Kolumne: Das Altpapier am 11. März 2024: Porträt des Altpapier-Autoren René Martens 4 min
"Das Altpapier" ist eine tagesaktuelle Kolumne. Die Autorinnen und Autoren kommentieren im aktuellen Altpapier die wichtigsten Medienthemen des Tages. Bildrechte: MDR | MEDIEN360G

Kolumne: Das Altpapier am 11. März 2024 Das nächste Zeitalter der Aufklärung

11. März 2024, 12:06 Uhr

Der Journalismus muss "Widerpart der politischen Klasse" sein, sagt der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen. Und der Schauspieler Hape Kerkeling betont, er könne sich "nicht erinnern, dass Faschismus jemals durch Diskussion beendet wurde." Heute kommentiert René Martens die Medienberichterstattung.

Porträt des Altpapier-Autoren René Martens
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Das Altpapier "Das Altpapier" ist eine tagesaktuelle Kolumne. Die Autorinnen und Autoren kommentieren und bewerten aus ihrer Sicht die aktuellen medienjournalistischen Themen.

Die Mitverantwortung des Journalismus für 50.000 Tote

Die "Bilanz der Coronapolitik von Bund und Ländern", die der "Spiegel" in seiner aktuellen Ausgabe veröffentlicht hat und am Freitag hier bereits kurz Erwähnung fand, hat weite Kreise gezogen, wurde zum Beispiel prominent in der 20-Uhr-Ausgabe der "Tagesschau" aufgegriffen.

Ich habe ein generelles Problem mit dem Beitrag, und zur Veranschaulichung greife ich mal auf eine Passage aus einer Rezension zurück, die ich im Januar über die WDR-Dokumentation "Das Virus und unsere Freiheit: Eine Corona-Bilanz" für "epd medien" geschrieben habe:

"Das wesentliche Problem des Films ist, dass er dazu beiträgt, ein Thema zu historisieren, dessen Historisierung kaum angemessen erscheint."

Das gilt auch für diesen "Spiegel"-Beitrag - auch wenn mir klar ist, dass Zwischenbilanzen Teil des journalistischen Besteckkastens sind.

Besonders ärgerlich ist natürlich, dass die Passage zur Rolle des Journalismus in einer Wiedergabe eines erwartbaren Anti-Medien-Rants von Jan-Josef Liefers besteht. Die medienkritischen Kohlen aus dem Feuer holen muss dann Bernhard Pörksen in einem Gastbeitrag. Er vertritt die These, dass die Berichterstattung weitgehend gut war. Aber:

"Aus meiner Sicht haben verschiedene Medien (nicht alle) vor der zweiten Welle im Herbst 2020 versagt, agierten stimmungsgetrieben, losgelöst von störenden Fakten, befreit von unbequemer Evidenz. Die glasklaren Warnungen von Modellierern und Wissenschaftsjournalisten wurden im medial befeuerten Verdrängungspopulismuszerredet, ignoriert, verhöhnt (…) In der Folge starben 50.000 zumeist ältere Menschen, von denen viele noch leben könnten. Nur wenig später waren die Impfstoffe dann da. Ich finde das einfach zum Heulen."

Wenn "die" Medien etwas aufzuarbeiten haben, dann genau das. Dass sie Todessektentypen, die von ihnen freundlich als "Maßnahmen-Kritiker" bezeichnet wurden, viel zu viel Raum gegeben haben. Die indirekte Mitverantwortung des Journalismus für die Pandemie-Toten der zweiten Welle hat Volker Stollorz bereits Anfang 2021 in einem Gastbeitrag für Zeit Online angesprochen (siehe Altpapier):

"Am Ende empfinde ich es als Niederlage, dass es den vielen gewissenhaft arbeitenden Wissenschaftsjournalisten in Deutschland und den Forschenden im Herbst nicht länger gelungen ist, ihrem Publikum den breiten fachlichen Konsens über die drohende winterliche Welle klarzumachen. Zu übermächtig waren in vielen Medien die Reflexe, jede Einschätzung aus der Wissenschaft mit einer Gegenposition zu kontrastieren und ungeprüfte Forschungsergebnisse aus Einzelstudien uneingeordnet zu vermelden, sodass sie Zweifel an dem weckten, was längst wissenschaftlicher Konsens war."

Eine andere Form des von Pörksen konstatierten "Verdrängungspopulismus" existiert weiterhin, zumindest insofern, als Corona in der aktuellen Berichterstattung keine nennenswerte Rolle mehr spielt.

