Kolumne: Das Altpapier am 10. Mai 2024 Zufälle gibt's
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10. Mai 2024, 12:13 Uhr
Nach den Angriffen auf Politiker haben Journalisten jetzt zufällig live eine Attacke auf eine Grüne erlebt. Wirklich zufällig? Übersehen wir, dass auch die AfD-Politiker angegriffen werden? Und wie klug ist es, auf Wut mit Fakten zu reagieren? Heute kommentiert Ralf Heimann die Medienberichterstattung.
Inhalt des Artikels:
- Kursgewinne beim Nachrichtenwert
- Die rechte Emotionalisierungsdominanz
- Entscheidend ist der politische Nährboden
- Fehlt den Linken das Emotionale?
- Ein bisschen Medienskepsis ist gut
- Fehler oder Vorsatz?
- Komplexität – ein hartes Geschäft
- Altpapierkorb (Reichelt, MDR-Sparpläne, Synthetische Inhalte, Italiens Mediensystem, New York Times)
Das Altpapier "Das Altpapier" ist eine tagesaktuelle Kolumne. Die Autorinnen und Autoren kommentieren und bewerten aus ihrer Sicht die aktuellen medienjournalistischen Themen.
Kursgewinne beim Nachrichtenwert
Nach den Angriffen auf den SPD-Politiker Matthias Ecke und Berlins Bildungssenatorin Franziska Giffey (SPD) kommen fast täglich neue Meldungen, in denen es um Gewalt gegen Politiker geht. In Dresden wurde Yvonne Mosler von den Grünen vor laufender Kamera angegriffen, meldet die Deutsche Welle, die "zufällig dabei" war, wie der Sender in seiner Meldung schreibt. Ein richtiger Zufall war das natürlich nicht, wenn man bedenkt, dass viele Redaktionen nach dem Angriff auf Ecke auf die Idee kamen, Politiker in Dresden, wo es passiert war, im Wahlkampf zu begleiten. Auch ein Team der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" stand daneben, als Yvonne Mosler bespuckt wurde, berichtet die Zeitung. Der "Spiegel" hat seine Reportage zum Wahlkampf in Dresden am Freitagmorgen ganz oben auf die Startseite gehängt.
Der Fall von Yvonne Mosler wäre möglicherweise nie bekannt geworden, wenn es den Angriff auf Matthias Ecke nicht gegeben hätte. Und das liegt nicht nur an den Medienteams, die sie begleitet haben, sondern auch daran, dass der Nachrichtenwert solcher Meldungen sich zuletzt ähnlich entwickelt hat wie der Bitcoin-Kurs zu seiner besten Zeit. In anderen Worten: Wenn in Dresden eine Politikerin angegriffen wird, dann kann das zurzeit auch in der Schweiz eine Nachricht sein.
Es ist also theoretisch möglich, dass in den vergangenen Wochen und Monaten sehr viel mehr Politiker angespuckt, bedroht und beleidigt worden sind als in den vergangenen Tagen, dass das aber zu dieser Zeit nichts war, was über eine Polizeimeldung oder eine kleine Nachricht im Lokalen hinauskam.
Das ist der eine Teil der Medienmechanik. Die Aufmerksamkeit ist so groß, dass sie neue Aufmerksamkeit nach sich zieht, in allen möglichen medialen Formen. Das liegt unter anderem am Bandwagon-Effekt. Wenn alle Medien berichten, möchte man in der Redaktionskonferenz auf die Frage "Warum haben wir das nicht?" eine gute Antwort haben.
Wenn ein Thema in Medien allgegenwärtig ist, wird es schnell auch in den Köpfen allgegenwärtig. Und wenn das erst erreicht ist, dann fällt Menschen so etwas in allen möglichen Zusammenhängen sehr schnell ein (Verfügbarkeitsheuristik). Ideale Bedingungen für Nachahmungstaten also. Das ist der andere Teil der medialen Mechanik.
