Das Altpapier am 16. Februar 2024: Porträt der Altpapier-Autorin Annika Schneider 4 min
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Kolumne: Das Altpapier am 16. Februar 2024 von Annika Schneider Das Vertrauen ist weg

Kolumne: Das Altpapier am 16. Februar 2024 – Das Vertrauen ist weg

Die "gefährlichen Verschwörungstheorien" des beliebten Podcast-Duos "Hoss & Hopf" wurden auf TikTok nun eingeschränkt. Ist es zu spät, um die jugendlichen Fans mit Kritik an den Inhalten noch zu erreichen?

Fr 16.02.2024 13:18Uhr 03:56 min

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Kolumne: Das Altpapier am 16. Februar 2024 Das Vertrauen ist weg

16. Februar 2024, 10:19 Uhr

Die "gefährlichen Verschwörungstheorien" des beliebten Podcast-Duos "Hoss & Hopf" wurden auf TikTok nun eingeschränkt. Ist es zu spät, um die jugendlichen Fans mit Kritik an den Inhalten noch zu erreichen? Die Medienthemen des Tages kommentiert Annika Schneider.

Porträt der Altpapier-Autorin Annika Schneider
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Das Altpapier "Das Altpapier" ist eine tagesaktuelle Kolumne. Die Autorinnen und Autoren kommentieren und bewerten aus ihrer Sicht die aktuellen medienjournalistischen Themen.

"Hoss & Hopf" gegen Kritik gut gewappnet

Sie würden aktuell viele Anfragen von den "Mainstream-Medien" bekommen, berichteten Anfang der Woche die zwei Hosts des Podcast "Hoss & Hopf". "Fast im Tageszyklus" würden sich nacheinander die "gesamten Medienhäuser" melden oder direkt "Schmierenartikel" veröffentlichen. Genau davor seien sie gewarnt worden:

"Ein großer, sehr bekannter YouTuber mit viel Presseerfahrung in Deutschland hat uns schon vor Monaten gesagt: Jungs, ich kann euch jetzt schon eines ganz genau sagen – solltet ihr wirklich auf die Nummer 1 kommen in Deutschland, was die Podcasts angeht, und so eine Riesenreichweite generieren, wie ihr es jetzt tut, dann stellt die Uhr danach, dass sie euch angreifen werden, dass sie versuchen werden, euch zu diffamieren."

Das ist ein kluger Schachzug: Die beiden Influencer bringen ihre Fans schon einmal gegen jegliche Form von Kritik in Stellung. Hosts, denen man regelmäßig zuhört, vermitteln einem ja oft das Gefühl längst gute Bekannte, wenn nicht sogar Freunde zu sein. Die erste Folge des wöchentlichen Podcast erschien im September 2022 – Zeit genug, um eine treue Community aufzubauen. Umso schwieriger wird es sein, Fans nun mit berechtigter Kritik am Format zu erreichen. Besorgniserregend ist das, weil ein Teil dieser Fans minderjährig ist und durch den Podcast mit Inhalten in Berührung kommt, die auffällig nah an dem sind, was aus dem Umfeld von rechtsextremen und rechtspopulistischen Akteuren zu hören ist.

Als eine der ersten geschildert hatte das Problem eine Journalistin mit dem Synonym Katharina Linau am Sonntag im "Stern": "Einer der erfolgreichsten Podcasts impft unsere Kinder mit radikalem Gedankengut – und keiner kriegt's mit", lautet der Titel ihres viel beachteten Textes. Darin erzählt sie von einer Urlaubsfahrt mit ihrem 14-jährigen Sohn:

"'Wie kann es sein, dass mit den Steuern deutscher Bürger die Flüchtlingsschiffe bezahlt werden, die die Flüchtlinge an der Küste in Afrika abholen, in größere Boote setzen und nach Italien bringen? Das geht überhaupt nicht', sagt mein Sohn. Ich drehe mich zur Rückbank. Woher er das habe, frage ich. Aus dem Podcast, den alle hören. Die Typen seien Gurus, die hätten 'krass Ahnung'."

Finanzbranche meets Verschwörungsideologie

Wer hinter diesen vermeintlichen "Gurus" steckt, hat mein Kollege Niels Schniederjann für Deutschlandfunk Nova recherchiert:

"Kiarash Hossainpour, genannt Hoss, ist einer der bekanntesten Krypto-Influencer in Deutschland. Nach eigenen Angaben lebt er derzeit jedoch im Steuerparadies Dubai. Er selbst behauptet, schon früh zum Krypto-Millionär geworden zu sein. Unabhängig verifizieren lässt sich das nicht. […]

Der andere Host, Philip Hopf, kommt ebenfalls aus der Finanzbranche. Er betreibt eine Firma, die Investoren Analysen von Aktienkursen anbietet, die auf einer Theorie namens 'Elliott-Wellen' basieren. Er behauptet, mit Hilfe dieser Theorie ebenfalls früh reich geworden zu sein. Experten bezweifeln die Stichhaltigkeit der Theorie […]."

