichst ohne Risiko und möglichst vollständig ihre Aussagen verbreiten. Dabei gehen sie so weit, wie man sie lässt. Medien müssen dem etwas entgegensetzen, denn ihr Interesse ist, die Aussagen kritisch zu überprüfen.
Im Falle von Audretsch scheint es auch die Strategie von Lisa Paus zu sein, so zu tun, als gäbe es gar kein Veto. Im mit dem Satz "Lisa Paus spricht über die Blockade des Wachstumschancengesetzes" angekündigten Gespräch in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" will sie dem Anschein nach nicht über die Blockade des Wachstumschancengesetzes sprechen. Auf die Frage, was sie sich bei dem Manöver gedacht habe, sagt sie, man werde die offenen Fragen bei der Kabinettsklausur in Meseberg klären. Auf das Manöver geht sie nicht ein – und auch nicht auf die Frage, was sie gedacht hat.
Altpapierkorb (Maurice Gajda, Neue Übermedien-Serie, Klima und Objektivität)
+++ RTL will nicht mehr mit "Explosiv"-Moderator Maurice Gajda zusammenarbeiten, bis die Vorwürfe gegen ihn geklärt sind, berichtet Frederik von Castell für Übermedien. Gajda hatte in dem RTL-Magazin einen Tweet vorgelesen, der von der früheren AfD-Chefin Frauke Petry stammen soll. Petry bestreitet das. Gajda sagt, er habe den Inhalt des inzwischen gelöschten Tweet damals herauskopiert und weiterverschickt. Aber es bleiben einige Zweifel, denn die Adresse im Netz, die er angibt, hat große Ähnlichkeit mit der Adresse, die zu einem anderen Tweet führt, der sehr ähnlich klingt, wie von Castell, falls das etwas zu viel auf einmal war, hier erklärt. Nachtrag: RTL hat sich inzwischen von Gajda getrennt, meldet der Sender in einer Pressemitteilung. Dort heißt es: „Die internen Prüfungen zu seinem Beitrag in Explosiv Weekend vom 5. August 2023 haben schwere Verfehlungen von Maurice Gajda bei der Erstellung des Beitrags ergeben, die mit den journalistischen Grundsätzen und Richtlinien unseres Hauses unvereinbar sind. Zudem konnte bei den weitreichenden Prüfungen bisher auch keinerlei Hinweis darauf gefunden werden, dass es den in dem Beitrag nachgebauten Tweet so jemals gegeben hat.“
+++ Übermedien startet eine neue Serie. Titel: Geheime Leidenschaften. In der ersten Folge beschreibt ORF-Ankermann Armin Wolf, warum er, obwohl er eigentlich nicht suchtgefährdet ist, kaum von Tiktok loskommt.
+++ In einem Essay für die taz beschäftigt sich Valérie Catil mit dem Pater-Noster-Thema (kommt immer wieder hoch) Objektivität im Journalismus, diesmal anhand der Klimaberichterstattung. Sie schreibt: "Statt den Plattformen, die sich mit der Klimakrise auseinandersetzen, vorzuwerfen, dass sie zu viel Haltung zeigen, wäre es zutreffender, denen, die es nicht tun, Anti-Klima-Aktivismus vorzuwerfen." Und weiter: "Wenn man das Wort ‚Aktivismus‘ so schnell um sich wirft, ist auch derjenige, der über Diktaturen schreibt, Demokratieaktivist und überhaupt: Betreiben die meisten Journalist_innen nicht Wahrheitsaktivismus? Vielleicht ist diese Art von (vermeintlichem) Klimaaktivismus nicht so schlimm."
+++ Das rigorose Vorgehen von Till Lindemanns Anwaltskanzlei gegen Medien und Frauen, die ihn beschuldigen, hat einen interessanten Nebeneffekt: Weil Lindemann gegen so gut wie jede angreifbare Behauptung vorgeht, wird immer deutlicher, welche Behauptungen sich nicht angreifen lassen. Jetzt ist die Kanzlei Schertz Bergmann sogar vor dem als presseunfreundlich geltenden Landgericht Hamburg mit dem Versuch gescheitert, der Irin Shelby Lynn bestimmte Aussagen verbieten zu lassen, berichtet unter anderem der "Spiegel". Mit einer einstweiligen Verfügung gegen den NDR und einen Bericht auf "tagesschau.de" hatte die Kanzlei dagegen Erfolg, ist unter anderen bei der FAZ zu lesen. Eine Verfügung gegen eine "Campact"-Petition, in der von "sexuellem Missbrauch" und in Zusammenhang mit Lindemann von einem "Täter" die Rede war, hat die Kanzlei dagegen zurückgezogen, wie unter anderem "tagesschau.de" schreibt. Und das wird unterschiedlich interpretiert. Die Kanzlei schreibt, das erstrebte Verbot habe keine Relevanz mehr, "Campact" sieht das Eingeständnis einer Niederlage.
+++ Der Landesrechnungshof kritisiert, dass die Kosten bei der Sanierung des Filmhauses in der Kölner Innenstadt auf 240 Millionen Euro gestiegen sind, der WDR widerspricht, berichtet unter anderem DWDL.
+++ Auf der FAZ-Medienseite geht es um das geänderte Bayerische Rundfunkgesetz, das seit Juli in Kraft ist. Veränderungen, die das Saarland oder Berlin sowie Brandenburg in ihrem Landesrecht schon verankert haben, sind in Bayern noch nicht enthalten. Die Argumentation: Wenn nicht alle Länder gemeinsam entscheiden, ergibt sich eine Wettbewerbsverzerrung.
+++ Helmut Hartung schreibt auf der FAZ-Medienseite darüber, wie die ARD "offenbar" versucht, das Werbeverbot durch Tochterfirmen zu umgehen. Unter anderem geht es im Text auch um darum, "dass die Medienpolitiker der Länder darüber nachdenken, Beitragsstabilität dadurch zu sichern, dass die öffentlich-rechtlichen Sender auch in Telemedien werben dürfen".
+++ Claudia Tieschky beschäftigt sich auf der SZ-Medienseite mit der Frage, ob RBB-Chefredakteur Biesinger an der Vertuschung von Kosten beim Digitalen Medienhaus beteiligt war. Tieschky: "Das Kuddelmuddel geht weiter, wenn BI mittlerweile gelöschte RBB-Materialien vorzeigen kann, die Biesinger als Mitglied der Geschäftsführung ausweisen - das sei damals ganz offiziell auf der Homepage des Senders fälschlich passiert, wie der RBB betont, denn Biesinger sei als Chefredakteur in der Hierarchie lediglich Hauptabteilungsleiter und zur fraglichen Zeit dem Programmdirektor Jan Schulte-Kellinghaus unterstellt gewesen."
+++ Lutz Schumacher, Geschäftsführer der Schwäbischen Zeitung, hat sich für die "Zeit" Gedanken darüber, gemacht, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk aussehen müsste, wenn man ihn jetzt erfinden würde. Ein Gedanke daraus: "Lokalzeitungen sollten die Möglichkeit bekommen, sich an Ausschreibungen zu beteiligen – ähnlich wie Bauunternehmen im regionalen Bahnverkehr – und eigene Formate in das skizzierte öffentlich-rechtliche Netzwerk der Zukunft einzubringen. Kleinere Verlage könnten sich zu Anbietergemeinschaften zusammen schließen."
Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende!
Das Altpapier am Montag schreibt Klaus Raab.