Eine dreiköpfige Familie aus Niedersachsen ist während ihres Tagesausflugs am Strand von Dangast angekommen.
Raus aus der Stadt an die frische Luft und einfach mal etwas anderes sehen. Das haben nach Aussagen der Herbergen viele Familien an der Corona-Auszeit geschätzt. Bildrechte: picture alliance/dpa | Mohssen Assanimoghaddam

Wege aus der Pandemie 20.000 Familien haben Corona-Auszeit genutzt

20. Dezember 2022, 12:34 Uhr

Die Corona-Pandemie traf vor allem Kinder und Jugendliche hart - insbesondere, wenn sie keine wohlhabenden Eltern mit großen Wohnungen und Ferienhäusern haben. Abschottung, Isolation von den Freunden, Homeschooling, keine Kita, Bewegungsarmut und die ständige Angst vor einem Virus, dessen Folgen gerade am Anfang schwer abzuschätzen waren. Nach Corona sollten Kinder und Jugendliche aufholen, so der Wille der Bundesregierung. Eine Maßnahme: die "Corona-Auszeit für Familien". Was wurde daraus?

Carolin Voigt, Reporterin, Redakteurin und Sprecherin
Bildrechte: MDR/Karsten Möbius

Bis Ende August 2022 haben rund 20.000 Familien die sogenannte Corona-Auszeit für Familien in Anspruch genommen. Das teilte das federführende Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) auf Anfrage von MDR AKTUELL mit. Rund 900 Familien verbrachten den Angaben zufolge ihre "Corona-Auszeit" in Sachsen, rund 500 Familien in Sachsen-Anhalt und rund 1.500 Familien in Thüringen.

Für das Programm "Corona-Auszeit für Familien - Familienfreizeiten erleichtern" hatte der Bund 50 Millionen Euro für die Jahre 2021 und 2022 eingeplant. Davon wurden nach Angaben des Familienministeriums rund 38 Millionen Euro bewilligt. "In welcher Höhe die Mittel tatsächlich auch in Anspruch genommen werden, kann zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht abschließend beziffert werden", erklärt eine Ministeriumssprecherin MDR AKTUELL. Für die Differenz gebe es verschiedene Gründe, etwa coronabedingte Nichtanreisen oder eine begrenzte Zahl an Einrichtungen, die die Fördergrundsätze erfüllen.

Die Familienauszeit läuft Ende Dezember 2022 aus und war Teil des Aktionsprogramms "Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche", das insgesamt zwei Milliarden Euro umfasste. Ziel war es, Kinder und Jugendliche auf dem Weg zurück in ein unbeschwerteres Aufwachsen zu begleiten und sie beim Aufholen von Lernrückständen zu unterstützen. Die Familienferienzeiten sollten es vor allem einkommensschwachen Familien ermöglichen, günstig Ferien machen zu können.

Herbergen berichten von überwiegend positiven Erfahrungen

Und das stieß auf große Resonanz, wie eine kleine Umfrage von MDR AKTUELL unter teilnehmenden Einrichtungen ergab. Volker Schmidt, Leiter der Christlichen Jugend- und Begegnungsstätte Schloss Mansfeld, spricht von überwiegend freundlichen und aufgeschlossenen Gästen, die das Angebot dankbar angenommen hätten. "Mein Eindruck ist, dass viele von ihnen lange keinen Urlaub hatten und sich freuten, mal woanders zu sein und bekocht zu werden", so Schmidt. Von 150 Familien, die seit Start des Projekts im Herbst 2021 im Schloss übernachtet haben, habe es nur zwei vorzeitige Abreisen wegen Unzufriedenheit gegeben.

Ähnlich äußert sich Axel Bode, Geschäftsführer beim christlichen Verein CVJM in Sachsen-Anhalt, der das Huberhaus in Wernigerode betreibt. Bode spricht ebenfalls von "guten Erfahrungen mit dem Programm". Es habe teilweise Gäste gegeben, die seit Jahren aus Geldgründen keinen Urlaub mehr gehabt hätten. Rund 9.000 Übernachtungen hatte Bode im Huberhaus bislang über die "Corona-Auszeit". Susanne Weinert vom Kloster Volkenroda in Thüringen erzählt, dass es für manche Familien der erste Urlaub überhaupt gewesen sei oder der erste Urlaub mit Vollverpflegung. "Zu uns sind meist Familien mit mehr als ein oder zwei Kindern gekommen", so die Kloster-Managerin.

