Lothar Seruset vor Holz- und Linolschnitten, Bilder (Synagogen und Moscheen: u.a. Alte Synagoge Ulm, Gedächtniskirche Berlin)
Die Holz- und Linolschnitte von Lothar Seruset zeigen u.a. die Alte Synagoge Ulm oder die Gedächtniskirche Berlin. Bis zum 28. Juni 2023 sind seine Werke in der Kunsthalle Arnstadt zu sehen. Bildrechte: Sylvia Martens

"Nie hätte ich gedacht" Eine Welt in Unordnung: Kunsthalle Arnstadt zeigt Werke von Lothar Seruset

05. Juni 2023, 11:51 Uhr

Seine hölzernen und bronzenen Skulpturen stehen an prominenter Stelle: Sie zieren etwa den Münchner Flughafen oder stehen im Brandenburger Landtag. Und seit dem 4. Juni zieren 50 von Lothar Serusets Werken die 300 Quadratmeter große Kunsthalle in Arnstadt in der Angelhäuser Straße 1. Am Samstagabend wurde die Ausstellung "Nie hätte ich gedacht" feierlich eröffnet. Sie bietet den Besuchenden Witz, Provokation, Schmunzeln und vor allem Staunen.

Lothar Serusets zeitgenössische Arbeiten fallen auf: Er stapelt Figuren als Menschen, Tiere oder Gebäude glatt zu vertikalen Säulen. Manche der bunt bemalten Holzfiguren gießt der Bildhauer, geboren 1956 in Ulm, später in Bronze. Der heutige Wahlbrandenburger, der in der Nähe von Neuruppin lebt, ist einer, der genauer hinsieht: Er setzt den Menschen in Beziehung zu seiner Schöpfung, der Welt, dem gesamten Leben. Seruset zeigt auf, was uns trägt und was wir tragen.

Kunstwerke thematisieren 9/11 oder den Holocaust

Was das genau ist und wie er das versteht, erklärt er selbst: "Der Mensch ist nur zu Gast auf dieser Erde und wächst auf mit der Verantwortung für sein Tun – in einem Spannungsfeld etwa der Religionen. Daraus leite ich meine Fragen ab – philosophische, politische und mehr." Seruset weiter: "Die Welt ist augenscheinlich in Unordnung, es herrscht eine Verunsicherung. Aus diesem Bild für das abgebildete Zeitgeschehen, das die Menschen überall betrifft, schaffe ich meine Werke."

So beschäftigt er sich mit Themen wie 9/11, dem Holocaust, der Reichspogromnacht, den monotheistischen Religionen und ihren unterschiedlichen Wertevorstellungen. Oder damit, wie abhängig sich der Mensch von Technik macht – im Gegensatz zu den Tieren. Das zeigt er in seinem Werk "Meine Freunde", eine Skulptur mit einem Gorilla auf dessen Rücken Menschenfiguren sich in Stromdrähten verfangen.

Skulptur "Meine Freunde": ein kleiner Mensch ist von Kabeln umschlungen und hantiert damit auf dem Rücken eines Gorillas
Die Skulptur "Meine Freunde" zeigt den Mensch im Kontrast zum Tier. Bildrechte: Sylvia Martens

Eine Ausstellung auch für Kinder

Sybille Suchy, seit zwei Jahren Leiterin der Arnstädter Kunsthalle, ist überglücklich und begeistert: "Lothar Seruset ist ein Hochkaräter seines Fachs. Er stellt fundamentale Fragen wie 'Wer sind wir?', 'Was machen wir?' und 'Was ertragen wir?' Es geht etwa um Krieg und Zerstörung – und die entscheidende Frage: Warum tun wir uns das alles an?" Es ginge darum, wie wir uns als Menschen verorten. Deshalb sei die Ausstellung auch wertvoll für Schulklassen – immerhin ginge es um Ethik, Religion und Kunst. Dennoch, so betont sie, enthielten Serusets Skulpturen und Druckgrafiken trotz ihrer Ernsthaftigkeit auch viel Witz und Humor.

Die ganze Welt ist Politik

Seine Werke begeistern und provozieren unter den Betrachtenden – die Besucherinnen und Besucher zur gestrigen Vernissage in Arnstadt schmunzelten und staunten über die Klarheit der gut einen Meter hohen Skulpturen, betrachteten lange die überdimensionalen Grafiken, wie etwa das siebenteilige "Jerusalem".

Skulptur 7-teilig "Jerusalem": mehrere aufeinandergestapelte Figuren
Die siebenteilige Skulptur "Jerusalem" (auch: JER-USA-LEM) ist eine Mischung aus Keramik, Holz und Linol-Holzschnitt und entstand 2017 bis 2020. Bildrechte: Sylvia Martens

Hierarchisch wirkten die Bildnisse irgendwie, heißt es. Man müsse sich ausreichend Zeit nehmen, um alles auf sich wirken lassen zu können und zu verstehen. Dabei entdecken die aufmerksamen Betrachterinnen und Betrachter am Schluss: Die ganze Welt sei Politik irgendwie. Besondere Aussagekraft hätten die mächtigen Linolschnitte, urteilten andere Besuchende. Sie haben etwa die Gedächtniskirche Berlin zum Inhalt. Die Arnstädter Ausstellung mit den Werken Lothar Serusets kann noch bis Ende Juli besucht werden.

Mehr Informationen "Nie hätte ich gedacht..."
Skulpturen und Druckgrafik von Lothar Seruset
4. Juni bis 28. Juli 2023

Kunsthalle Arnstadt
Galerie für zeitgenössische Kunst
Angelhäuser Str, 1, 99310 Arnstadt

Öffnungszeiten:
Dientag bis Freitag von 14 bis 18 Uhr
Sonntag nach Vereinbarung

Redaktionelle Bearbeitung: Anneke Selle

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | 04. Juni 2023 | 19:00 Uhr