Andreas Scheuer
Andreas Scheuers Maut-Projekt scheiterte. Deutschland muss die Kosten dennoch tragen. Wieso eigentlich nicht der CSU-Politiker selbst? Bildrechte: IMAGO / Christian Spicker

Haftbarkeit Nach Maut-Debakel: Rechtsexperten plädieren für Schadenersatzpflicht für Politiker

18. August 2023, 11:00 Uhr

Man bringt die gescheiterte Pkw-Maut vor allem mit einem Politiker in Verbindung: Andreas Scheuer. Für das nicht umgesetzte Projekt verlangen die involvierten Unternehmen Schadenersatz, die der Staat nun tragen muss. Doch warum nicht der CSU-Politiker selbst? Ein MDR-AKTUELL-Nutzer fragt sich: "Aus welchem Grund ist es aktuell nicht möglich, politische Entscheidungsträger bei vorsätzlichen oder fahrlässigen Fehlentscheidungen zu belangen?"

Lydia Jakobi, Autorin und Reporterin
Bildrechte: MDR/Karsten Möbius

Ende 2018 setzte Ex-Verkehrsminister Andreas Scheuer ein paar Unterschriften, die den Staat heute teuer zu stehen kommen. Er signierte die Verträge mit den Unternehmen, die künftig die Pkw-Maut eintreiben sollten. Scheuer wurde vor den Risiken gewarnt, es gab eine Klage gegen das Vorhaben. Und trotzdem soll er auf einen Abschluss der Verträge gedrängt haben.

Ein paar Monate später stand fest: Die Maut ist rechtswidrig. Und nicht nur das: Der Bund muss 243 Millionen Euro Schadenersatz leisten. Nun prüft Verkehrsminister Volker Wissing, ob er das Geld von seinem Vorgänger zurückholen kann.

Bund der Steuerzahler: zu viele beteiligt gewesen

Richtig so, sagt Helge Limburg, rechtspolitischer Sprecher der grünen Bundestagsfraktion: "Es ist völlig klar, dass Andreas Scheuer und politisch letztlich die gesamte CSU der Bundesrepublik Deutschland schweren finanziellen Schaden zugefügt hat durch die vorzeitige Unterzeichnung der Mautverträge, und insofern ist es richtig, dass Volker Wissing jetzt Regressforderungen prüft. Wir warten das Ergebnis dieser Prüfung ab und werden dann neu diskutieren, ob gesetzgeberische Änderungen notwendig sind."

Reiner Holznagel, Präsident, Bund der Steuerzahler Deutschland
Präsident des Bunds der Steuerzahler Deutschland, Reiner Holznagel. Bildrechte: picture alliance/dpa | Peter Kneffel

Auch der Bund der Steuerzahler kritisiert das Maut-Debakel. Zumal es die Allgemeinheit inklusive Gerichts- und Personalkosten mindestens 300 Millionen Euro koste. Trotzdem sei es schwierig, Andreas Scheuer haftbar zu machen, sagt Präsident Reiner Holznagel: "Er war es ja nicht alleine, der die Maut auf den Weg bringen wollte. Es war am Anfang eine Partei, die sich zur Wahl gestellt hat, dann war es die CDU/CSU-Fraktion, die es vorangebracht hat, dann gab es eine gesamte Bundesregierung, einen Bundestag, einen Bundesrat. Deswegen ist es schwierig, nur Herrn Scheuer dafür in den Mittelpunkt zu stellen."

Amtshaftungsanspruch sieht Staat in Zahlungspflicht

Aus juristischer Sicht käme theoretisch der sogenannte Amtshaftungsanspruch in Betracht. Danach muss der Staat haften, wenn einer seiner Amtsträger seine Amtspflicht verletzt und einem Dritten Schaden zufügt.

Carlos A. Gebauer ist Jurist in Düsseldorf und auf Schadenersatzfragen spezialisiert. Er erklärt, wie der Amtshaftungsanspruch funktioniert: "Der wird üblicherweise bei Beamten angewendet und ist dann 1949 leicht modifizert worden, dass dann wieder der Steuerzahler für die Fehler des Beamten haftet. Aber: Wenn der Beamte grob fahrlässig oder gar vorsätzlich handelt, dann kann der Steuerzahler vertreten durch den Fiskus bei diesen Beamten wieder Regress nehmen."

Fahrlässigkeit bei Politikern nicht anwendbar

Die Rechtsprechung habe es bisher aber abgelehnt, Politiker nach diesen Regeln in Haftung zu nehmen. Die Begründung: Ihre Verantwortung sei so umfassend, dass die konkreten Amtspflichten kaum zu greifen seien.

Gebauer findet das falsch. Schließlich würden auch andere Berufsgruppen, Chirurgen etwa, schwierige Entscheidungen treffen. Er wünscht sich eine Schadenersatzpflicht für fahrlässiges politisches Handeln. "Um es einfach zu sagen: Wir übernehmen die Haftung der Vorstände von Aktiengesellschaften für unsere Politiker. Dann würden Politiker, vor allem Bundestagsabgeordnete, für ihre Sorgfalt haften und einstehen müssen. Und wenn sich dann herausstellt, dass jemand abstimmt, ohne sich ernsthaft Gedanken zu machen über das, was er da entscheidet für andere Leute, dann muss er persönlich dafür haften."

Der Bund der Steuerzahler schlägt hingegen einen neuen Straftatbestand vor: Den der Haushaltsuntreue.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 18. August 2023 | 06:21 Uhr

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