Als "durchwachsen" bezeichnet die Leiterin der Jugendherberge Bad Lausick, Silvia Steinbach, die Erfahrungen mit der "Corona-Auszeit". Die Mehrheit der Gäste habe das Angebot dankbar angenommen. Doch "einige Familien waren nur an dem sehr preiswerten Angebot interessiert und nicht an der Teilnahme an dem Programm, obwohl diese Freizeit mit Programm ausgeschrieben war". Programm, das hieß je nach Unterkunft und Gegebenheiten Sportangebote wie Klettern oder Wandern, Geschichts-Pfade, Gruppengespräche mit Kindern, Schulbauernhof, Familienrallys, Basteln, Streichelzoo, Filmabende oder Andachten.

Christus-Pavillon Volkenroda
Im Kloster Volkenroda konnten Kinder und Familien unter anderem mit einem Klostergewinnspiel das Haus erkunden oder sich auf dem weitläufigen Gelände mit Sportplatz und Bauernhof erholen. Bildrechte: MDR/Christiane Fritsch

Die Kostenübernahme durch den Bund lief nach Aussage der Ferienstätten reibungslos. Im Auftrag des Bundes hat der katholische Sozialverband Kolpingwerk die Abwicklung der Geschäfte für die "Corona-Auszeit" organisiert. "Das Geld wurde schnell ausgezahlt", sagt Volker Schmidt vom Schloss Mansfeld. Etwas umständlich sei lediglich die Antragstellung gewesen, um zum Programm zugelassen zu werden. Als aufwendig bezeichnet Susanne Weinert vom Kloster Volkenroda auch die Überprüfung der Unterlagen der Familien. Ob eine Familie berechtigt ist an dem Programm teilzunehmen, mussten nämlich die Herbergen prüfen.

Dass wir als Gästehaus diese Prüfung unter Sichtung der persönlichen Unterlagen vornehmen, fühlt sich nicht richtig an. Es wäre praktikabler für alle Seiten, wenn Familien einen Berechtigungsschein bekämen, zum Beispiel über die Familienkasse oder das Arbeitsamt.

Susanne Weinert Leitung Belegungsmanagement Kloster Volkenroda

Riesengroße Nachfrage bei Familien

So oder so, die Nachfrage seitens der Familien war riesig. "Wir konnten nicht alle Familien unterbekommen", sagt Susanne Weinert von Kloster Volkenroda. Schon nach den ersten Meldungen in den Medien sei man regelrecht überrannt worden, schildert Silvia Steinbach von der Jugendherberg Bad Lausick: "In den ersten zwei Monaten erhielten wir ca. 650 Anfragen per E-Mail und täglich etwa 20 telefonische Anfragen." Ähnlich habe man das von anderen Jugendherbergen und Einrichtungen gehört, so Steinbach. Von einer "überwältigenden Nachfrage" berichtet auch Heimleiter Schmidt vom Schloss Mansfeld: "Wir haben keine Statistik geführt, aber mein Eindruck ist, dass wir höchstens ein Viertel der Anfragen positiv beantworten konnten."

Wie geht es weiter?

Die Erfahrungen mit der "Corona-Auszeit für Familien" haben gezeigt, dass der Bedarf an günstigen Freizeitangeboten für einkommensschwache Familien enorm ist. Entsprechend zeigten sich alle Ferienstätten, mit denen MDR AKTUELL gesprochen hat, offen für eine Weiterführung des Programms oder eines ähnlichen Programms. "Das Programm war ein tolles Angebot für die Familien und eine große Bereicherung für unser Haus", sagt Axel Bode vom Huberhaus in Wernigerode. Volker Schmidt vom Schloss Mansfeld erzählte, dass durch das Projekt eine Mitarbeiterin eingestellt werden und der Umsatz verbessert werden konnte. Doch das Bundesfamilienministerium teilte MDR AKTUELL mit: "Eine Verlängerung gibt es nicht."

Eine Ministeriumssprecherin verweist allerdings auf ein "Zukunftspaket für Bewegung, Kultur und Gesundheit", das im Koalitionsvertrag vereinbart sei. Es soll ab Januar 2023 umgesetzt werden und die "Lage junger Menschen mittels Bewegung, Kulturangeboten und Maßnahmen für die körperliche und seelische Gesundheit verbessern".

Susanne Weinert vom Kloster Volkenroda hat sich zudem bereits um Mittel vom Freitstaat Thüringen bemüht. Auf Anfrage von MDR AKTUELL heißt es dazu aus dem Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie, dass "auch im Jahr 2023 überregionale Maßnahmen der Familienerholung und Familienbildung pauschalisiert gefördert" werden. Eine verbindliche Aussage darüber, ob und in welchem Umfang ein Anschlussprogramm zur Bundesförderung "Corona-Auszeit für Familien" im Jahr 2023 etabliert werden könne, sei jedoch erst nach Verabschiedung des Landeshaushaltes 2023 und Zuweisung entsprechender Haushaltsmittel möglich.

(cvt)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL RADIO | 14. Dezember 2022 | 19:15 Uhr

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