Zu tun hat das viel mit Reflexen. Sabine Rennefanz kritisiert in ihrer "Spiegel"-Kolumne, dass die AfD "reflexhaft" für Übergriffe auf Politiker beschuldigt werde, obwohl ihre Vertrete seit Jahren stärker von Gewalt betroffen seien. Ihre Diagnose ist: "Die Kommunikation in unserem Land ist gestört."
Es bringe nichts, von "Faschisten" zu schreien, auch der Vergleich mit Weimar gehe ins Leere, die Situation vor hundert Jahren sei eine ganz andere gewesen. Die Menschen seien von den Gewalterfahrungen des Weltkriegs geprägt gewesen. "Ein menschliches Leben besaß keinen hohen Wert", schreibt sie.
Und wie bestellt stand auf der "Spiegel"-Startseite am Donnerstagnachmittag tatsächlich die Nachricht von einem Angriff auf zwei AfD-Politiker bei einer Festveranstaltung zum 75-jährigen Jubiläum des Grundgesetzes in Stuttgart.
Die rechte Emotionalisierungsdominanz
Das muss man allerdings einordnen. Der Reflex ist da, aber er hat sich nicht ganz grundlos entwickelt. Peter Dausend schreibt in seinem Leitartikel in der aktuellen "Zeit":
"Die Emotionalisierungsdominanz liegt bei den Rechtspopulistischen."
Der Kulturgeograph Philipp Hövel hat soeben in seiner Dissertation belegt, wie rechte und rechtsextreme Parteien Feindbilder entwickeln, zum Beispiel Migranten oder die Regierung, und Gefühle "wie Angst und Wut auf diese Gruppen lenken, während andere Parteien bemüht sind, rationaler zu argumentieren", schreibt Kathrin Kottke in einem Beitrag für die Unizeitung "wissen/leben" in Münster.
Hövel hat dazu 400 Reden und Interviews von Funktionären der Alternative für Deutschland (AfD), der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) und der Schweizerischen Volkspartei (SVP) untersucht. Ergebnis:
"Gefühle und Emotionen sind bei rechten Parteien wichtige Stellschrauben, um ihre Wählerschaft zu mobilisieren."
Das ist auch das Thema des soeben erschienenen Buchs "Radikal emotional – Wie Gefühle Politik machen" der Neurowissenschaftlerin Maren Urner, die in einem halbstündigen Feiertagsspezial des Deutschlandfunk-Medienmagazins "@mediasres" von Michael Borgers zur Wort kommt.
Im Kern geht es dort um die über allem stehende Frage, wie Medien mit der AfD umgehen sollten, aber auch um die danach, welche Folgen ihre Berichterstattung hat. Kommt es zum Beispiel durch die oben beschriebenen Effekte zu einer Verzerrung, also zu einer zu negativen Darstellung des Gesamtbilds, sorgt das laut Urner
"in erster Konsequenz dafür, dass wir ein zu negatives Weltbild haben. Und in zweiter Konsequenz auch dafür, dass Menschen Angst bekommen. Und eine ganz, ganz wichtige Sache, gerade im Umgang auch mit der AfD, ist eben das Gefühl der Angst ein Gefühl, auf das diese Partei inhaltlich besonders setzt".
Es könnte also sogar so sein, dass auch Meldungen über Gewalt gegen Politiker, die von Rechtsextremen ausgeht, und mit der sich das Gefühl von Bedrohung und Unsicherheit verbreitet, am Ende den Rechtsextremen nützt.
Und ja, natürlich muss man im Einzelfall fragen, ob es tatsächlich so ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Aber die Wut und der Hass sind im politischen Spektrum nicht gleichmäßig verteilt.
