Leitungen für flüssigen Wasserstoff
10.000 Kilometer Leitungen: Der erste Wasserstoff soll 2025 fließen. Bildrechte: picture alliance/dpa | Jan Woitas

Energiewende Wasserstoff-Kernnetz soll kleiner ausfallen

15. November 2023, 10:14 Uhr

Das künftige Wasserstoff-Kernnetz wird voraussichtlich 1.500 Kilometer kleiner ausfallen als geplant. Die Vereinigung der Fernleitungsnetzbetreiber (FNB) rechnet mit Kosten von knapp 20 Milliarden Euro für den Auf- und Ausbau. 2025 soll der erste Wasserstoff durch Röhren fließen. Im Prinzip sind Sachsen und Sachsen-Anhalt zufrieden, denn einige Vorschläge aus beiden Ländern finden sich im neuen Entwurf wieder – allerdings nicht alle.

Das künftige Wasserstoff-Kernnetz wird kleiner ausfallen als noch im Sommer geplant. Wie Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Dienstag mitteilte, soll bis 2032 ein 9.700 Kilometer langes Leitungsnetz entstehen. Im Juli hatten die Fernnetzbetreiber bereits einen ersten Entwurf vorgelegt, der über 11.200 Kilometer ging – und unter anderem keinen Anschluss von Dresden vorgesehen hatte.

Was ist da Wasserstoff-Kernnetz? Das Wasserstoff-Kernnetz soll das Grundgerüst für den Aufbau der Wasserstoffinfrastruktur in Deutschland werden. Ziel des Kernnetzes ist es, deutschlandweit wesentliche Wasserstoff-Standorte mit fast 10.000 Kilometern Gasleitungen zu verbinden. Dazu zählen beispielsweise große Industriezentren, Kraftwerke oder Speicher. Die Leitungen sollen zwischen 2025 und 2032 in Betrieb genommen werden.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) verglich die Leitungen im Wasserstoff-Kernnetz bei der Präsentation der Pläne am Dienstag mit Bundesautobahnen. In einem weiteren Schritt müssten dann weitere Verbindungen in die Fläche geplant werden, die Landes-, Bundes- oder Kreisstraßen entsprächen.

Wasserstoff ist ein Hoffnungsträger der Energiewende. Er soll künftig helfen, den Ausstoß an Treibhausgasen unter anderem in der Industrie zu drücken. Habeck geht davon aus, dass Deutschland auf Dauer 30 bis 50 Prozent seines Bedarfs an Wasserstoff selbst produzieren und den Rest importieren werde. Ein Import kann über Pipelines oder per Schiff in Form von Ammoniak erfolgen.

Seit dem ersten Entwurf konnten potenzielle Wasserstoffnetzbetreiber Bedarfe melden. Dem Bundeswirtschaftsministerium zufolge wurde davon gut die Hälfte dieser Meldungen in den jetzt vorgelegten Entwurf für ein Kernnetz aufgenommen – der weitere Änderungen erfahren kann, denn er muss laut Fernleitungsnetzbetreiber Gas (FNB Gas) noch von der Bundesnetzagentur geprüft und genehmigt werden. Im neuen Entwurf sind der Anschluss Dresdens sowie weitere Leitungsneubauten im Bereich Chemiedreieck Leuna und Leipzig vorgesehen. Der Chemnitzer Raum bleibt weiterhin nicht berücksichtigt.

Wasserstoffkernnetz: Entwürfe Juli '23 (links) und November '23 (rechts)

In eine Karte der Bundesrepublik Deutschland sind dunkel- und hellblaue Linien eingezeichnet. Über der Darstellung steht: "Aktueller Planungsstand (12.07.2023) des Wasserstoff-Kernnetzes".
Bildrechte: FNB Gas e.V.
In eine Karte der Bundesrepublik Deutschland sind dunkel- und hellblaue Linien eingezeichnet. Über der Darstellung steht: "Aktueller Planungsstand (12.07.2023) des Wasserstoff-Kernnetzes".
Bildrechte: FNB Gas e.V.
Entwurf Wasserstoff-Kernnetz
Für Sachsen sind jetzt Leitungszubauten Richtung Dresden und Nordostsachsen geplant. Eine zuvor als Transportalternative gegekennzeichnete Strecke von Berlin quer durch Sachsen-Anhalt wird die Landesgrenze von Sachsen-Anhalt nicht mehr erreichen. Bildrechte: FNB Gas e.V.
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Sachsen und Sachsen-Anhalt im Prinzip zufrieden

