Abgeordnete sitzen Plenarsaal des Bundestags.
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Zu jung für Politik? Bundestag: Welche Voraussetzungen Abgeordnete und Minister erfüllen müssen

09. Januar 2024, 09:26 Uhr

Der Bundestag ist so jung wie nie. In der SPD-Fraktion beispielsweise sind von rund 200 Abgeordneten knapp ein Viertel unter 35 Jahre alt. Bei MDR AKTUELL-Hörer Ulrich Kirsten wirft das angesichts der im Vergleich zu vielen anderen Abgeordneten geringeren Lebenserfahrung die Frage auf, ob es Zugangsvoraussetzungen für hohe politische Ämter wie etwa das eines Ministers oder einer Ministerin gibt oder geben sollte.

  • Potenzielle Zugangsvoraussetzungen für ein Ministeramt einzuführen und zu überprüfen, ist quasi nicht realisierbar.
  • In den Bundestag zu kommen, ist ohne die Nominierung durch eine Partei kaum möglich.
  • Neben politischer Erfahrung als zentrale Voraussetzung für ein hohes Amt in der Politik, sollte einem jungen Bundestagsabgeordneten auch der Wille zur Veränderung eine Grundeigenschaft sein.

Wer 18 Jahre alt und verfassungstreu ist, kann auf Vorschlag des Bundeskanzlers vom Bundespräsidenten zum Minister oder zur Ministerin ernannt werden. Soweit die formalen Voraussetzungen.In der Realität ist es aber ein weiter Weg zum Ministerposten, erklärt Politikwissenschaftler Michael Kolkmann von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

Eine Wählerin wirft ihren Wahlzettel in die Wahlurne 4 min
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"Da geht es nicht nur darum, wer vielleicht von einer bestimmten Materie entsprechend viel Ahnung hat. Da geht es auch darum, dass die großen Landesverbände einer Partei vertreten sind, dass die verschiedenen inhaltlichen Strömungen einer Partei vertreten sind, dass Männer und Frauen vertreten sind – und das wird dann am Ende wahrscheinlich nie wirklich befriedigend gelöst werden können."

Zugangsvoraussetzungen nicht praktikabel

Üblicherweise ist es die Erfahrung, die die Leute auf Spitzenposten bringt – sie blicken auf teils 25 oder mehr Jahre Karriere in der Politik zurück und sind dementsprechend vernetzt, sagt Kolkmann – und das zahle sich ja auch aus. "Es dient ja sicherlich auch der Professionalisierung, dass man sich in bestimmte Abläufe reinfindet, dass man auch bestimmte Inhalte nicht nur thematisieren kann, sondern auch weiß, wie und wo man sie im politischen Prozess umsetzen kann. Und das sind einfach Angelegenheiten, die im Regelfall sehr, sehr viel Zeit brauchen."

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Laut Kolkmann wäre es aber schwierig, Zugangsvoraussetzungen für hohe Ämter aufzustellen. Denn wer sollte das machen und wie sollte das überprüft werden?

Bundestag: Nominierung durch eine Partei notwendig

Genau so sieht das auch Fabian Funke. Er wurde mit 24 Jahren für die SPD in den Bundestag gewählt. Auch dafür genügt es theoretisch, volljährig zu sein, die deutsche Staatsbürgerschaft und das passive Wahlrecht zu besitzen – auch wenn es laut Politikwissenschaftler Kolkmann ohne die Nominierung einer Partei schwierig wird. Und wie sieht es hier mit der Lebenserfahrung aus? Fabian Funke hat vorher Internationale Beziehungen studiert und war unter anderem Wahlkreismitarbeiter einer Landtagsabgeordneten sowie Vorsitzender der Jusos Sachsen – alles Politik.

Erfahrung ist nicht alles

Dass er zu wenig Lebenserfahrung mitbringt, findet er aber nicht. "Ich glaube, dass es wichtig ist – und das muss der Anspruch einer Demokratie sein – dass dieser Bundestag auch die verschiedenen Menschen in diesem Land abbildet. Berufliche Erfahrung ist natürlich eine Facette davon, ohne Frage, aber für einen bunt zusammengesetzten Bundestag mit verschiedenen Perspektiven gehören auch andere Fragen, nämlich: Wie ist man aufgewachsen? Was für eine Perspektive nimmt man ein? Welche Erfahrungen hat man vielleicht auch als junger Mensch mit dieser Gesellschaft gemacht?"

Die wichtigste Eigenschaft – egal ob als Ministerin oder als einfacher Abgeordneter – ist seiner Meinung nach der Wille, etwas zu verändern. Und der hänge nicht unbedingt vom Alter ab.

Trotzdem: Mehr unterschiedliche Biografien und Erfahrungen würde dem Bundestag guttun, da sind sich beide einig. Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund gibt es zu wenige, sagt Michael Kolkmann. Und Fabian Funke würde es nicht schlecht finden, wenn ein paar weniger Juristen und ein paar mehr Handwerker im Plenum sitzen würden. Diesen Gruppen den Zugang zum Bundestag – und vielleicht einmal zu einem Ministerposten – zu erleichtern, das sei Aufgabe der Parteien.

Anm. der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels war fälschlicherweise der Eindruck entstanden, dass nur Trägerinnen und Träger eines Bundestagsmandats ein Ministeramt ausüben können. Das stimmt nicht. Wir haben es im Text geändert.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 09. Januar 2024 | 06:16 Uhr

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