Der in Leipzig arbeitende Journalist Michael Kraske sagt im Interview mit Antje Allroggen dem Deutschlandfunk-Medienmagazin "@mediasres":
"Wir sehen vor allen Dingen, dass online und offline keine getrennten Welten sind, sondern dass der Hass sowohl auf der Straße als auch im Netz stattfindet. Und wir wissen von den Expertinnen und Experten, dass da schon organisierte Gruppen tätig sind und dass rechtsextreme Akteurinnen und Akteure über die AfD hinaus den Hass auf das sogenannte linksgrün versiffte Establishment schüren, auf die sogenannten Deutschlandabschaffer."
Im Fall des Angriffs auf Matthias Ecke deutet nach gegenwärtigem Stand einiges darauf hin, dass der erste Reflex nicht ganz falsch gewesen sein könnte. Spuren von mindestens einem der vier mutmaßlichen Täter weisen in die rechtsextreme Szene, berichtet der "Spiegel".
Und wenn es Rechtsextremen gelingt, Angst zu verbreiten, dann steigt nicht nur die Wahrscheinlichkeit, dass sie bei den Wahlen profitieren, sie schrecken auch gleichzeitig ab – zum Beispiel Medien, die über Gewalt und Bedrohungen berichten könnten.
Michael Kraske sagt im "@mediasres"-Interview:
"Wir wissen nicht mehr, was sich da zusammenbraut, wenn uns die wenigen Augen und Ohren, die dahin gehen, auch noch verloren geht."
Entscheidend ist der politische Nährboden
Ein wesentliches Element im politischen Kalkül von Rechtsextremen ist nicht nur die Angst, die sie verbreiten, sondern auch das Misstrauen gegen die auf der anderen imaginierten Seite.
"Es ist der Vertrauensverlust, der Menschen mobilisiert", schreibt Carlotta Wald in einem Beitrag für die "Zeit", dessen These ist: "Nicht die Desinformation untergräbt die Demokratie, sondern unser Umgang mit Problemen." Wald schreibt:
"Der politische Nährboden ist entscheidend. Desinformationskampagnen haben das Potenzial zu spalten, sie müssen es aber nicht. Ihr Erfolg hängt auch davon ab, auf welchen Nährboden Fake-News treffen. Ob die Politik durch ihr Handeln etwa Lügen ermöglicht, bei der Bevölkerung zu verfangen."
Und sie schreibt:
"Unsere Sicht auf die Welt entsteht im pluralen Austausch mit anderen. So pathetisch es klingt: Die Realität ist ein gesamtgesellschaftliches Projekt."
Die Medien hängen also mit drin in der Sache. Statt dem Vertrauensverlust entgegenzutreten und seine Ursachen zu benennen, verliere die Öffentlichkeit sich in Stellvertreterdiskussionen darüber, was Fake und was real sei, wer lüge und wer überhaupt noch sprechen dürfe, schreibt Wald.
Und sie zitiert einen 16-Jährigen, der in einem ARD-Interview den Satz gesagt hatte:
"Unsere Probleme werden einfach nicht gesehen von der Politik."
Damit beschreibe er, so Wald, "das Gefühl einer ganzen Generation". Und um hier vielleicht auch das Positive zu sehen: Immerhin ist es schon mal gelungen, das mithilfe von Medien bekannt zu machen.
Fehlt den Linken das Emotionale?
Michael Borgers hat für sein "@mediasres"-Spezial den Historiker Norbert Frei getroffen, der sich vor allem mit der NS-Geschichte beschäftigt, und der anders als Sabine Rennefanz schon einige Parallelen zur Weimarer Republik erkennen kann.
Die AfD sei eine Partei, die "nicht an einem demokratischen Ringen um die besten Lösungen interessiert sei", sagt er. Sie wolle in Freund und Feind teilen. Das sei auch in der Spätphase der Weimarer Republik der Fall gewesen. Aus genau diesen Gründen seien die Parteien damals kommunikativ gescheitert.
Ungefähr an dieser Stelle, wo die Parteien nun verstehen, so geht es nicht, liegt auch der Grund dafür, dass sie sich zurzeit überlegen, wie sie anders kommunizieren könnten – und in der Konsequenz ein Konto bei "Tiktok" eröffnen.
