Unter der Lupe – die politische Kolumne Rechts vorbei an der CSU: Die Kehrtwende der SPD in der Asylpolitik
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14. September 2024, 05:00 Uhr
Ab Montag wird an allen deutschen Grenzen kontrolliert. Die Bundesregierung will sich beim Thema Zuwanderung handlungsfähig zeigen. Und die Union will schärfere Zurückweisungen an den Grenzen testen. Nach dem geplatzten Migrationsgipfel sind die Fronten zwischen Ampel und Union weiter verhärtet.
- Die Bundesregierung will Kontroll- und Rückführungsmaßnahmen verschärfen.
- Die Bundesparteien sind sich dabei alles andere als einig.
- Das Thema Migration könnte auch in Brandenburg wahlentscheidend werden.
Daumen hoch. Horst Seehofer, der ehemalige Bundesinnenminister von der CSU, dürfte das wohl als späten Triumph empfinden. Die Bundesregierung greift seine Idee der Ankerzentren wieder auf, indirekt zumindest. Denn ohne Aufnahmeeinrichtungen an den deutschen Grenzen dürften die verschärften Kontroll- und Rückführungsmaßnahmen, die die Bundesregierung zeitnah auf den Weg bringen will, wohl kaum funktionieren.
Was die SPD einst als unmenschlich und nicht umsetzbar kritisiert hat, schwebt der Bundesinnenministerin jetzt als DIE Lösung vor: Grenzkontrollen und Zurückweisungen mit Wartestand. Das ist nicht nur ein logistischer Aufwand, es dürfte auch dauern, ehe das System etabliert ist. Als schnelle Maßnahme, auch um die Einreise von IS-Kämpfern oder Straftätern zu verhindern, dürfte sie kaum taugen. Kurz gesagt: Das ist vor der Landtagswahl in Brandenburg eher Augenwischerei.
Es geht um Grundsätzliches
Dabei lässt der Druck auf die Kommunen zwar nach, aber nicht genügend. Denn: Auch die Integration geht nicht von heute auf morgen. Dazu kommt politischer Druck von rechts und links, der Ampel und Union zu immer neuen Vorschlägen treibt. Dabei geht es nicht mal nur um die Rhetorik: Wer hat wann und warum den Verhandlungstisch verlassen und wer ist Schuld, dass der Migrationsgipfel am Ende geplatzt ist. Das Schwarze-Peter-Spiel hat begonnen.
Der Kampf um die Deutungshoheit bringt das Problem in der Sache wenig voran. Vielmehr geht es um dieselbe Maßnahme, dieselbe Rechtslage, die jeweils anders interpretiert wird. Und es offenbart ganz unterschiedliche Auffassungen von Migration. Auffassungen, Grundüberzeugungen, die sich kaum verändern werden, weil sie zur DNA der jeweiligen Partei gehören. Das ist und bleibt unabhängig von Landtagswahlen.
Zurückweisungen als Dominoeffekt?
Es geht beim Thema Zurückweisungen um die unterschiedliche Betrachtung desselben Instruments. Die Grünen und Teile der SPD sehen das nicht im Einklang mit dem Europäischen Recht. Die Union glaubt, dass die Ausnahme der Rechtslage, direkte Zurückweisungen ohne Aufnahmezentrum zulässt und dass der Gesetzgeber es selbst in der Hand hat. SPD und Grüne fürchten den Zorn der Nachbarländer. Die Union hofft auf einen Dominoeffekt. Also will Friedrich Merz das zumindest mal testen. Und die FDP sucht inhaltlich die Brücke zur Union, hält sich aber in diesem Fall an die Koalitionsdisziplin.
Spätestens hier wird zumindest mal klar, dass es längst nicht mehr um eine einzelne Maßnahme geht, sondern um Grundüberzeugungen. Wie viel Zuwanderung ist eine Gesellschaft willens und fähig, sie auch zu leisten? 30.000 Zurückweisungen im Jahr sind der Union zu wenig und den Grünen schon viel zu viel. Schwer vorstellbar, dass da beide Seiten noch auf einen Nenner kommen, wenn sie es überhaupt wollen.
Migration könnte wahlentscheidend sein
Der Union fällt auf die Füße, dass sie das Problem jahrelang selbst nicht lösen konnte und jetzt nicht in der Position ist, es auch gesetzlich regeln zu können. Und den Ampel-Parteien droht die nächste Wahlschlappe, weil das Thema Migration viele Wähler beschäftigt. Ob die jetzt getroffenen Maßnahmen ausreichen und die Menschen erreichen, dürfte sich bei der Brandenburg-Wahl zeigen, auch wie wahlentscheidend das Thema hier am Ende wirklich ist.
In Sachsen und Thüringen haben die politischen Ränder, AfD und BSW, davon profitiert. Soziale und innere Sicherheit waren den Menschen am wichtigsten. Sahra Wagenknecht frohlockt schon, die Chefin ihrer eigenen Partei will weniger Anreize, also weniger Leistungen, für Geflüchtete. Einfache Botschaften, die verfangen könnten. Wer wie AfD und BSW den Beweis nicht antreten muss, zumindest beim BSW noch nicht, kann viel versprechen. Der Streit zwischen den Ampel-Parteien und der Union macht es ihnen etwas leichter. Denn er hinterlässt mehr Fragen als Antworten.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 16. September 2024 | 06:00 Uhr