Nun kann man dem "Spiegel" zugutehalten, dass er online in der vergangenen Woche etwas getan hat, was in den reichweitenstarken Medien selten geworden ist: Er hat  einen instruktiven Text veröffentlicht, der deutlich macht, dass Corona alles anders als vorbei ist. Erschienen ist er im Ressort "Job & Karriere", und es handelt sich um einen indirekten Appell an Unternehmen, ein paar Taler in die Hand zu nehmen, um ihre Beschäftigten zu schützen und damit wirtschaftlichen Schaden von sich selbst abzuwenden. Man kann Britta Domkes Artikel aber auch mit Gewinn lesen, wenn man kein Unternehmen führt. Sie schreibt:

"Auch wer sich schon viele Male mit Corona angesteckt hat, kann sich immer wieder neu infizieren. Mit zunehmend gravierenderen Folgen für die Gesundheit."

Und unter Bezugnahme auf eine Schätzung von Tedros Adhanom Ghebreyesus, Chef der Weltgesundheitsorganisation WHO:

"Mittlerweile stecken sich viele Menschen zwei- bis dreimal pro Jahr mit Corona an; manche haben längst das halbe Dutzend voll. Und da eine Immunität weder durch die vorhandenen Impfstoffe noch durch Infektionen erreichbar ist, lässt sich anhand von Ghebreyesus’ Kalkulation leicht ausrechnen, nach wie vielen Infektionen Beschäftigte vermutlich auf Dauer körperliche oder kognitive Beeinträchtigungen davontragen."

Domkes Text erschien (offenbar in einer etwas anderen Version) online erstmals Mitte Dezember - und Mitte Januar dann gedruckt in der Februar-Ausgabe des "Harvard Business Manager". Während die "Spiegel"-Version kostenpflichtig ist, steht eine englischsprachige Fassung unter manager-magazin.de frei online.

Dass Domke ebenfalls der Ansicht ist, dass die aktuelle Berichterstattung zu Corona mangelhaft ist, geht aus einem Leserbrief hervor, den sie vor rund zweieinhalb Wochen als Privatperson ans "Hamburger Abendblatt" geschickt hat. Und zwar zu einem Artikel über Unterrichtsausfall in Hamburg. Domke schreibt:

"Das grundlegende Problem ist, dass niemand den Elefanten im Raum benennt: Covid. Die riesige Coronawelle hat im Dezember/Januar fast jede Familie in Hamburg erfasst (…) Benannt und bekämpft wird die Krankheit jedoch kaum noch. Mittlerweile ist sie zum Lord Voldemort unter den Krankheiten geworden, dessen Namen niemand mehr nennen darf. Lehrkräfte und Schüler kommen schniefend und hustend in den Unterricht, stecken die halbe Klasse an und wundern sich, warum 'alle ständig krank sind'. Niemand testet sich. Kinder, die sich mit Masken schützen wollen, werden von Lehrkräften und Schülern bedrängt und beleidigt (…) Gelüftet wird nicht, weil es ja so kalt ist. Das traurigste Kapitel sind die Luftfilter. Für viel Geld angeschafft, waren sie nicht mal ein Jahr in Betrieb und wurden dann aus den Schulen geräumt, um sie 'für eventuell künftige neue Einsätze schonen' zu wollen. Muss ich erwähnen, dass diese Einsätze nie kamen – nicht einmal im Dezember 2023, in der bisher höchsten Welle der Pandemie?"

Den Hinweis auf diesen Leserbrief, den ich so ausführlich zitiert habe, weil er ein grundsätzliches mediales (wenn auch nicht nur mediales) Problem benennt, verdanke ich Ralf Wittenbrink.

Pörksen fordert "mitfühlenden Futurismus"

Auf Bernhard Pörksens oben bereits erwähnten "Spiegel"-Gastbeitrag lohnt es sich im Übrigen noch ausführlicher einzugehen. Sein Nachdenken über das Agieren der Medien während der Hochphase der Pandemie führt zu einigen grundsätzlichen Bestandsaufnahmen und Forderungen, die die Debatten zur Zukunft des Journalismus beflügeln könnten. Pörksen schreibt:

"Die Er-sagt-sie-sagt-Rituale und all die Distanz- und Neutralitätsgebote der Profession (passen) nicht mehr bruchlos in eine Zeit, in der die Zerstörung von Demokratien, das Wiederaufflammen des Antisemitismus, Migrationskrisen und Klimawandel zur Alltagserfahrung geworden sind. Die Zerbrechlichkeit der Welt erschüttert auf eine noch nicht ausreichend entzifferte Weise auch das traditionelle journalistische Selbstverständnis."