Im Prinzip äußerten sich die Energieministerien in Sachsen und Sachsen-Anhalt zufrieden mit der neuen Planung, denn einige Vorschläge aus beiden Ländern finden sich darin wieder – allerdings nicht alle. So teilte Sachsens Energieminister Wolfram Günther (Grüne) mit, im neuen Entwurf würden nun Regionen mit etlichen energieintensiven Betrieben an das Netz angebunden, darunter Leipzig, der Industriebogen Meißen und Dresden. Allerdings schränkt der Minister ein: "Es finden sich nicht alle unsere Vorschläge in der Netzplanung wieder. Deshalb kommt es nun darauf an, in der unmittelbar folgenden zweiten Netzausbaustufe die Standorte mit künftigen Wasserstoffbedarfen oder auch künftigen Einspeisern in der Industrieregion Chemnitz und der Energieregion Lausitz mit anzubinden."

Willingmann: Rückenwind für wichtige Infrastrukturprojekte

Sachsen-Anhalts Energieminister Armin Willingmann (SPD) begrüßte die Pläne ausdrücklich, insbesondere, dass nun auch die wichtige Ost-West-Pipeline zwischen dem Mitteldeutschen Chemiedreieck, Magdeburg und dem niedersächsischen Salzgitter für die erste Stufe des Netzausbaus vorgesehen sei. "Der Bund hat unsere Anregung aufgegriffen und wird die wichtige Ost-West-Pipeline jetzt auch im Rahmen der ersten Ausbaustufe des Netzes realisieren", teilte er mit. Das bedeute Rückenwind für wichtige Infrastrukturvorhaben wie "doing hydrogen" und "Green Octopus Mitteldeutschland". Die wesentlichen Erzeugungs- und Verbrauchsschwerpunkte in Sachsen-Anhalt seien mit den aktuellen Planungen berücksichtigt.

Ein wesentlicher Knoten des Wasserstoff-Kernnetzes wird nach Angaben des Landesenergieministeriums im Süden Sachsen-Anhalts liegen. Nach den Plänen des Bundes soll eine wichtige Ost-West-Pipeline vom Mitteldeutschen Chemiedreieck über Magdeburg nach Salzgitter in Niedersachsen führen.

Kritik aus dem Burgenlandkreis

Der Burgenlandkreis im Süden von Sachsen-Anhalt reagierte auf die Pläne mit Kritik. Landrat Götz Ulrich erklärte, das Kernnetz gehe am Kernrevier vorbei. Im Kreis sei eine 38 Kilometer lange Wasserstoff-Pipeline für zahlreiche Unternehmen. Und nun fehle eine Anbindung. Es sei von grundlegender Bedeutung, dass auch die regional geplante Infrastruktur eingebunden werde. Darauf habe man seit Monaten auch an das Energieministerium des Landes in Magdeburg kommuniziert.

Zufriedenheit in Thüringen

Thüringens Energieminister Bernhard Stengele sagte, "Thüringen hat als Ost-West-Verbindung entlang der Bundesautobahn A4 eine gute Ausgangsposition. Die bis jetzt vorgesehenen Trassenverläufe, Ausspeisepunkte und Leitungskapazitäten ermöglichen eine mittelfristige Netz-Planung auch jenseits der Hauptachsen." Zugleich verwies er auf Zwischenergebnisse der Studie "Wasserstoffnetz Mitteldeutschland 2.0". Demnach bräuchten Industrie und Energiewirtschaft in Mitteldeutschland bald jährlich viele Terawattstunden grünen Wasserstoff. Dabei werde der Freistaat nur einen kleineren Teil des Wasserstoffbedarfs durch regionale Erzeugung abdecken können.

Kernnetz besteht zu 60 Prozent aus früheren Erdgas-Röhren

Wie Thomas Gößmann, Vorstandsvorsitzender der FNB Gas, auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Wirtschaftsminister mitteilte, wird das Kernnetz zu 60 Prozent aus umgestellten Erdgasleitungen bestehen. Gößmann bezifferte die nötigen Investitionskosten auf 19,8 Milliarden Euro – was einem Zehntel der Kosten eines vergleichbaren Ausbaus der Strominfrastruktur entspreche.

Wir wissen, dass wir keine Zeit zu verlieren haben. Die Bagger müssen nächstes Jahr rollen.

Thomas Gößmann FNB Gas

Neben den Leitungen der Fernleitungsnetzbetreiber seien auch 710 Kilometer Leitungen von 17 weiteren potenziellen Wasserstoffnetzbetreibern Teil des Kernnetzes. Der erste Wasserstoff werde 2025 fließen. "Wir wissen, dass wir keine Zeit zu verlieren haben. Die Bagger müssen nächstes Jahr rollen", sagte Gößmann.

