Volksabstimmung Rumänen stimmen über "Bund fürs Leben" ab

05. Oktober 2018, 19:05 Uhr

Während Deutschland seit einem Jahr die Ehe für alle hat, soll sie in Rumänien langfristig untersagt bleiben. Die Entscheidung darüber fällt am Wochenende in einer Volksabstimmung. Fest steht schon jetzt: Es wird ein deutliches Votum für einen strikteren Ehebegriff geben. Unklar aber ist, ob sich genügend Wähler am Referendum beteiligen wird

Rund 19 Millionen Rumänien sollen am Wochenende in einem Referendum darüber abstimmen, ob die "Ehe für alle" in ihrem Land langfristig untersagt bleiben soll. Konkret geht es um die Änderung des Ehebegriffs in der rumänischen Verfassung. Der ist derzeit geschlechtsneutral zwischen "Eheleuten" definiert, künftig soll der Bund ausschließlich zwischen "Mann und Frau" geschlossen werden.

Treibende Kraft beim Referendum ist das religiöse Bürgerbündnis "Koalition für die Familie", das von rechts-konservativen Intellektuellen angeführt wird: Theologen, Anwälten, Medizinern. Es sammelte vor zwei Jahren rund drei Millionen Unterschriften, um die Volksabstimmung einzufordern. Parlament und Verfassungsgericht des Landes gaben im vergangenen Monat ihre Zustimmung für die umstrittene Aktion, die de facto nicht nur die Homo-Ehe untersagen, sondern auch Alleinerziehenden den Status einer Familie absprechen wird.

"Ehe für alle" ist schon im Zivilrecht untersagt

Zivile Rechte haben gleichgeschlechtliche Paare schon jetzt so gut wie keine in Rumänien. Im Bürgerlichen Gesetzbuch ist die Homo-Ehe bereits ausdrücklich verboten, die Form der Eingetragenen Partnerschaft gibt es nicht. Neben Bulgarien, Polen, der Slowakei, Litauen und Lettland ist Rumänien damit eines der sechs - ausschließlich osteuropäischen - EU-Länder, die beide Möglichkeiten ausschließen.

Wozu dann also noch ein weiteres Verbot der Homo-Ehe in der Verfassung verankern? Kritiker des Referendums meinen, dass die Abstimmung deshalb völlig überflüssig sei. Die Befürworter der Aktion sehen das ganz anders. Sie argumentieren, dass das Zivilrecht vom Parlament jederzeit leicht modifiziert werden könne, anders als ein in der Verfassung verankertes Verbot. Das könne nur mit Zustimmung des Volkes wieder abgeändert werden.

Lautstarke Unterstützung von Kirche

Tatkräftig unterstützt werden die rechts-konservativen Organisatoren des Referendums von der Rumänisch-Orthodoxen Kirche, die ihre Gläubigen wiederholt zu einer regen Beteiligung aufrief. Besonders deutlich wurde dabei der orthodoxe Metropolit von Siebenbürgen, Laurentius Streza. Er warnte, seien Homosexuelle erst einmal verheiratet, "werden sie uns unsere Kinder wegnehmen, weil sie selbst keine bekommen können". Zugleich versprach er, dass die Priester seiner Kirchenprovinz nach dem Gottesdienst am Sonntag die gesamte Gemeinde zur Abstimmung geleiten würden.

Lobbyarbeit aus Amerika

Doch hinter dem Referendum stecken offenbar nicht nur einheimische Akteure. Vor Tagen schrieb die US-amerikanische Menschenrechtsorganisation "Southern Poverty Law Center" (SPLC) in einem Bericht, dass die rumänischen Gegner einer Homo-Ehe seit langem Unterstützung von vier einflussreichen US-amerikanischen protestantischen Bewegungen bekämen, darunter vom "Weltkongress der Familien", der seit Jahren auch gegen Verhütungsmittel und Abtreibung wettert. Ohne die starke Lobbyarbeit dieser Gruppen – ob im Internet, in Politikkreisen oder beim rumänischen Verfassungsgericht - wäre eine Volksabstimmung in Rumänien gar nicht möglich gewesen, heißt es in dem SPLC-Bericht.