Ich würde eher sagen: Sie sollte dieses "Selbstverständnis" erschüttern, aber sie tut es bisher nicht auf eine Weise, die man dem Mehrheitsjournalismus anmerkt. Pörksen schreibt weiter:

"Ich glaube, dass sich der Journalismus vor dem Hintergrund der ineinander verschlungenen Dauerkrisen und einer bedrohlichen Kurzsichtigkeit der politischen Klasse ändern sollte. Und dass er als unabhängige, kritische Instanz der Wahrnehmungskorrektur, als Ignoranz- und Verdrängungsblockade gesellschaftlich gebraucht wird wie selten zuvor. Kurz und knapp: Journalismus muss den Weg in die Zukunft neu und anders vorstellbar machen, aber nicht in edukativer, sondern in deliberativer Absicht. Sonst versagt er tatsächlich. Es geht nicht um Publikumserziehung und nicht um Aktivismus, sondern um den besser informierten Streit, den Diskurs mit Substanz, also um die alte, idealistische Idee von Aufklärung."

Zur Erläuterung für ein größeres Publikum hier kurz auf die Schlagworte "Aktivismus" und "Publikumserziehung" einzugehen, scheint mir angemessen. Diese werden ja von den Parteigängern des Fossilismus und des Das-haben-wir-schon-immer-so-gemacht-Journalismus ständig in den Raum geworfen, um alles zu diskreditieren, was nach Aufklärung aussieht.

Der Autor formuliert schließlich folgende Forderung: Der Journalismus müsse

"als Widerpart der politischen Klasse (…) agieren, die auf dramatische Langzeitbedrohungen im Modus der totalen Kurzfristigkeit reagiert, aber in ihren Entscheidungen gleichzeitig Weichenstellungen für Jahrzehnte in die Welt hineinbetoniert, also in ihrem Denken erkennbar in der falschen Zeitperspektive feststeckt."

Das könne aber nur passieren, wenn in der Branche "eine Selbstverständnisdebatte" stattfinde, "die von den Verzerrungseffekten publizistischer Routinen und Rituale handelt, in denen sich die gefährliche Zukunftsvergessenheit des Menschen zeigt". Am Ende des Weges, so Pörksen, solle man zu einem "mitfühlenden Futurismus" finden.

Die entscheidenden Fragen lauten möglicherweise: Wie bringt man in der Praxis so eine "Selbstverständnisdebatte" in Gang? Wer organisiert sie? Und: Wer unter den Entscheiderinnen und Entscheidern im Journalismus erweckt derzeit den Eindruck, dass sie oder er eine solche Selbstverständnisdebatte führen möchte?

Was sich von Shakespeare über den Umgang mit der AfD lernen lässt

Dazu, dass der Sender "Welt TV" ein "Duell" mit Mario Voigt und Björn Höcke plant (siehe zuletzt das Altpapier von Freitag), ist natürlich immer noch nicht alles gesagt, weshalb sich in der Wochenendausgabe der SZ Kurt Kister der Sache annahm. Er geht in dem Zusammenhang auch auf die Geschichte der Wahlduelle im Fernsehen ein, macht Anmerkungen zum Unfug, der mit dem Begriff "Demaskierung" betrieben wird ("Höcke, Weidel und Chrupalla tragen keine Masken. Die sind so.")

und steuert über Medienaspekte hinausgehende Einschätzungen rund um die AfD bei. Zum Beispiel diese:

"Das Unbehagen, ja die Abscheu Hunderttausender über die AfD hat sich in den letzten Wochen in großen und kleineren Demonstrationen überall im Land gezeigt."

Hm. Dass "Hunderttausende" "in den letzten Wochen" gegen die AfD demonstriert haben, ist nicht völlig falsch, genauso wenig wie die Behauptung, dass die "Süddeutsche Zeitung" täglich zehntausende Exemplare ihrer gedruckten Ausgabe verkauft. Die Verlagsmanager dort wären aber vermutlich auf Zinne, wenn das jemand schriebe - angesichts dessen, dass die SZ werktäglich derzeit 265.000 Exemplare verkauft. Was die Zahlen der Demo-Teilnehmenden angeht: Die taz hat im Rahmen einer ihrer "größten und aufwendigsten Datenrecherchen jemals" ermittelt, dass "bis Ende Februar mehr als 3,7 Millionen Menschen in Deutschland gegen rechts demonstriert haben". Aktuell waren es nach Recherchen des in der Bankenbranche tätigen Juristen Christian Eymery, der seit Wochen zwecks privater Social-Media-Verbreitung Daten sammelt, bisher mindestens 4,4 Millionen.