Habeck plant Beschleunigungsgesetz

Das Netz wird nach den Angaben von Wirtschaftsminister Robert Habeck zunächst überdimensioniert geplant, für eine Ausspeisleistung von 270 Terawattstunden. Der Bedarf liegt laut Nationaler Wasserstoffstrategie bei 95 bis 130 Terawattstunden. Auf die Dauer gehe er davon aus, dass Deutschland 30 bis 50 Prozent seines Bedarfs an Wasserstoff selbst produzieren werde, der Rest müsse dann importiert werden. Dennoch werde Deutschland damit unabhängiger von Importen als dies derzeit bei Öl, Gas und Steinkohle der Fall sei, wo fast 100 Prozent eingeführt würden.

Habeck kündigte an, man werde dafür ähnlich wie bei den Flüssiggasterminals ein Beschleunigungsgesetz für das Netz auf den Weg bringen. Zudem soll bereits am Mittwoch im Bundeskabinett die Finanzierung gesetzlich geregelt werden: Wie bei Erdgas und Strom sollen die Leitungen durch Entgelte der Nutzer bezahlt werden. Da es aber zunächst relativ wenige Abnehmer geben wird, will der Staat über die nächsten 20 Jahre in Vorleistung gehen, um die Nutzung bezahlbar zu halten und den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft zu fördern. Die Entgelte sollen zunächst einheitlich sein, wie aus einem Gesetzentwurf zum Energiewirtschaftsgesetz hervorgeht.

Ausbau soll ab 2024 geplant werden

Das Kernnetz bildet nach Angaben der Fernnetzbetreiber erst den Startschuss für eine deutschlandweite Wasserstoffinfrastruktur. Habeck verglich es mit einer Autobahn, die die wichtigsten Akteure miteinander verbinde, beispielsweise Projekte von gemeinsamem strategischen Interesse, die großen Abnahmezentren der Industrie, die Reallabore, Wasserstoffspeicher sowie unter anderem Kraftwerkstandorte.

Im kommenden Jahr soll der weitere Ausbau geplant werden. Darin sollen laut FNB Gas die konkreten Bedarfe unter anderem aus dem dem Mittelstand, die im ersten Schritt keine Berücksichtigung im Kernnetz gefunden hätten, mit einfließen.

Eckpunkte des neuen Entwurfs Länge: 9.721 km
Bereits bestehende Erdgasleitungen zur Umstellung: 5.630 km
Neubauleitungen: 4.091 km
Davon VNB-Leitungen im Kernnetz: 710 km
Einspeiseleistung: 101 Gigawatt Ausspeiseleistung: 87 Gigawatt FNB Gas

Reuters, dpa (lik,ana)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Nachrichten | 14. November 2023 | 14:00 Uhr

24 Kommentare

Peter vor 24 Wochen

Da mögen Sie recht haben, W.Merseburger.
Die guten Ideen Habecks haben uns im letzten Winter das warme Wohnzimmer gerettet. Viele haben das schon vergessen. Ja, das hat auch Geld gekostet. Aber sollten wir ihn deshalb verdammen?

Peter vor 24 Wochen

Liebe Erna, mit dem Glauben ist das so eine Sache.
Als Frau Merkel verkündete, bald würden 1 Million E-Autos auf Deutschlends Straßen fahren, glaubte man ihr das auch nicht. Heute sind´s bereits 2 Millionen.
Könnte beim Wasserstoff ähnlich laufen.

goffman vor 24 Wochen

Ihre Kritik trifft den Falschen.
Wasserstoff und E-Fuels werden von der FDP, der Union und Teilen der AFD als die Zukunft gesehen und gerne mit „Technologieoffenheit“ beworben, z.B. als die EU Verbrenner verbieten wollte oder auch als es um die Zukunft von Heizungsanlagen ging.

Den Grünen ist es völlig klar, dass das Quatsch ist. Genau aus den von Ihnen genannten Gründen. Wasserstoff wird aufgrund der geringen Effizienz und der oft deutlich besseren Alternativen immer ein Nischenprodukt bleiben. Es gibt aber einzelne Anwendungen, für die wir keine anderen Alternativen zum Erdgas haben. Deshalb ist es richtig, ein Wasserstoff-Netz aufzubauen, was ja auch von den Unternehmen gefordert wird. Genauso richtig ist es, dies nicht zu groß zu planen. Genau aus den von Ihnen genannten Gründen.
Herr Habeck macht das schon richtig, wie Sie dem Artikel entnehmen können und ist vermutlich ganz ihrer Meinung.

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