Langfristiges Ziel der US-amerikanischen Lobbyisten sei es, "Druck auf den liberalen und für sie so dekadenten Westen auszuüben und Rumänien auf die Seite der illiberalen Demokratien zu ziehen", meint der rumänische Politikwissenschaftler Cristian Pirvulescu auf MDR-Anfrage. Die aus Amerika importierte Idee eines expliziten Homo-Ehen-Verbots treffe in Rumänien auf fruchtbaren Boden, so Pirvulescu.

Sexuelle Aufklärung unerwünscht

Im osteuropäischen Land fühlt sich ein Großteil der Schwulen und Lesben bis heute sozial isoliert. Immer wieder werden sie als krank oder pervers diffamiert und beschuldigt, die fundamentalen christlichen Werte des rumänischen Volkes zu zerstören. Für die Rumänisch-Orthodoxe Kirche, die breiten Rückhalt in der Bevölkerung genießt, ist die Homosexualität eine Sünde, zu der die Betroffenen verführt worden seien. Viele Priester versprechen, sie könnten Homosexuelle "durch Beichten und Beten wieder auf den richtigen Weg zu bringen". Eine sexuelle Aufklärung beispielsweise an den Schulen des Landes ist den Geistlichen ein Dorn im Auge, weil sie die Dogmen der Kirche in Frage stellen würde.

Dragnea warnt vor Ehe zwischen Mensch und Tier

Doch nicht nur die Kirche, sondern auch zahlreiche ranghohe Politiker werben dieser Tage offensiv für das Referendum, allen voran der Chef der regierenden Sozialdemokraten und Strippenzieher der sozial-liberalen Regierung, Liviu Dragnea. Wie kein anderer Politiker spaltet er das Land in zwei unversöhnliche Lager - mit Hilfe quotenstarker, regierungstreuer Fernsehsender, wo er unverfroren Falschmeldungen in die Welt setzen kann. Über die anstehende Abstimmung sagte der 55-Jährige kürzlich, viele Rumänen hätten einfach Angst, dass in ihrem Land das passieren könnte, was in anderen Ländern passiere, wo beispielsweise die Ehe zwischen Mensch und Tier legalisiert worden sei. Ein Teil der Rumänen glaubt solch unsinnigen Behauptungen sogar.

Beim Wähler punkten wollen

Dragneas Kritiker aber werfen dem Parteichef der Sozialdemokraten vor, mit der Volksabstimmung von den wirklichen Problemen ablenken zu wollen: von der grassierenden Korruption, von zahlreichen inkompetenten Regierungsentscheidungen, von Dragneas besessenem Vorhaben, einem eigenen Amtsmissbrauchsprozess zu entkommen. In den Wählerumfragen liegt seine Partei weiterhin vorn, doch verliert sie von Monat zu Monat deutlich an Zustimmung. Das soll sich mit dem Referendum jetzt wieder ändern.

Gegner rufen zum Boykott des Referendums auf

Ob diese Rechnung aber aufgehen wird, ist völlig offen. Denn die Initiatoren und Unterstützer des Referendums bekommen starken Gegenwind. Die Organisationen "Accept" und "MozaiQ", die in Rumänien Schwule und Lesben vertreten, warnten dieser Tage eindringlich vor einem falschen Demokratieverständnis, bei dem man meine, dass die Rechte von Minderheiten per Volksbefragung ausgehandelt werden könnten.

Bei weiten Teilen der rumänischen Zivilgesellschaft stoßen sie damit auf offene Ohren. Zuletzt warben prominente Künstler und Intellektuelle für einen Boykott des Volksentscheids, der unter einer Beteiligungsschwelle von 30 Prozent als gescheitert gilt. Auch die sozial-liberale Regierung scheint hier Zweifel zu haben, ob das nötige Quorum überhaupt erreicht wird. Sie hat mit einer Sonderregelung die Abstimmung deshalb lieber auf zwei Tage angesetzt.

Über dieses Thema berichtete MDR AKTUELL auch im: Radio | 06.10.2018 | 17:45 Uhr

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Geschichte

Eduard Stapel
Eduard Stapel war einer der Begründer des ersten Arbeitskreises Homosexualität in Leipzig 1982. In den folgenden Jahren setzte er sich DDR-weit für weitere solche Arbeitsgruppe ein und koordinierte die Homosexuellenbewegung des Ostens. Er ist Mitbegründer des heutigen LSVD. Bildrechte: MDR/Hoferichter & Jacobs