Philipp Bovermann hat die grüne EU-Parlamentarierin Hannah Neumann für eine Seite-drei-Reportage in der "Süddeutschen" begleitet. Das zugrundeliegende Problem erklärt im Text der gern von Rechten gebuchte "Tiktok"-Profi Erik Ahrens.
"Twitter sei für die Eliten, sagt er, Tiktok hingegen 'für das Volk'. Den Linken fehle die 'emotionale Direktheit', deshalb hätten sie auf der Plattform keine Chance. Die Rechte werde dort weiter wachsen 'und ihr könnt nichts dagegen tun'."
Hier liegt auch ein wesentlicher Grund dafür, dass Medien mit ihrem vermeintlichen Faktenfetisch und den Factchecking-Orgien auf der rechten politischen Seite so wenig ausrichten. Die Fakten mögen ein anderes Bild zeigen, aber das Gefühl bleibt ja trotzdem – jedenfalls, wenn Medien die Fakten richtigstellen, die man selbst auf der anderen politischen Seite verortet, die also wenig glaubwürdig sind – daher das Bemühen, Misstrauen zu säen.
Ein bisschen Medienskepsis ist gut
Über das Medienvertrauen oder eben das Misstrauen hat Christian Meier für die "Welt" mit dem Mainzer Publizistik-Professor Nikolaus Jackob gesprochen, der Mitautor der "Langzeitstudie Medienvertrauen" ist, und der zum einen erklärt, dass "eine gewisse Skepsis" gegenüber Medien in der Demokratietheorie sogar ganz günstig sei. Sehr hohe Zustimmungswerte gebe es oft eher in autoritären Systemen. Das könne an der Alternativlosigkeit liegen oder "an den vielfältigen Möglichkeiten staatlicher Propaganda". Und wenn nach einer langen Diktatur eine Demokratie entstehe, dann sei es schwer, Vertrauen in Institutionen aufzubauen.
"Man kann nicht einfach Jahrzehnte von medialer Sozialisation ungeschehen machen",
sagt Jackob. Und wenn er auf die aktuellen Zahlen der Langzeitstudie schaut, hat er einen anderen Eindruck, als einige Medien ihn zuletzt vermittelten. "Der aktuelle Wert ist (…) relativ normal", sagt er.
"Zeit Online" meldete Mitte April:
"Ein Viertel der Deutschen fühlt sich von Medien nicht repräsentiert".
Das klingt eher schlecht. Doch auch das sei ein relativ konstanter Wert, sagt Jackob. Nur warum haben Menschen das Gefühl, dass sie systematisch belogen und manipuliert werden? Jackob:
"Viele Menschen haben das Gefühl, dass Journalisten über Themen berichten, die in ihrer Lebenswirklichkeit keinen realen Anker haben. Sie fühlen, dass das, was sie im Fernsehen sehen, nichts mit ihrem Leben zu tun hat – und dass die Meinungen, die in Teilen des Mediensystems vertreten werden, ganz andere sind als die ihren oder die ihrer Umwelt. Das sind zwar sehr subjektive Gefühle, die aber große Folgen haben können."
Diese Entfremdung sei zu einem Lebensgefühl geworden. Möglicherweise ist auch das eine Erklärung für die guten Zahlen der "Berliner Zeitung", von denen Verleger Holger Friedrich Michael Meyer im "@mediasres"-Interview erzählt. Über sein Motiv, Verleger geworden zu sein, sagt er:
"Mich hat gereizt, den Unterschied zwischen meiner Lebenswirklichkeit und der veröffentlichten Meinung in den Medien, diese Differenz zu schließen."
Nur haben Medien hier auch die Verantwortung, zu entscheiden, was sie verbreiten, ob es nur darum geht, ein Lebensgefühl zu bedienen – oder darum, verlässliche Informationen zu liefern und Meinungen, bei denen klar ist: Über die Demokratie sind wir uns schon alle einig.
