Uniformierte Personen, Text
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recap Können wir uns Beamte noch leisten?

16. Juni 2023, 16:47 Uhr

Beamte haben gegenüber Angestellten Privilegien: einen sicheren Job, ein gutes Gehalt und eine verlässliche Altersvorsorge. Vor allem letztere wird zur finanziellen Belastung für Bund und Länder. Schon heute gibt der Staat über 60 Milliarden Euro für Pensionsverpflichtungen aus. In Zukunft wird das noch viel mehr. Kritiker fordern deshalb Reformen. Beispielsweise eine "Rentenversicherung für alle".

In Deutschland arbeiten fünf Millionen Menschen im öffentlichen Dienst, rund ein Drittel von ihnen hat Beamtenstatus. Das sind Polizisten, Lehrerinnen, Verwaltungsangestellte - aber auch Förster, Amtsärztinnen oder Feuerwehr-Leute. Welche Berufe genau darunter zählen, unterscheidet sich je nach Bundesland.

Das Beamtentum hat in Deutschland eine lange Tradition. Friedrich der Große hat im 18. Jahrhundert Beamte zu "Dienern des Staates" gemacht. Schon damals war es wichtig, pünktlich auf Arbeit zu erscheinen und Anweisungen Folge zu leisten.

Beamte vs. Angestellte

Auch heute noch sind Beamte in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis zum Staat. Heißt: Sie verpflichten sich vor dem Bund, Land oder der Kommune, lebenslang loyal und gehorsam zu sein. Angestellte dagegen haben einen privatrechtlichen Arbeitsvertrag - können also schneller kündigen, aber auch gekündigt werden.

Beamte wiederum können sich nicht einfach auf eine andere Stelle bewerben, sondern müssen erstmal einen Antrag stellen. Das Land kann sie auch zwangsversetzen, das passiert aber sehr selten. Angestellte haben da freie Wahl, also auch mehr Aufstiegschancen auf dem freien Markt.

Dazu kommt, dass Beamte sich politisch zurückhalten sollen, das sogenannte Mäßigungsgebot. Lehrer dürfen also zum Beispiel nicht in der Schule für eine Partei werben. Bei Angestellten ist das nicht so streng, hängt aber auch vom Job ab.

Beamte dürfen nicht streiken. Angestellte schon. Außerdem haben sie deutlich mehr Netto vom Brutto, weil sie keine Sozialabgaben wie Arbeitslosenversicherung zahlen müssen.

Und einer der größten Vorteile: Beamte kriegen keine Rente, sondern eine Pension. Sie zahlen also nicht in die Rentenkasse ein, sondern kriegen ihr Geld im Alter direkt vom Staat. Und das ist nicht wenig.

Man weiß, die machen genau den gleichen Job wie du, haben aber eine bessere Altersvorsorge, wahrscheinlich auch einen besseren Verdienst.

Niko Kappe, Grundschullehrer aus Berlin

Das wird von Niko Kappe als ungerecht empfunden. Er ist Grundschullehrer in Berlin und nicht verbeamtet. "Schade, wenn man im Lehrerzimmer so eine Art Zweiklassengesellschaft hat. Man weiß, die machen genau den gleichen Job wie du, haben aber eine bessere Altersvorsorge, wahrscheinlich auch einen besseren Verdienst. Und im Zweifelsfall können die auch nicht gekündigt werden oder haben keine befristeten Verträge, was auf viele angestellte Kollegen leider zutrifft."

Pension vs. Rente

Zwischen Rente und Pension gibt es eine große Lücke. In Thüringen beispielsweise lag die Durchschnittspension laut Thüringer Beamtenbund bei rund 2.700 Euro. Allerdings muss dies voll versteuert werden - abzüglich eines Versorgungsfreibetrages.

Die Durchschnittsrente dagegen lag dagegen nur bei 1.300 Euro. Wichtig ist anzumerken: In diesen Durchschnittswert zählen alle Rentenbezieher herein, auch die, die zeitweise arbeitslos waren, wenig verdient haben oder in Teilzeit waren.

