Karol Sacewicz, Leiter des IPN in Olsztyn
Karol Sacewicz leitet das polnische Institut für nationales Gedenken (IPN) in Olsztyn. Bildrechte: MDR/Elisabeth Lehmann

Sowjetdenkmäler in Polen: "Wir stellen auch kein Denkmal von Hitler auf" 

12. März 2018, 11:37 Uhr

Viele Menschen in Olsztyn dachten, sie seien ihren "Galgen" endlich los. So nennen sie das Sowjet-Denkmal zur "Befreiung der Erde von Ermland-Masuren", das mitten in der Stadt steht. Doch sie haben sich zu früh gefreut. 

Mitten in Olsztyn steht ein monumentales Denkmal, einst zum Dank an die Rote Armee errichtet. Karol Sacewicz kämpft seit Jahren dafür, dass es verschwindet. Das neue Gesetz, wonach sowjetische Denkmäler nun weichen sollen, kam dem Leiter der Zweigstelle des Instituts für Nationales Gedenken IPN in Olsztyn ganz recht. Endlich, dachte er, würden die Menschen das Monument los. Doch so einfach ist es nicht, denn es ist wohl das einzige sowjetische Denkmal in ganz Polen, das unter Denkmalschutz steht und somit bleiben darf, wo es ist.  

HEUTE IM OSTEN: Seit wann steht das "Denkmal zur Befreiung der Erde von Ermland-Masuren" unter Denkmalschutz? 

Karol Sacewicz: Seit einigen Jahren. Früher hieß es ja "Denkmal zum Dank an die Rote Armee" und das wurde irgendwann mal unter Denkmalschutz gestellt, zusammen mit dem Boden darunter. Und so ist es heute noch.  

Warum steht es denn unter Denkmalschutz?  

Ich muss zugeben, dass ich das nicht weiß. Als Historiker, als Fan der Geschichte, habe ich keine Gründe gefunden, die so ein Vorgehen rechtfertigen würden. Aber es steht nun mal unter Denkmalschutz, das ist rechtmäßig und so ist es jetzt eben.  

Aber finden Sie, es sollte unter Denkmalschutz stehen?   

Denkmäler mit Hammer und Sichel sind eigentlich verboten in Polen. Doch dieses Denkmal in Olsztyn steht sogar unter Denkmalschutz.
Denkmäler mit Hammer und Sichel sind eigentlich verboten in Polen. Doch das "Denkmal zur Befreiung der Erde von Ermland-Masuren" in Olsztyn steht unter Denkmalschutz. Bildrechte: MDR/Elisabeth Lehmann

Ich bin Historiker, der sich mit der Geschichte Polens seit dem Zweiten Weltkrieg, mit dem Schicksal der Polen und dieses Landstriches hier beschäftigt. Und ich denke, dass Elemente, die das Bewusstsein der Bürger Polens formen, mit Helden- oder Märtyrer-Gefühlen beziehungsweise Leistungen der Polen verbunden sein sollten. Und dieses Denkmal gehört da sicher nicht dazu. Es wurde aus anderen Gründen aufgestellt, ehrt die kommunistische Idee, ehrt die Rote Armee. Es entspricht einfach nicht den historischen Fakten.

So wie es keine polnischen Konzentrationslager gibt, hat die Rote Armee dieses Land nicht befreit. Sie hat Polen nicht zur Unabhängigkeit geführt. Dieses Gebiet hier wurde erbeutet. Auf einen Besatzer folgte de facto ein zweiter. Und vor diesem Hintergrund Denkmäler zu haben, die die kommunistischen, sowjetischen Machthaber ehren: das das ist in einem freien, demokratischen polnischen Staat nicht rechtmäßig, denke ich.  

Aber ist so ein Denkmal nicht auch ein Zeugnis der Geschichte? Jeden Tag gehen Menschen daran vorbei und denken: so etwas darf nicht wieder passieren. Also, warum es zerstören?  

Niemand spricht davon, es zu zerstören. Es geht darum, es an einen anderen Ort zu bringen. Es gibt verschiedene Ideen. Also, der richtige Ort für solche Denkmäler wäre zum Beispiel ein sowjetischer Friedhof, wo die Soldaten liegen, die gegen das Dritte Reich gekämpft haben. Oder man könnte eine Art Museumsobjekt daraus machen. Wer will, könnte es anschauen.

Die Menschen in Olsztyn nennen das Denkmal etwas abfällig „den Galgen“. Viele möchten, dass es aus der Innenstadt verschwindet. Doch so lange es unter Denkmalschutz steht, bleibt es, wo es ist.
Die Menschen in Olsztyn nennen das Denkmal etwas abfällig "den Galgen". Viele möchten, dass es aus der Innenstadt verschwindet. Doch so lange es unter Denkmalschutz steht, bleibt es, wo es ist. Bildrechte: MDR/Elisabeth Lehmann

Aber, um auf die Frage zu antworten: Hätte man einige Denkmäler von Adolf Hitler aufstellen sollen oder anderer Kriegsverbrecher, damit Leute daran vorbeigehen, es sich ansehen können und denken, so etwas darf nicht wieder geschehen? Ich denke, dass wir in der Lage sind, die Geschichte durch Museen und Exponate zu zeigen. Es ist nicht nötig, Elemente zu erhalten, die unter visuellen Gesichtspunkten hässlich sind. Und unter historischen Gesichtspunkten die Opfer dieses Systems verletzen.

Die Menschen in Olsztyn nennen das Denkmal den "Galgen". Wie ist das Verhältnis der Menschen zu diesem Denkmal? 

Vor zwei Jahren haben wir vom IPN in Olsztyn Flyer verteilt, die darüber informieren sollten, was es mit diesem Denkmal auf sich hat und dass es Inhalte enthält, die mit dem Strafgesetzbuch nicht konform sind. Denkmäler, die die Rote Armee mit entsprechenden Symbolen ehren, sind strafrechtlich verboten in Polen. Das gilt für den roten Stern genauso wie für Hammer und Sichel. Das Symbol befindet sich ja an dem Denkmal. 

Wir haben also diese Flyer verteilt, um die öffentliche Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken. Einige haben die Flyer genommen, uns Fragen gestellt, einige haben gesagt, das Denkmal erinnere sie an ihre Kindheit, denn so lange steht es schon. Viele hatten also keine historische, sondern eine sentimentale Bindung zu diesem Denkmal. Es gibt immer wieder Debatten über das Denkmal und die Meinungen driften weit auseinander. Stehenlassen, zerstören, versetzen. Aber solange es unter Denkmalschutz steht, können wir nichts machen.  

Über dieses Thema berichtet der MDR auch im TV: HEUTE IM OSTEN: Reportage | 17.03.2018 | 18:00 Uhr