Als ich vor fast drei Wochen an dieser Stelle die Formulierung "mindestens 3,4 Millionen Anti-AfD-Demonstranten (oder, wie es die meisten Journalisten am liebsten formulieren: 'Hunderttausende')" unterbrachte, bin ich jedenfalls davon ausgegangen, dass man diesen Gag bald nicht mehr wird bringen können. Ich habe mich geirrt.

Ums Reden mit AfD-Politkern geht es auch in einem Gespräch, das t-online.de mit Hape Kerkeling geführt hat. Interviewer Steven Sowa sagt:

"Wenn jemand sie rhetorisch entwaffnen könnte, dann doch Menschen wie Sie: mit Eloquenz, Beharrlichkeit und der nötigen Scharfzüngigkeit des Humors."

Der Schauspieler daraufhin:

"Sie können gegen die Unwahrheit nicht antreten, Sie haben keine Chance. Wenn Ihr Gegner glaubt, dass Schwarz Rot ist, dann haben Sie verloren. Das können Sie ihm nicht ausreden. Diese Engstirnigkeit ist grotesk und das weiß man schon von Shakespeare aus 'The Taming of the Shrew' (…): Da wird dieser Versuch gestartet – und er scheitert. Das wussten die Menschen schon vor mehr als 400 Jahren. Das hat sich nicht geändert. Im Gegenteil: Es wird immer schlimmer."

Und ein besonders gutes Bonmot für alle, die sich weiter mit dem Thema beschäftigen wollen, hat Kerkeling auch noch parat:

"Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, dass Faschismus jemals durch Diskussion beendet wurde."

Schauspieler oder andere Künstler zu politischen Themen zu befragen, ist oft keine gute Idee, aber für Hape Kerkeling gilt das nicht, das beweist er hier nun schon zum zweiten Mal innerhalb relativ kurzer Zeit. Kurz vor Weihnachten sagt er bei Zeit Online:

"Eigentlich strebt doch der Mensch danach, dass es ihm besser geht. Im Moment scheint es mir aber, dass es vielen Menschen reicht, wenn es den anderen schlechter geht. Dass sie sich dann besser fühlen. Das ist eine schlimme Tendenz. Da fängt Faschismus an."

Wie gesellschaftlich fatal dieser Hass auf die Armen ist, der ja nicht nur von einer Partei geschürt wird, hat Kerkeling auf eine Art auf den Punkt gebracht, die ich bei Journalisten bisher nicht bemerkt habe.


Altpapierkorb (RAF-Ekstase statt Recherchen zu untergetauchten Rechtsextremisten, der Kulturjournalismus "im Kontext des metrischen Regimes", die Kommunikationsstrategie des NDR zu den Nacktszenen mit Nastassja Kinski, karnevaleske ZDF-Doku über die Deutsche Bahn, Planungen für Nachfolge des "Greenpeace-Magazins")

+++ "Wie jenseits von Gut und Böse die Aufmerksamkeit ist, die die RAF-Rentner gerade bekommen im Vergleich zu den gewalttätigen Rechten, die noch auf der Flucht sind", führt Caspar Shaller für die taz aus. Und er fragt: "Warum machen sich so wenige Podcaster, Polizisten, Reporter auf die Suche nach den untergetauchten Rechten? Weil es einfacher, ungefährlicher ist. Weil die Gespenster von gestern bereits besiegt sind. Im Jahr 2024 sind die Kämpfe noch offen, man könnte sie also auch noch verlieren".