Hoss und Hopf würden nur selten falsche Fakten nennen, aber Informationen sehr selektiv präsentieren, heißt es bei Deutschlandfunk Nova. Sie verbreiten demnach "steile Thesen" und "esoterische Lebensweisheiten". Das ist noch vorsichtig formuliert, denn diese Thesen kommen thematisch aus einer wohlbekannten Richtung. In den Folgen geht es um Investments und Ratschläge für ein (finanziell) erfolgreiches Leben, viele Episoden haben aber auch Titel wie:

  • Zerstört Elon Musk Twitter – oder rettet er es? (Folge 19)
  • 3. Weltkrieg: Ist Russland schuldig? (Folge 27)
  • Die Pfizer Impf-Lüge wurde aufgedeckt (Folge 34)
  • Das Bankensystem bricht zusammen (Folge 50)
  • Die mächtige Familie Rothschild und ihre Werte (Folge 65)
  • Framing: Wie deutsche Staatsmedien uns manipulieren (Folge 74)
  • Hochverrat vom deutschen Kanzler Scholz? (Folge 109)
  • 50 Gründe für Neuwahlen in Deutschland (Folge 128)
  • WEF 2024: Was ist der "geheime" Plan der Eliten? (Folge 138)
  • Werden wir bewusst von Medien wie ARD & ZDF manipuliert? (Folge 144)

Schon in der ersten Folge nach ihrem Einstieg, die den Titel "Gute Zeiten, schwache Männer, schwache Männer, harte Zeiten" trägt, verbreiten "Hoss & Hopf" Kulturuntergangsstimmung. Es geht darin unter anderem ausführlich um "Cancel Culture", den Verlust "deutscher Tugenden", "spätrömische Dekadenz" und unnötige "dritte Toiletten". Es müsse als "Zyklus des Lebens" jetzt wieder "harte Zeiten" geben, heißt es unter anderem.

Die bereits erwähnte aktuelle Folge thematisiert das Interview von Tucker Carlson mit Putin. Dort heißt es, dass "die Medien" darüber "gleichgeschaltet" berichtet würden (etwa Minute 7) – eine eindeutig rechte Wortwahl.

Wer sie teilt, gewinnt

Die Folgen erscheinen nicht nur auf gängigen Podcast-Plattformen, sondern auch als Videos auf YouTube. Das ist ein wichtiger Grund, warum die Inhalte eine große Reichweite erzielen: Schnipsel aus diesen Videos werden massenhaft auf TikTok verteilt. Die "Stern"-Autorin spricht von einer "kleine[n] Armee an TikTokern, die 'Hoss und Hopf'-Inhalte kostenfrei verbreiten". Warum sie das tun, erklärt Niels Schniederjann:

"Hoss und Hopf verbreiten ihre Inhalte mit einer neuen Social-Media-Strategie. Anders als andere Content Creator engagieren sie nicht einfach einen Cutter, der aus einem längeren Podcast ein paar kurze Videos produziert. Stattdessen veranstalten sie jeden Monat einen Wettbewerb. Dafür stecken sie mehrere tausend Euro, derzeit 2.500 Euro, in einen Lostopf. An der Gewinnausschüttung können dann Kanäle teilnehmen, die nur ihre Inhalte zeigen und mit mindestens einem Video viral gehen. 2.000 Euro werden zu gleichen Teilen an alle Teilnehmer ausgeschüttet, die mit mindestens einem Video mehr als 1 Million Views erzielt haben. Der Ersteller des meistgeklickten Videos erhält zusätzlich 500 Euro."

Die Frage, die nun der Recherche harrt, ist die, ob der Podcast Teil einer größeren Kommunikationsstrategie ist und wenn ja, von wem. Dass rechtspopulistische und rechtsextreme Akteure massiv auf soziale Medien setzen, um vor allem junge Menschen mit ihren Ideologien zu erreichen, ist bekannt. Ebenso bekannt ist, dass die Themen und Perspektiven, die im Podcast vermittelt werden, auffallend deckungsgleich sind mit Propaganda-Inhalten, die beispielsweise von der russischen Regierung kommen. Die setzt ja vor allem darauf, den Eindruck von einem chaotischen Deutschland zu erwecken und Misstrauen gegen die Regierung und andere demokratische Institutionen zu säen.

