Der russische Botschafter in Polen, Sergej Andrejew, sieht es als Beleidigung an, dass nun alle sowjetischen Denkmäler aus dem Straßenbild Polens verschwinden sollen.
Der russische Botschafter in Polen, Sergej Andrejew, sieht es als Beleidigung an, dass nun alle sowjetischen Denkmäler aus dem Straßenbild Polens verschwinden sollen. Bildrechte: MDR/Elisabeth Lehmann

Polens Gesetz gegen Sowjetdenkmäler: "Eine Beleidigung für unser Volk"

12. März 2018, 10:50 Uhr

Das polnische Gesetz, wonach alle sowjetischen Denkmäler und Straßennamen verschwinden müssen, ärgert die Russen. Polen setze damit auf Konfrontation statt auf Kompromiss, findet der russische Botschafter in Polen.   

Im Januar hat eine Protestaktion das russische Außenministerium in Rage versetzt. Ein Bürger von Olsztyn hat am sowjetischen Denkmal "Zur Befreiung der Erde von Ermland-Masuren" ein Banner aufgehängt. Zu sehen war ein Soldat der Roten Armee, der eine Polin gefangen hält. Die Aufschrift "Zum Dank für die Unterdrückung".

Das Gesicht des Soldaten erinnerte stark an den russischen Präsidenten Putin. Eine unverschämte Aktion, findet der russische Botschafter in Polen, Sergej Andrejew. Aber beispielhaft für die polnisch-russischen Beziehungen im Moment, die nie schlechter gewesen seien nach dem Zweiten Weltkrieg.  

Heute im Osten: Herr Botschafter, was halten Sie von solchen Aktionen wie der in Olsztyn?  

Sergej Andrejew: Olsztyn ist eine Stadt, die früher Allenstein hieß. Sie befindet sich auf dem Territorium des früheren Ostpreußens. Sie wurde zu einer polnischen Stadt dank der sowjetischen Soldaten, die während der Befreiung Polens starben, damals Ostpreußen. Polen existiert heute als Nationalstaat dank des Sieges der Roten Armee über Hitlerdeutschland. Dank des Todes von 600.000 Soldaten und Offizieren, die während der Befreiung gestorben sind.

Auf dem Gebiet Polens starben außerdem noch etwa eine Million sowjetische Kriegsgefangene, die in Hitlers Todeslagern festgehalten wurden. Sie sind hier gestorben und wurden auch auf polnischem Gebiet begraben. Solche Aktionen sind also für uns schlicht und einfach Geschichtsblasphemie, die schwerste Beleidigung, die man unserem Volk antun kann.  

Es gab eine harsche Reaktion aus dem russischen Außenministerium. Es hieß, das Denkmal wurde geschändet. Aber eigentlich ist ja nichts passiert. Das Banner wurde wieder entfernt. Was beunruhigt Sie so?  

Es beunruhigt uns nicht nur, es empört jeden normalen Einwohner Russlands, der seine Geschichte kennt. In Polen wurden Änderungen an dem sogenannten Dekommunisierungsgesetz vorgenommen, einem Gesetz, das Propaganda für totalitäre Regime verbietet, laut dem bis zum 31. März alle Objekte aus dem öffentlichen Raum in Polen verschwinden müssen, die Propaganda für den Kommunismus machen.

Darunter fallen auch die Denkmäler für die sowjetischen Kriegsbefreier. Wir haben unseren polnischen Partnern nicht nur einmal gesagt, dass Denkmäler für die sowjetischen Befreier nichts mit Propaganda für den Kommunismus zu tun haben. Sie sind zu Ehren dieser 600.000 aufgestellt worden, dank denen Polen heute überhaupt existiert.

Das ist eine deutliche Verletzung unserer bilateralen Abkommen. 1992 und 1994 haben sich die Regierungen der beiden Länder verpflichtet, Gedenkorte für sowjetische und russische Opfer des Krieges und der Repression auf polnischem Territorium zu bewahren, zu schützen und zu pflegen. Und das gilt auch für Gedenkorte für polnische Opfer auf dem Territorium Russlands.

Bis 2014 hatte die polnische Seite keinerlei Zweifel daran, was unter diese Vereinbarung fällt. Denn jedes Mal, wenn wir die polnische Seite bis dahin darum gebeten haben, die Schuldigen einer Schändung und Beschädigung eines Denkmals zu finden und das Denkmal wiederherzurichten, gab es nie Zweifel von polnischer Seite.  

An das Denkmal zur Befreiung der Erde von Ermland-Masuren wird ein Banner angebracht mit der Aufschrift: "Zum Dank für die Unterdrückung"
Plakat des Anstoßes. Am sowjetischen "Denkmal zur Befreiung der Erde von Ermland-Masuren" haben polnische Aktivisten ein Banner angebracht. Darauf: "Zum Dank für die Unterdrückung". Bildrechte: Adam Schulz

Was hat sich denn nach 2014 verändert? 

2014 haben sich unsere Beziehungen vor dem Hintergrund der Ukraine-Krise stark verschlechtert. Die polnische Regierung hat dann die neue Theorie aufgestellt, dass diese Vereinbarungen sich nur auf den Erhalt der Gedenkorte beziehen.

Menschen, die sowjetische Denkmäler schänden, werden seitdem nicht mehr zur Verantwortung gezogen. Diese Theorie hat keine Grundlage, sondern ist rein politischer Natur. Und so eine politische Handlung, so eine Provokation ist eine Beleidigung für unsere Gesellschaft.  

Wenn Russland der Meinung ist, Polen bricht Verträge, warum unternimmt Moskau denn dann nichts dagegen? 

Das Einzige, was wir in dieser Angelegenheit tun können, ist der polnischen Seite unseren Protest auszudrücken, was wir im Rahmen unserer bilateralen Kontakte und auch öffentlich ständig tun. Und auch auf internationaler Ebene, bei der UN und der OSZE sind wir mehrfach aufgetreten. Und nicht nur wir, sondern auch andere Länder der früheren Sowjetunion, vor allem die, deren Einwohner hier gestorben sind: Aserbaidschan, Armenien, Belarus, Kasachstan.

Aber andere Möglichkeiten haben wir nicht. Wir versuchen, an das Gewissen zu appellieren, an den Anstand unserer polnischen Partner, nicht nur der Machthaber, sondern auch der Gesellschaft. Bisher erkennen wir die erhoffte Resonanz darauf leider nicht. 

Wie bewerten Sie generell die polnisch-russischen Beziehungen im Moment?  

Im Moment sind unsere bilateralen Beziehungen im schlechtesten Zustand seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Das ist der Wille der polnischen Machthaber. 2014 hat die polnische Seite unsere Beziehungen harsch beschnitten, sie haben den politischen Dialog eingefroren, haben sich stark für Sanktionen gegen Russland eingesetzt, haben den Umfang der kulturellen Verbindungen beschränkt.

Tja, und diese Linie setzt sich fort seit 2014 bis heute mit immer neuen Maßnahmen. Wir sehen darin einfach einen Ausdruck des politischen Unwillens der polnischen Seite, normale Beziehungen mit Russland aufbauen zu wollen. Sie wählen lieber die Konfrontation.  

Zur Person Sergej Andrejew ist 1958 geboren und hat in Moskau internationale Beziehungen studiert. Seit 1980 ist er für Russland im diplomatischen Dienst. Er war unter anderem Botschafter in Angola und Norwegen. Seit 2014 vertritt er die Russische Föderation in Polen.

Über dieses Thema berichtet der MDR auch im TV: HEUTE IM OSTEN: Reportage | 17.03.2018 | 18:00 Uhr