Gescheiterte Pläne Das stand in den Gesetzentwürfen zur Sterbehilfe

06. Juli 2023, 12:08 Uhr

Der Bundestag hat beide Gesetzentwürfe zur Neuregelung der Sterbehilfe abgelehnt. Im Vorfeld hatte die Regionalbischöfin der evangelischen Kirche Mitteldeutschland, Friederike Spengler, davor gewarnt, das Thema zu normalisieren. Sie sagte MDR AKTUELL, vor allem junge Menschen könnten das eher als Chance sehen, sich einen Notausgang offen zu halten.

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Der eine Gesetzentwurf sieht so aus: Nur Volljährige sollen Medikamente zur Selbsttötung bekommen – und müssen sich vorher bei einer Ärztin oder qualifizierten Stelle beraten lassen. Dort sollen auch Alternativen zum Suizid besprochen werden. Der Entwurf kommt von Vertretern der Grünen, SPD, FDP und Linken.

Katrin Helling-Plahr, die Bundestagsabgeordnete der FDP, sagt dazu: "Die Gefahr, wenn man Suizidhilfe einschränkt und es wieder faktisch leerlaufen lässt, ist natürlich, dass es ein Dunkelfeld von Menschen gibt, die gehen möchten und sich sehnlichst wünschen, selbstbestimmt sterben zu dürfen, weil sie unfassbar leiden. Es ist einfach keine Kultur, die wir uns für Deutschland wünschen. Wir wünschen uns, dass Menschen, die solche Gedanken haben, sich transparent an Anlaufstellen wenden, wo ihnen geholfen wird."

2. Gesetzentwurf: Assistierter Suizid teilweise strafbar

Strenger ist dagegen der zweite Vorschlag um den SPD-Abgeordneten Lars Castellucci. Er sehe vor, assistierten Suizid in bestimmten Fällen wieder unter Strafe zu stellen, sagt Castellucci:

"Also wenn Missbrauch da festgestellt würde oder wenn es darauf angelegt ist, dass es zu einer Normalisierung des assistierten Suizides in unserer Gesellschaft kommt, dann löst das wieder Druck auf Gruppen aus, die sagen: Ja, vielleicht muss ich das für mich selber auch überlegen. Und die nicht wissen, wie sie vielleicht in der Zukunft alles bezahlen sollen. Dieser Druck würde dann wieder einem freien Willen entgegenstehen."

Sterbehilfe ginge in dem zweiten Entwurf also nur dann, wenn man zwei Untersuchungen durch psychiatrische Fachärzte oder Psychotherapeutinnen hatte. Offen bleibt hier die Frage, wie sie dann einen Termin bekommen sollen, wenn Menschen zum Teil mehrere Monate warten.

Bischöfin: Sorge vor Normalisierung

An den beiden Gesetzesentwürfen gibt es aber auch generell Kritik. Die Regionalbischöfin in Mitteldeutschland, Friederike Spengler, hat Sorge, dass das Thema vor allem bei jungen Leuten normalisiert wird.

"Dass die das eher als eine Chance sehen, sich einen Notausgang offen zu halten. Und das beschäftigt mich sehr. Weil es war ja erst so für den Gesetzgeber der Anspruch, es für Menschen zu regeln, die in ausweglosen Situationen psychischer oder physischer Natur sind. Und die Frage sein muss: Was brauchst du, damit du leben kannst? Und nicht: Was brauchst du für den Tod?"

Zahlen des Statistischen Bundesamts zeigen: Seit Beginn der Achtzigerjahre hat sich die Zahl der Suizide in Deutschland nahezu halbiert. Auffällig ist, dass mehr Menschen sich umbringen, je älter sie werden.

SPD-Abgeordnete: Wünsche mir keinen Schnellschuss

Simone Lang ist SPD-Abgeordnete im Sächsischen Landtag und die Landesvorsitzende des Verbandes für Hospizarbeit und Palliativmedizin. In der Hospizarbeit erlebt sie es relativ selten, dass Menschen den assistieren Suizid wünschen. Für Simone Lang greifen die Gesetzesentwürfe jetzt trotzdem zu kurz.

Lang hofft, "dass nochmal geguckt wird, welche Angebote es gibt und wie zuverlässig die Organisation ist. Ich würde mir wünschen, dass wir dort länger darüber diskutieren und wir es nicht vor der Sommerpause noch schnell in ein Gesetz pressen."

Wenn einer der Entwürfe am Donnerstag durch den Bundestag kommt, müsste das Gesetz dann noch in den Bundesrat. Frühestens im Herbst dürfte die Sterbehilfe in Deutschland dann gesetzlich geregelt sein.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 06. Juli 2023 | 06:00 Uhr

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