Mehrere Menschen sitzen in einer Reihe vor einer gelben Stellwand, auf der MDR KULTUR steht.
Auf dem Podium der Kulturpartnerkonferenz mit Mareike Mikat, Juan Garcia, Yara Hoffmann, Kirsten Haß und Jana Cebulla (v.l.n.r.) wurde über neues Zielpublikum diskutiert. Bildrechte: Uwe Oertel/MDR

Kultur und Medien MDR Kulturpartnerkonferenz in Weimar: Neue Formen für neues Publikum

13. November 2023, 14:16 Uhr

Sichtbar sein, Interesse wecken und Publikum gewinnen – ob im Theater, bei Festivals oder im Filmgeschäft, alle eint die Frage: Wie werden wir wahrgenommen und was müssen wir ändern, um künftig erfolgreich zu bleiben? Denn eines ist klar: Die Konsum- und Sehgewohnheiten des Publikums ändern sich nicht nur im medialen Bereich, sondern auch in der Kultur. Bei der Kulturpartnerkonferenz, die am 10. November 2023 in Weimar stattgefunden hat, wurde auch diskutiert: Welche Formate, Ideen und Wege sind nötig oder möglich, damit Kultur auch künftig Menschen erreicht?

"Wir müssen jetzt eine Schippe mehr drauflegen, um unser Publikum zu erreichen!", sagt Jana Cebulla, Leiterin der Redaktion Kultur und Jugend beim Mitteldeutschen Rundfunk. – Diese Erkenntnis, so der Tenor der Kulturpartnerkonferenz, verbindet Kulturschaffende und Berichtende gleichermaßen. Wer heute ein Festival stemmt, einen Theaterspielplan mit langem Vorlauf entwirft, Konzertprogramme entwickelt, der möchte wissen: Kommt das eigentlich beim Publikum an? Und wenn ja: Wer ist das Publikum?

So viel steht fest: Die Menschen konsumieren anders: digitaler, unabhängiger und vielleicht auch zielgerichteter. Vor allem die junge Generation nutzt eher unkonventionelle Formate, ist in der digitalen Welt zu Hause und kaum noch für konventionelle Medien- oder Kulturformate zu begeistern. Wie sieht also die Transformation aus? Was bleibt? Was ändert sich? Theatermacherinnen, Festivalleiter, Kulturschaffende aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen debattierten am Wochenende die Frage: "Wie werden wir gesehen?"

Hinter die Kulturereignisse schauen

"Für uns ist es wichtig, den Blick hin zu den Menschen im Alltag zu lenken", so Mareike Mikat, Theaterwissenschaftlerin und Co-Intendantin bei den Bühnen Halle. Es sei für sie zentral, das Augenmerk der Kultur mehr in diese Richtung zu bewegen "und zu schauen, was sind denn überhaupt die Lebensrealitäten dieser aktuellen Gesellschaft und wie werden die Menschen täglich mit neuen Aufgaben konfrontiert."

Blick über das Publikum auf ein Podium, auf dem mehrere Personen sitzen.
In Weimar kamen Kultur- und Medienschaffende zusammen, um über neues Publikum und Formate zu sprechen. Bildrechte: Uwe Oertel/MDR

An vielen Orten der Kultur wird über neue Formen diskutiert: mehr Partizipation, weg von der versteiften Hochkultur – hin zu einer Kultur, die weniger Hochglanz haben dürfe, so Professor Juan Garcia von der Hochschule für Musik "Franz Liszt" in Weimar: Er glaubt, "dass man bei den Kleinsten in den Schulklassen anfangen muss", wenn es darum gehe, sich auszuprobieren, am Handy oder Tablet Musik zu entwickeln, etwas zu performen, was aus dem inneren, kreativen Impuls kommt. Schön wäre es seiner Meinung nach, "wenn die Menschen 'hinter der Kultur' noch sichtbarer würden", ebenso wie die Prozesse, die Proben und das Mühen um Qualität.

Ich wünsche mir einen höheren Fokus auf den Schaffensprozess, ein prozessorientiertes Berichten und gar nicht so produktorientiert. Dieser Hochglanz am Ende setzt alle unter Druck.

Juan Garcia, Vizepräsident für Praxis und Forschung an der Hochschule für Musik Weimar

Was ihn begeistert, sind Chöre – mitten in der Stadt oder auch mal im Stadion: "weil ich davon ausgehe, dass Chorgesänge in einem Fußballstadion genauso erhebend sein können wie eine Bachkantate."

Mehr Vielfalt vor und hinter der Bühne

Er verstehe sich, so Garcia, als Ausbilder junger Menschen, die später eine "Verteiler-Funktion" übernähmen. Musik habe schließlich eine "heilsame Wirkung", ein Rolle, die im besten Fall nach Verbindungen sucht, um Abgrenzungen zu vermeiden. Allein sein Arbeitsplatz, die Musikhochschule Weimar, sei ein Schmelztiegel vieler Kulturen und Nationalitäten: "Beim Musik machen haben wir alle das gleiche Ziel."

Auch viele Theater überlegen derzeit, was sie ändern müssen, um den Spielplan attraktiv zu gestalten und die Auslastung hochzuhalten. "Wir sind  auch gerade in der Neufindung", formuliert es Mareike Mikat für das neue theater und das Thalia Theater in Halle. Man begebe sich wieder in den Dialog rund um die Bedürfnisse des Publikums, "inhaltlich und zeitlich", betonte die Co-Intendantin. Schön wäre, wenn man mit seinem Programm mehr Austausch und das Interesse von Familien wecken könnte.

Mein Traum ist, dass drei Generationen in das Theater gehen, danach diskutieren, was sie gesehen haben und dabei etwas über sich erfahren.

Mareike Mikat, Co-Intendantin neues theater und Thalia Theater Halle

Neue Themen und Formen

Doch wie kommen künftig Kultur, mediale Angebote und Publikum zusammen? Mareike Mikat und ihr Team wollen sich vermehrt auf junges Publikum einstellen, mit anderen Sehgewohnheiten und neuer Technik, vielleicht mit "Minecraft" eine Geschichte erzählen. "Nur wenn ich mich zum Fan dieser Autoren mache, dieser Generation, dann kann ich sie abholen", ist Mikat überzeugt. "Nur wenn ich sage: Jetzt seid ihr die Experten."

Eine Frau steht an einem Pult. Hinter ihr wird auf eine Wand MDR KULTUR-Partner-Konferenz projiziert.
Einer der Impulsvorträge wurde bei der Kulturpartnerkonferenz in Weimar von Kirsten Haß gehalten. Bildrechte: Uwe Oertel/MDR

Vieles wird sich ändern, ob im Konsum der medialen oder der kulturellen Angebote – da sind sich Medien- wie Kulturschaffende einig. Auch Kirsten Haß von der Kulturstiftung des Bundes weiß, das Fördern von Kulturprojekten muss sich ebenfalls den neuen Bedürfnissen anpassen. Man habe Einfluss als Förderer, aber auch Verantwortung. "Teilhabe aller" sei wichtig, ebenso die Heterogenität in den Teams, in Leitungspositionen, um ein breites Publikum zu erreichen. Das Personal in den Strukturen müsse ebenfalls anders zusammengesetzt sein, "als wir das in den vergangenen 30 Jahren gedacht und gelebt haben."

Redaktionelle Bearbeitung: tsa

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Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR am Morgen | 13. November 2023 | 07:40 Uhr

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