Bulgariens Zar verklagt sein Land

07. September 2018, 13:24 Uhr

Zigtausende Bulgaren jubelten am 25. Mai 1996 an den Straßen der bulgarischen Hauptstadt Sofia ihrem aus fünfzigjährigem Exil heimkehrenden Zaren Simeon von Sachsen-Coburg und Gotha zu. "Wir wollen unseren Zaren", hatten manche auf ihre Transparente geschrieben. Tatsächlich sollte der 1946 als 9-jähriger Kinderzar aus der kommunistischen Volksrepublik Bulgarien vertriebene Simeon II. im Jahr 2001 als Ministerpräsident Simeon Sakskoburggotski die politische Macht im Land übernehmen. Sein Versprechen "Wählt mich und in 800 Tagen wird es Euch spürbar besser gehen", hielt er aus Sicht  vieler Bulgaren aber nicht. Deshalb wählten sie ihn nach vier Jahren wieder ab.

Der Zar will seine Besitztümer zurück

Von Sakskoburggotksis einstiger Popularität ist nicht viel übriggeblieben. Dass er den bulgarischen Staat vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg verklagt, kostet ihn nun die letzten Sympathien. Anlass des Verfahrens ist der seit zwei Jahrzehnten andauernde Streit zwischen der Zarenfamilie und dem bulgarischen Staat um das Eigentum an einst zaristischen Besitztümern wie Schlössern, Jagdhütten und 1.600 Hektar Wald im Rila-Gebirge. Bulgarische Gerichte hatten Sakskoburggotski und seiner Schwester Maria Louisa letztinstanzlich das Eigentum an den Residenzen Zarska Bistritsa, Sintjakovo und Kritschim bestritten. Nun hat das Stadtgericht Sofia kürzlich entschieden, auch das Schloss Vrana am Stadtrand Sofias  sei Eigentum des bulgarischen Staates. In ihm ist Sakskoburggotski geboren, und dort wohnt er auch, wenn er in Sofia ist. "Immer öfter frage ich mich, ob ich es verdient habe, dass sie mir mein Heim wegnehmen und mich dazu bringen, mein Land ein zweites Mal zu verlassen", kommentierte Sakskoburggotski den Sofioter Richterspruch verbittert. Auch frage er sich, inwieweit das Recht auf Eigentum eines jeden bulgarischen Bürgers und ausländischen Investors geschützt sei "vor solchen politisch diktierten Übergriffen".

Ein Schloss mit Springbrunnen davor
Schloss Vrana am Stadtrand der bulgarischen Haupstadt. Hier wohnt der Zar, wenn er in Sofia ist. Auch dieses Schloss will der Staat behalten. Bildrechte: Frank Stier

Das einstige Protegé macht Schwierigkeiten

Wie viele Bulgaren zweifelt Sakskoburggotski an der Unabhängigkeit der bulgarischen Justiz von der jeweils herrschenden Macht, dies wird aus seinen Worten deutlich. Eine Ironie der Geschichte liegt darin, dass die jetzige Regierung, die ihm das Eigentum an den Schlössern und Ländereien der Zarendynastie von Sachsen-Coburg und Gotha abstreitet, von jemandem geführt wird, den er selber erst als öffentliche Person installiert hat. 2001 hatte Sakskoburggotski als Ministerpräsident Boiko Borissov zum Hauptsekretär im Innenministerium ernannt. Ausgesprochen beliebt bei den Bulgaren, gewann er 2005 die Bürgermeisterwahl in Sofia. Im Juli 2009 wurde er Ministerpräsident seines Landes. In nunmehr dritter Amtszeit regiert Borissov das Balkanland fast ununterbrochen seit 2009. Doch vom Kabinett Borissov III hat Simeon II. weder Dankbarkeit noch Gefälligkeitsdienste zu erwarten. Man werde keine einvernehmliche Regelung mit dem Zaren anstreben, sondern beharre auf dem Staatseigentum an den strittigen Vermögenswerten, so die Position der Regierung.

Die Verwandlung des Zaren

Wenn in Sachsen die Wettiner ihr Meißner Porzellan wiederhaben wollten und die Welfen die Bundesrepublik Deutschland auf Herausgabe des sogenannten Welfenschatzes verklagen, so kann nicht verwundern, dass sich der mit beiden weitläufig verwandte Sakskoburggotski in Bulgarien ebenfalls um die einstigen Besitztümer seiner Familie bemüht. Dies allerdings war nicht immer der Fall. "Hegen Sie materielle Ansprüche gegen Bulgarien?", wurde er 1990 im ersten Interview für das bulgarische Fernsehen nach dem Sturz des kommunistischen Regimes gefragt: "Nein", antwortete Simeon II. kopfschüttelnd, "kategorisch nicht!". Doch nach seiner Rückkehr nach Bulgarien und auch während seiner Amtszeit als Regierungschef betrieb Sakskoburggotski die Restitution von Schlössern und Ländereien im Werte von Hunderten Millionen Dollar aktiv. Dies kostete ihn besonders die Sympathien der Bulgaren, die ihn einst in der Überzeugung gewählt hatten, "der Zar ist schon reich, der braucht uns nicht zu bestehlen". 

Zwei Jahrzehnte dauert das Hick-Hack um die zaristischen Besitztümer inzwischen. Zwar erklärte das bulgarische Verfassungsgericht 1998 das vom kommunistischen Regime 1946 erlassene Gesetz zur Enteignung der zaristischen Besitztümer für unrechtmäßig. Nach der Rechtsauffassung des bulgarischen Staates bedeutet dies aber keineswegs, dass die Schlösser und Güter persönliches Eigentum der Zarenfamilie sind und ihr rückübereignet werden müssen. Vielmehr habe die zaristische Intendanz das Eigentum an den Immobilien innegehabt, und die sei eine staatliche Institution gewesen. Die Gerichte sind zuletzt dieser Argumentation gefolgt, haben die Plädoyers von Sakskoburggotskis Rechtsvertretern abschlägig beschieden, wonach die Intendanz das persönliche Sekretariat des Zaren gewesen sei und die von ihr verwalteten Besitztümer damit persönliches Eigentum der Zarenfamilie.

Der Zar fährt schwere Geschütze auf

Sollte sich der Staat im Streit um die Immobilien des Zaren tatsächlich durchsetzen, werde dies im Ausland nicht unbemerkt bleiben, ließ Simeon Sakskoburggotski verlauten. Tatsächlich ist der Zar international gut vernetzt. Verwandte von ihm sitzen auf dem britischen und dem belgischen Königsthron und der letzte italienische König war sein Großvater. Sollte der Staat sein persönliches Eigentum antasten, warnt Sakskoburggotski, werde dies internationalen Unternehmen signalisieren, dass die Rechtssicherheit in Bulgarien nicht gewährt sei und Investitionen in dem Balkanland riskant.


Über dieses Thema berichtete MDR AKTUELL auch im: TV | 27.03.2017 | 19:30 Uhr