Umstrittene Weihnachtsaktion Tschechien: Hehlerware als Weihnachtsgeschenk?
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23. Dezember 2019, 05:00 Uhr
Die tschechische Finanzministerin Alena Schillerová hatte versprochen, den Staatshaushalt auf Vordermann zu bringen. Dabei sind ihr offenbar alle Mittel recht. Kurz vor Weihnachten pries sie das staatliche Versteigerungsportal als erstklassige Quelle für Weihnachtsgeschenke an. Dass ein Großteil der Waren dort von Straftaten und Zwangsvollstreckungen stammt, störte sie nicht. Doch die Bürger wollen den drittklassigen Ramsch nicht kaufen. Statt Mehreinnahmen fließen nun reichlich Spott und Häme.
Die tschechische Finanzministerin Alena Schillerová empfiehlt zurzeit einen Blick auf die Resterampe des Staates, eine Art "staatliches ebay": Vielleicht findet sich hier ja noch ein Weihnachtsgeschenk? "Wenn Sie immer noch nicht wissen, was Sie zu Weihnachten verschenken wollen, versuchen Sie es doch mal auf dem staatlichen Auktionsportal nabidkamajetku.cz, das vom Vermögensamt betrieben wird. Sie finden da eine ganze Reihe von Gegenständen und Grundstücken, die dem Staat zugefallen sind und die er nun so effektiv wie möglich loswerden will", schreibt die Finanzministerin auf ihrem Facebook-Profil.
Höchstgebot gesucht
Die Auswahl sei wirklich bunt, von einer Playstation-Konsole über Haushaltsgeräte bis hin zum Weltkriegsbunker, so Schillerová. Für das Versteigerungsportal wurde eigens eine App aufgelegt, mit der auch Privatpersonen nicht (mehr) benötigtes Staatseigentum meistbietend erwerben können. Darüber hinaus gibt es auch ein klassisches Auktionsportal im Internet. In der Vergangenheit konnten nur staatliche Institutionen dort "einkaufen" gehen.
Meint sie das ernst? Gräber, Gitarre, Plüschtiere, Unfallwagen
Ist die Weihnachtsinitiative der Ministerin wirklich ernst gemeint oder handelt es sich nur um einen äußerst schlechten Witz, fragten sich Internetuser und Journalisten. Der Grund: Viele der Gegenstände im staatlichen Auktionsportal stammen aus Straftaten oder Zwangsvollstreckungen. Gerade daran stoßen sich viele User, die den Facebook-Post von Schillerová kommentieren. Sie empfinden ihr Angebot als zynisch und empathielos.
Bieten Sie wirklich Gegenstände als Weihnachtsgeschenk an, die in Not geratenen Familien weggenommen wurden?
Neben moralischen Bedenken weisen viele User darauf hin, dass die zum Verkauf stehenden Gegenstände wenig attraktiv bis unverkäuflich sind. Ein Blick in das Portal bestätigt, wie bizarr das Angebot ist: neun Gräber, 13 Mal alte Audiotechnik und Fotoapparate mit Startpreisen ab 150 Kronen (5,88 Euro) sowie unzählige vorsintflutlich anmutende Handys. Auch 37 Hunde aus Staatseigentum werden kurioserweise in den Auktionen versteigert. Des Weiteren im Angebot der Ministerin: Uhren, Schmuck, eine Gitarre, ein Rasierapparat, Nieten, Schrauben, Gewehrvisiere, Bohrer, Vasen, Lampen, Handys, Plüschtiere, Taschenmesser, Keramik-Nippes.
Vernichtende Reaktionen
Was ANO-Parteikollege und Ministerpräsident Andrej Babiš von der Aktion hält, ist nicht klar. Er hat zurzeit andere Sorgen: Gegen ihn wird erneut wegen Korruptionsverdacht ermittelt, tausende Tschechen fordern seinen Rücktritt. Die zahlreichen User-Reaktionen unter dem Facebook-Post der Ministerin jedoch sprechen Bände. Ein User fragt ironisch: "Nur damit ich im Bilde bin, wenn ich diese Plüschtiere zu Weihnachten kaufe: Stammen sie von verstorbenen Kindern, aus einer Zwangsvollstreckung oder wurden die gestohlen? Danke".
Und die Ministerin antwortet doch tatsächlich: "Guten Tag. Die Gegenstände stammen aus Straftaten." Daraufhin spottet eine andere Bürgerin: Welcher normale Dieb würde denn Spielzeug klauen? Ihr würde keiner einfallen, außer die Trauergestalten aus dem amerikanischen Weihnachtshit "Kevin allein zu Hause". "Liefern Sie das auch in Geschenkverpackung?", will noch jemand wissen. Und manche Kommentare werden dann auch politisch: "Ich würde mir wünschen, dass diese Regierung zum Teufel gejagt wird. Liebes Christkind, du weißt doch, wie artig ich dieses Jahr war!"
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 04. Dezember 2019 | 17:45 Uhr