Schützenhilfe vom rechten Blogger

Glaubt man der Eigendarstellung der Podcast-Macher, hatte Kian Hoss eines Nachts die "Vision", einen Podcast mit Philip Hopf zu machen, mit dem er vorher schon einmal Kontakt gehabt hatte. Er schickte ihm eine Sprachnachricht und flog kurze Zeit später von Dubai nach Stuttgart, um die ersten Folgen aufzunehmen. Ihre Motivation sei ihre Neugier auf das Leben gewesen, so beschreiben sie es.

Die dpa hat die Macher mit der Kritik an ihnen konfrontiert, nachzulesen unter anderem in der SZ:

"Hopf beschreibt den Podcast auf Anfrage als 'kritisch, polarisierend, freiheitsliebend'. 'Ich bin selbst einer der vielen unzufriedenen Bürger dieses Landes und drücke dies klar und auch mal lautstark aus', sagte er der dpa. Den Vorwurf, er beeinflusse Kinder und Jugendliche zu stark, wies er zurück. 'Der Anteil an Jugendlichen liegt bei 0,4 Prozent', sagte er."

Ganz so harmlos ist der Podcast allerdings nicht – zumindest nach Überzeugung von TikTok. Denn wie zuerst "Spiegel online" berichtete, hat das Unternehmen die Verbreitung von Inhalten von "Hoss & Hopf" diese Woche wegen "wegen gefährlicher Falschinformationen und gefährlicher Verschwörungstheorien" eingeschränkt. Konkret wurde ein Kanal gesperrt, der Inhalte aus dem Podcast geteilt hatte. Zusätzlich seien Clips aus anderen Kanälen entfernt worden.

Andere Plattformen haben bisher noch nicht reagiert: Auf Spotify stehen die Episoden weiterhin online, weil sie laut Unternehmen nicht gegen Plattformregeln verstießen, wie es auf Anfrage des "Spiegel" hieß. Auch auf YouTube finden sich alle Folgen – und nach längerem Suchen auch das mutige Video eines Nutzers, der "Hoss & Hopf" schon früher kritisierte, indem er einzelne Aussagen einem Faktencheck unterzog und sie mit AfD-Zitaten abglich. Dafür kassierte er viele hämische Kommentare (bei wenig Reichweite).

Aussagekräftig ist außerdem, wer den Podcast verteidigt: Auf dem YouTube-Kanal des "Deutschland Kurier" kritisiert der "rechtsalternative Videoblogger" Miró Wolsfeld (Belltower News) den "Stern"-Artikel – wobei die Kritik vor allem darin besteht, einzelne Abschnitte möglichst abfällig vorzulesen. (Hier ist der Link, aber wer ihn nicht unbedingt klicken muss, sollte dem Kanal – dessen Arbeit die Medienaufsicht wegen Zweifel an der journalistischen Qualität bereits auf dem Schirm hatte – meiner Meinung nach nicht unnötig Reichweite zukommen lassen.) Natürlich kann das Duo sich nicht aussuchen, wer sich auf seine Seite stellt. Aber auffällig ist, dass Wolsfeld die Inhalte wohl als unterstützenswert einordnet.

Das Vertrauen ist weg

"Der baden-württembergische Beauftragte gegen Antisemitismus, Blume, sieht die beiden Podcaster laut dem Blatt als Teil einer 'rechtslibertären Subkultur, die vor allem junge Männer anzieht' und den 'Bitcoin als Befreiungsbewegung' darstelle."

Das berichtet heute der Deutschlandfunk. Was auf dem Spiel steht, zeigt ein weiteres Zitat aus dem "Stern"-Artikel. Die Autorin kommt dort zu dem Schluss:

"Das Weltbild meines 14-Jährigen ist formbar wie Knete. Aktuell ist sein Vertrauen in unsere demokratischen Institutionen, in den Rechtsstaat, in unsere Grundprinzipien erschüttert."

"Hoss & Hopf" hat derweil angekündigt, sich in einer der kommenden Folgen mit der Kritik in "den Medien" auseinander zu setzen. Die Chancen stehen gut, dass ihre über Monate erarbeitete Glaubwürdigkeit sich auszahlt: Es besteht die Gefahr, dass viele Fans dem Podcast-Duo inzwischen mehr vertrauen als traditionellen Medien.

Altpapierkorb

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Das Altpapier am Montag schreibt Klaus Raab. Schönes Wochenende!

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