Junge schalfend im Bett mit Fieberthermometer.
Kinderärzte drängen dazu, die Herstellung von Medikamenten in Deutschland stärker zu fördern. Bildrechte: Colourbox.de

Gesundheitsversorgung Fieber- und Schmerzmittel: Kinderärzte warnen vor Medikamentenmangel

29. April 2023, 18:05 Uhr

Medikamente für Kinder könnten im Herbst und Winter noch knapper werden als zuletzt. In Deutschland und anderen Ländern richten Kinderärzte dringende Appelle an die jeweiligen Gesundheitsminister. Krankenkassen sprechen von einem "erschütterten" Vertrauen in die Pharmabranche.

Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte hat vor einem zunehmenden Mangel an Medikamenten für Kinder gewarnt. Präsident Thomas Fischbach sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung", man behandele schon jetzt fernab der Leitlinien. Man werde wieder in eine Versorgungsnot geraten, die noch schlimmer werden könnte als zuletzt. Es fehle an Fieber- und Schmerzmedikamenten in kindgerechter Darreichungsform. Auch Penicillin gebe es derzeit nicht, sagte Fischbach.

Wir behandeln schon jetzt fernab der Leitlinien, und der nächste Herbst steht vor der Tür.

Thomas Fischbach in der "Neuen Osnabrücker Zeitung"

In einem offenen Brief von Kinderärzten aus Deutschland, Frankreich, Südtirol, Österreich und der Schweiz an die Gesundheitsminister der Länder heißt es, die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen werde durch den Medikamentenmangel nachhaltig gefährdet. "Noch vor wenigen Jahren war dieses Szenario eines Versorgungsmangels in unseren Ländern nicht einmal ansatzweise vorstellbar." Die politisch Verantwortlichen werden dazu aufgefordert, die Situation umgehend zu lösen. Zudem appellieren die Unterzeichner des Aufrufs, eine "ausreichende Produktion und Bevorratung wichtiger Arzneimittel der pädiatrischen Grundversorgung in Europa sicherzustellen".

Lauterbach zeigt Verständnis für Sorgen

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach äußerte auf Twitter Verständnis für die Sorgen. Zugleich verwies der SPD-Politiker auf ein vom Kabinett beschlossenes Gesetz, das helfen soll, die Lieferengpässe zu beheben. Das Parlament berate schon über den Entwurf.

Anfang April sollten eigentlich die in der Corona-Pandemie beschlossenen Sonderregeln zur Arzneimittelversorgung wegfallen. Doch wegen anhaltender Engpässe haben Apothekenverbände gefordert, die Maßnahmen beizubehalten.

Krankenkassen: Vertrauen in Pharmabranche ist erschüttert

Nach den Kinderärzten äußern sich auch die Krankenkassen besorgt über den Mangel an Medikamenten. Dabei kritisierte der Sprecher des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenkassen, Florian Lanz, die Pharmaindustrie.

Lanz sagte, die Nicht-Lieferung bestimmter Arzneimittel sei ein europaweites Problem. Es habe Vertrauen in die Pharmaindustrie gegeben, dass sie im Zweifel die Versorgung der Patienten sicherstelle. Dieses Vertrauen sei mittlerweile erschüttert.

Die Stiftung Patientenschutz verwies zudem darauf, dass nicht nur Kinder betroffen seien. "Überall leiden chronisch kranke Menschen an der schleppenden Versorgung mit Basis-Medikamenten, Blutfettsenker, Blutdruckmittel", sagte Stiftungsvorstand Eugen Brysch. Die bisherigen nationalen und europäischen Maßnahmen reichten nicht aus, um die Patientenversorgung sicherzustellen.

epd, dpa, AFP (rnm)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 29. April 2023 | 12:00 Uhr

2 Kommentare

ewdschulze am 29.04.2023

Ich kann nicht begreifen, warum Deutschland, das einst das Pharmaland schlechthin war (selbst Heroin wurde hier erfunden), nicht in der Lage sein soll, sämtliche hier benötigten Medikamente hier zu produzieren. Da es sich ohnehin um vollautomatisierte Produktionen handelt, dürften auch Personalkosten keine Rolle spielen.

Ilse am 30.04.2023

ewdschulze

Weil hier seit gefühlten Ewigkeiten immer die falschen Leute in falsche Positionen kommen -frei interpretiert nach dem Peter-Prinzip.

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