Ein Mann wirft in einem Wahllokal für die Briefwahl zwei Briefumschläge mit den Stimmzetteln in eine Wahlurne
Ein MDR-Aktuell-Hörer fragt sich, ob Menschen mit zwei Staatsangehörigkeiten in beiden Ländern bei der Europawahl abstimmen können. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild/Robert Michael

Europawahl Dürfen Menschen mit zwei Staatsangehörigkeiten zwei Mal wählen?

25. März 2024, 06:47 Uhr

Anfang Juni findet in den 27 EU-Staaten die Europawahl statt. Ein Hörer von MDR AKTUELL fragt nun, was das für Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft bedeutet. Dürfen sie zwei Mal abstimmen? Jan Kröger hat die Antwort.

Auch viel belesene Menschen können in dieser Frage irren. So wie "Zeit"-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo, der nach der Europawahl 2014 erzählte: "Ich habe in Deutschland gewählt, allerdings zweimal: einmal gestern im italienischen Konsulat und einmal heute in einer Hamburger Grundschule. Ich darf zweimal wählen, weil ich zwei Pässe habe."

Das war vor zehn Jahren genauso falsch wie heute, erklärt Anna-Karina Elbert, stellvertretende Bundeswahlleiterin. "Bei der Europawahl gilt, dass jeder Wahlberechtigte in der Europäischen Union nur einmal sein Wahlrecht ausüben darf. Und das gilt auch für diejenigen mit einer doppelten Staatsangehörigkeit", betont Elbert.

Doppelt abstimmen ist nicht erlaubt

Wer in Deutschland gegen dieses Verbot der doppelten Stimmabgabe verstoße, der würde sich sogar wegen Wahlfälschung strafbar machen und müsste eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe befürchten. Giovanni di Lorenzo erreichte damals eine Einstellung des Verfahrens – gegen Zahlung eines laut Staatsanwaltschaft "namhaften Betrags".

Doch warum werden di Lorenzo und Hunderttausende andere überhaupt zweimal zum Wählen aufgefordert? Die ernüchternde Antwort von Anna-Karina Elbert: Weil kein EU-Staat etwas weiß über die Wähler in anderen Ländern. "Hier wird die Person, weil sie Deutscher ist, von Amts wegen in das deutsche Wählerverzeichnis eingetragen. Bei diesen Personen mit einer doppelten Staatsangehörigkeit gibt es keinen Informationsaustausch mit den Mitgliedstaaten."

Bischoff: Wählerlisten müssten abgeglichen werden

Das Problem ist eine Lücke im EU-Recht. Will beispielsweise ein Italiener ohne deutschen Pass hierzulande wählen, dann treten die Behörden beider Länder in Kontakt. Bei Doppelstaatlern fehlt eine solche Regelung. Im Europaparlament ist das längst bekannt.

Die SPD-Politikerin Gabriele Bischoff ist stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für konstitutionelle Fragen. Und der hat einen Reformvorschlag vorgelegt. "Die Basis dafür ist, dass die Wählerlisten auch frühzeitig genug erstellt werden können, damit man das gut abgleichen kann. Wir haben jetzt das Problem, dass dieser Vorschlag im Rat liegt und es bislang nicht gelungen ist, das im Rat voranzutreiben", erklärt Bischoff. Und deshalb sei das immer noch weiter eine Hängepartie.

Das Europaparlamentsgebäude von außen mit den Fahnen 1 min
Am 9. Juni 2024 ist Europawahl in Deutschland Bildrechte: imago
1 min

Vom 6. bis 9. Juni 2024 wird ein neues EU-Parlament gewählt. Stimmabgabe in Deutschland ist Sonntag, der 9. Juni. Die Europawahl findet alle fünf Jahre statt.

Mi 18.10.2023 15:50Uhr 00:41 min

https://www.mdr.de/nachrichten/app-aktuell/video-europawahl-eu-parlament-100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video

Keine Kontrolle, ob Bürger mehrfach abstimmen

Im Europäischen Rat ist es an den Mitgliedstaaten, dem zuzustimmen. Das scheitert laut Bischoff bisher an anderen Inhalten der Reform wie einem einheitlichen Wahltag für die Europawahl. Diese findet deshalb auch 2024 über vier Tage statt – und ohne wirksame Kontrolle darüber, ob manche Bürger zweimal abstimmen, erklärt die stellvertretende Wahlleiterin Anna-Karina Elbert.

"In Deutschland besteht nur die Möglichkeit, dass der Verordnungsgeber für die Europawahl – das ist das Bundesministerium des Inneren – Maßnahmen ergreift, um die Wahlberechtigten auf den Umstand des Verbots einer doppelten Stimmabgabe hinzuweisen."

Und das geschieht in der Wahlbenachrichtigung sowie im Hinweisblatt für die Briefwahl.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 25. März 2024 | 06:21 Uhr

47 Kommentare

mensrea vor 4 Wochen

@Thommi Tulpe: Ich muss doch hoffentlich nicht erklären, wie man "" in einem schriftlichen Kommentar deutet?
Ansonsten ist mein Kritikpunkt nicht notwendigerweise die Regel zur Europawahl. Sondern die Gefahr, dass Regeln nur Sinn ergeben und Akzeptanz erfahren, wenn ich sie auch durchsetzen kann. Ein Staat darf nie in den Verdacht geraten, dass Regeln willkürlich ausgelegt, angewandt oder durchgesetzt werden; siehe dazu zB Aussetzung der Wehrpflicht.
Und wenn Sie mit "Verdrossene" despektierlich lediglich AfD- Wähler meinen sollten, dann wäre es ratsam Sie würden nochmal die einschlägige Literatur zum Thema Politikverdrossenheit lesen. Das ist viel niederschwelliger als man meint.

Atze71 vor 4 Wochen

Es geht nicht um Relevanz ... es geht um Gerechtigkeit. Würden Sie es gut finden wenn die Gegenspieler Ihrer bevorzugten Partei dadurch mehr Stimmen bekommen? Ich nicht! Das ist Betrug!

Atze71 vor 4 Wochen

Komisch das es vor allem in Deutschland so verkompliziert wird. Vor Jahren gab es keine doppelte Staatsbürgerschaft. Komisch.... da ging es doch auch?

Mehr aus Politik

Mehr aus Deutschland

Soldaten der Bundeswehr besprechen sich, vor der Suche am Ufer der Oste. 5 min
Bildrechte: picture alliance/dpa | Philipp Schulze
Volker Wissing spricht von Erfolgen in seiner Arbeit 1 min
Volker Wissing spricht von Erfolgen in seiner Arbeit Bildrechte: ARD
1 min 26.04.2024 | 13:57 Uhr

Bundesverkehrsminister Volker Wissing verteidigt die Änderung des Klimaschutzgesetzes – und sich selbst. Die Erzählung vom Verkehrsminister, der nichts tue, stimme nicht.

Fr 26.04.2024 13:27Uhr 00:31 min

https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/politik/video-wissing-verkehr-klima100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video