Fehler oder Vorsatz?
Michael Meyer beschreibt das Online-Angebot der "Berliner Zeitung" so:
"Es gibt Impf-Skepsis, Ablehnung der Corona-Politik, das Fordern nach einer Verhandlungslösung im Ukraine-Krieg und ein Politik- und Politiker-Misstrauen."
Chefredakteur Tomasz Kurianowicz sieht "eher Freude an Debatten". Man könnte allerdings auch sagen: Die Offenheit für ziemlich fragwürdige Positionen ist hier zum Lebensgefühl geworden.
Die nicht so leicht zu beantwortende Frage ist, wo denn die Grenzen zwischen verantwortungsvoller Information und dem verlaufen, was Menschen als Bevormundung empfinden. Vielleicht hängt beides auch eng zusammen. Ist erst Misstrauen da, verschwimmen die Grenzen. Es ist also zum Beispiel ein Fehler passiert, und wie interpretiert man den dann? Jackob:
"Da wird Versagen als Vorsatz, eine Tendenz als Lüge, Selektion als Vertuschung interpretiert. Ich will nicht sagen, dass solche Verdachtsmomente historisch nicht auch zutreffend sein können, denken sie an etwa an Fälscherskandale im Journalismus. Solche einfachen Interpretationsmuster sind jedenfalls attraktiver als komplexe Erklärungen."
Da gibt es aber eben auch einen Teil, den Medien beeinflussen können.
Hier denkt die eine Seite: Medien haben die Verantwortung, die Dinge so darzustellen, dass sich der Weltlauf zum Guten verändert. Das wäre der Grundgedanke der geschlechtergerechten Sprache. Also: Damit’s irgendwann alle möchten, müssen wir es vormachen. Und wenn’s irgendwann alle machen, wird es so sein wie mit dem Rauchverbot in Kneipen. Man wird es als völlig normal empfinden.
Tatsächlich passiert in dem Fall allerdings auch etwas anderes. Jackob:
"Wir sehen in der Forschung mitunter, dass Reaktanz entsteht: Je moralischer und alarmistischer der Tenor, desto eher erzeugt man Abwehr, eine Antihaltung oder auch Entmutigung. Da antworten Leute dann zum Beispiel: Hier will mich jemand missionieren."
Und da sind wir wieder bei den Fehlern:
"(…) eine moralisch überhöhte Position wird schnell unglaubwürdig, wenn in der nächsten Krisenlage journalistische Fehler gemacht werden."
Komplexität – ein hartes Geschäft
Was also tun? Und wie sich verhalten? Jackob sagt:
"Ich vergleiche das immer mit einem Fußballspiel. Journalisten sollten nicht Stürmer sein, sie sollten nicht Außenverteidiger sein. Sie sind auch keine Schiedsrichter. Sie sind Beobachter und das sollten sie möglichst gut machen."
Für den Umgang mit der AfD bedeutet das laut Jackob:
"Eine mögliche Herangehensweise ist das konkrete Hinterfragen der politischen Pläne solcher Parteien und Bewegungen, das konkrete Diskutieren und Problematisieren des Verhaltens ihrer Akteure sowie der Ziele und Folgen ihrer Politik."
In der Berichterstattung über die Remigrations-Konferenz sei das gelungen. Da sei es in den Berichten auch um die Frage gegangen, was passieren werde, wenn man die Pläne umsetze. Da dürfe allerdings nicht spekuliert werden, das müsse sachlich passieren, an Daten und Fakten orientiert, sagt Jackob.
Die AfD-Sphäre selbst hat es leichter, wenn sie auf die Enthüllungen mit emotionalen Verschwörungsgeschichten antwortet wie: Die staatlich gelenkten Journalisten blasen hier ein völlig harmloses Ereignis zu einem Skandal auf.