+++ Das Ende des Musikmagazins "Pitchfork", wie wir es kannten, war Anfang Februar für Johannes Franzen Anlass, für "54 books" einen Essay über den "Untergang des Kulturjournalismus" zu schreiben (siehe Altpapier). Dieser Text war nun wiederum der Anlass für die Deutsche Welle, Franzen zu einem Gespräch zu diesem Thema einzuladen. Es geht unter anderem um den schwindenden Anteil von Rezensionen in den Kulturressorts. Franzen sagt dazu: "Man hat den Eindruck, dass diese Ressorts zum einen unter Druck stehen - dafür gibt es auch verschiedene Gründe - und dass innerhalb dieser Ressorts noch bestimmte Textformen, bestimmte Ausdrucksformen unter Druck stehen (…) Man hat schon den Eindruck, dass wenn gekürzt wird, wenn Dinge verloren gehen, dann passiert das oft in diesen Bereichen." Und: "Im Kontext des metrischen Regimes", also infolge dessen, "dass man die Möglichkeit hat, genau zu sehen, wer auf Artikel wie lange klickt", gebe es "bestimmte Formate und Themen, die alt aussehen". Das gelte zum Beispiel für Theaterkritiken. Und: "Gerade wenn dann die Ressourcen knapp sind, möchte man sich diese Sachen dann vielleicht auch nicht mehr leisten."

+++ Wie reagiert der zuständige NDR darauf, dass Nastassja Kinski eine öffentliche Entschuldigung dafür fordert, dass sie 1977 in dem "Tatort"-Film "Das Reifezeugnis" als Minderjährige nackt vor der Kamera agieren musste? Er "reagiert bislang auf Anfragen zu Kinskis Entschuldigungsbitten mit einem Statement, das klingt, als müsste eine öffentlich-rechtliche Schulleitung eine peinliche Angelegenheit diskret klären", schreibt Claudia Tieschky für die SZ. Sie befasst sich in ihrem Text mit der Kommunikationsstrategie des Senders sowohl gegenüber Kinski beziehungsweise ihrem Anwalt Christian Schertz als auch der gegenüber den Medien. Und nun? "Der Anwalt will jetzt Programmbeschwerde beim Rundfunkrat wegen der öffentlichen Zurschaustellung der Nacktheit einer Minderjährigen einlegen. Der Hebel für die Befassung des Gremiums könnte sein, dass 'Reifezeugnis' erst im Januar wieder ausgestrahlt worden ist, diesmal im RBB."

+++ Warum die ZDF-Dokumentation "Deutsche Bahn: Die Insider" "missglückt" ist, begründet Sebastian Wilken ausführlich bei "Übermedien". "Vor allem die optische Aufbereitung des Formats ist, nun ja, sagen wir: karnevalesk. Damit die Insider, die mal für das Unternehmen tätig waren, jetzt aus dem Nähkästchen plaudern können, werden sie 'aufwendig maskiert'. Das wird in der Sendung stolz betont und gezeigt. Damit auch dem allerletzten Zuschauer klar wird, was für ein Riesenaufwand hier betrieben wurde. Man muss die Sendung über die Bahn eigentlich zwei Mal anschauen, weil die seltsam modellierten Nasen, die angeklebten Bärte und komischen Perücken einen so irritieren, dass man beinahe davon abgelenkt wird, welche Geschichten die Insider da eigentlich auspacken. Hinzu kommt, dass unter der gesamten 45-minütigen Doku ein fast ununterbrochener Musikteppich liegt, ein wilder Genre-Mix von Vivaldi bis Falco. Wie im Schnitt jemand auf die Idee gekommen ist, den Song 'Der Kommissar' unter das Bild einer gestellten Fahrkartenkontrolle zu legen, bleibt ebenso offen wie die Frage, ob das ein Stück Teppich ist, was sie Insider 'Björn' (…) als Fake-Koteletten unters Ohr geklebt haben." Ich kenne die Dokumentation zwar nicht, habe aber schon oft erlebt, dass schlechtes Informationsfernsehen in seinen schlechtesten Momenten unfreiwillig komisch ist.

+++ Noch eine Zeitschrift, die es bald nicht mehr geben wird: das "Greenpeace Magazin". Die Septemberausgabe wird die letzte sein. Aber: Die derzeitigen Macherinnen und Macher (oder zumindest einige von ihnen) planen ein neues Umweltmagazin namens "atmo", das "voraussichtlich Anfang 2025" an den Start gehen soll, wie Frauke Ladleif, eine der an dem Projekt Beteiligten, im Interview mit der taz sagt. Und: "Es ist eine enorme Herausforderung, noch mal neu zu starten. Wir als Gründungsteam gehen dabei auch ins eigene finanzielle Risiko. Aber wir möchten den 53.000 Greenpeace Magazin-Abonnent:innen ein neues geliebtes Umweltmagazin, eine publizistische Heimat anbieten."

Das Altpapier am Dienstag schreibt Christian Bartels.

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