Kritik: Pensionen zu teuer

2021 hat der deutsche Staat 60 Milliarden Euro allein für Pensionäre oder ihre Hinterbliebenen ausgegeben. Vor allem für die Länder ist die Belastung groß. Das sagt auch Wirtschaftsweise Martin Werding: "Das System ist unausgewogen. Es wird etwas zu wenig für Beamte bezahlt, wenn sie aktiv sind und dann kommt das dicke Ende hinten raus. Für die Beamten gleichsam schön. Für die öffentlichen Haushalte eine massive Belastung."

Für die öffentlichen Haushalte ist es eine massive Belastung.

Martin Werding, Professor für Sozialpolitik und öffentliche Finanzen an der Ruhruni Bochum

Thüringen zum Beispiel zahlt schon jetzt 446 Millionen Euro für Pensionsverpflichtungen, Sachsen-Anhalt 353 Millionen Euro und Sachsen 464 Millionen Euro. In Zukunft wird das aber noch viel mehr - das geht aus Anfragen an die drei Finanzministerien hervor.

In Sachsen-Anhalt werden Pensionäre in 20 Jahren eine Milliarde Euro kosten. In Thüringen sind es 1,2 Milliarden Euro und in Sachsen sogar 1,9 Milliarden Euro. Das ist vier Mal so viel wie jetzt. Kritiker fordern deshalb eine Reform des Beamtentums.

Weniger Neuverbeamtungen

"Die Frage ist, wo brauchen wir wirklich Beamte? Wo haben wir hoheitliche Funktionen? Ganz sicher im Bereich Polizei. Dass auch die Bundeswehr nach beamtenrechtlichen Maßstäben versorgt wird, halte ich auch für richtig", sagt Werding. Ein typischer Grenzfall seien Lehrer. Dort gebe es einen Wettbewerb der Bundesländer. Viele hätten jahrelang nicht verbeamtet, täten es jetzt wieder, um bei allgemeinem Lehrermangel den Nachbarländern, die Lehrer abzuwerben. Das könne man unterbinden.

Wo brauchen wir wirklich Beamte? Ganz sicher im Bereich Polizei. Ein typischer Grenzfall sind Lehrer.

Martin Werding, Professor für Sozialpolitik und öffentliche Finanzen Ruhruni Bochum

Werding schlägt auch vor, Pensionen zu kürzen. Ein Stück weit wurde das in der Vergangenheit schon gemacht. Aber es ginge natürlich noch radikaler.

Mehr Rücklagen

Desweiteren empfiehlt er Bund und Ländern, größere Rücklagen zu bilden. Das passiere schon, aber immer nur anteilsweise, sagt Werding. Also nur ein kleiner Teil der Versorgungslasten sei gedeckt. Es gebe nur zwei Ausnahmen: Sachsen und die Bundesagentur für Arbeit. Sachsen investiert in einen sogenannten Generationenfonds. Notwendige Gelder für künftige Pensionszahlungen werden dort bereits während der aktiven Dienstzeit der Beamtinnen und Beamte durch Zuführungen aus dem Haushalt angespart, schreibt das sächsische Finanzministerium. Sachsen-Anhalt hat ebenfalls einen Pensionsfonds. Thüringen hat seinen aufgelöst.

Rentenversicherung für alle

Ein Vorschlag liegt schon lange auf dem Tisch, die sogenannte Erwerbstätigenversicherung. Also eine Rentenversicherung, in die alle einbezahlen: Angestellte, Beamte und Selbstständige. Das fordern zum Beispiel der Deutsche Gewerkschaftsbund, der Sozialverband VdK, die Partei die Linke oder auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil.

Der Vorteil: Erstmal wäre in der Rentenkasse mehr drin. Der Nachteil: es würde auch sehr viel mehr herausgenommen werden. Das bedeutet für die anderen Rentenbezieher: Sie müssten noch mehr in die Rentenversicherung einzahlen und bekämen vermutlich noch weniger raus. Außer man würde, wie es Wirtschaftsprofessor Werding vorschlägt, Pensionen erheblich kürzen.

Beamte abschaffen?

Bleibt also nur noch der radikale Schritt, Beamte abzuschaffen? Das geht mit unserem Grundgesetz nicht zusammen. Um das zu ändern, bräuchte es eine Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat. Was ziemlich unwahrscheinlich ist.

Dieses Thema im Programm: recap bei YouTube | 16. Juni 2023 | 17:00 Uhr

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