Das Beispiel hat noch etwas gezeigt, in dem man etwas Hoffnungsvolles sehen könnte – dass es nicht nur den Rechtsextremen gelingt, viele Menschen zu mobilisieren. Wenn man sich die Fakten nicht ausdenken kann, ist es eben nur etwas schwerer. Oder wie Nikolaus Jackob sagt:
"Komplexität und Ambiguität zu vermitteln, ist ein hartes Geschäft – aber tägliches Brot von Journalismus."
Und damit zum…
Altpapierkorb (Reichelt, MDR-Sparpläne, Synthetische Inhalte, Italiens Mediensystem, New York Times)
+++ Das Oberlandesgericht Hamburg hat entschieden, dass der NDR die von Julian Reichelt geforderte Gegendarstellung zu einer Sendung über Vorwürfe des Machtmissbrauchs gegen ihn nicht ausstrahlen muss, berichtet der NDR. Das Gericht sieht die Sache so wie der Sender: Die geforderte Gegendarstellung entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen.
+++ Altpapier-Host MDR muss sparen, in der Beitragsperiode ab 2025 insgesamt 160 Millionen Euro (Altpapier). Die Frage ist, wie soll das gehen? Aurelie von Blazekovic berichtet auf der SZ-Medienseite über die interne Debatte beim Sender, in der es zum Beispiel um Investigativformate geht, die ausgedünnt werden sollen, wie hier schon zu lesen war. Für Kritik sorgt laut von Blazekovic etwa, "warum trotz des absehbaren Spardrucks Großprojekte wie die Übernahme des Mittagsmagazins durchgepeitscht wurden und jetzt Ressourcen binden, die woanders fehlen, zum Beispiel im Investigativen".Im MDR-Rundfunkrat fühle man sich zudem schlecht informiert. Den Inhalt eines von sechs Mitgliedern unterschriebenen Antrags fasst von Blazekovic so zusammen: "Seit mehr als zwanzig Jahren werde dauernd gespart. Was man heute eigentlich bräuchte, ist ein Zukunftsplan. Man habe sich auf inhaltliche Schwerpunkte im Regionalen und in den Bereichen Information, Dokumentation, Kultur festgelegt, im Programmschema fänden die sich aber nicht ausreichend wieder." Gerade bei den journalistischen Formaten dürfe es keinen Abbau geben.
+++ Martin Fehrensen und Simon Hurtz beschäftigen sich in der aktuellen Ausgabe des Social-Media-Watchblog-Newsletters mit der Frage, auf welche Weise synthetische Inhalte in Zukunft kenntlich gemacht und erkannt werden können, und wo die Schwierigkeiten liegen.
+++ Holger Klein spricht im "Übermedien"-Podcast "Holger ruft an" mit dem Journalisten, Podcaster und Italien-Experten Sebastian Heinrich über das öffentlich-rechtliche Mediensystem in Italien, die stärker als in Deutschland ausgeprägte Einflussnahme der Politik (neues Führungspersonal in den Sendern bei jedem Regierungswechsel), immer wieder versprochene, aber nie umgesetzte Reformen und über die Frage, ob man es im Fernsehprogramm merkt, dass in Italien eine ultra-rechte Regierung das Sagen hat. Spoiler: Ja, das merke man, sagt Heinrich.
+++ Zwischendurch auch mal gute Nachrichten aus der Zeitungswelt: Die "New York Times" gewinnt in mehrfacher Hinsicht. Zum einen hat sie in dieser Woche den Pulitzer-Preis für ihre "umfassende und aufschlussreiche Berichterstattung über den tödlichen Angriff der Hamas im Süden Israels am 7. Oktober" sowie für "die umfassende, tödliche Reaktion des israelischen Militärs" gewonnen, berichtet die taz. Zum anderen gewann sie im letzten Quartal 210.000 Digitalabos, wie die Zeitung selbst berichtet und machte einen Betriebsgewinn, der 40 Prozent über dem des Vorjahres lag.
Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende!
Das Altpapier am Montag schreibt René Martens.