Porträt Linken-Europakandidatin Ines Schwerdtner: Seitenwechsel einer Journalistin
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19. November 2023, 08:32 Uhr
Ines Schwerdtner ist Journalistin aus Berlin und hat die Seiten gewechselt. Statt bloß zu berichten, will sie zur Europawahl 2024 selbst antreten. Ihre politische Heimat hat sie bei den Linken gefunden. Sie möchte als Kandidatin der Linken für ganz Ostdeutschland in den Europawahlkampf ziehen – unterstützt wird sie im Osten allerdings nur von den Linken aus Sachsen-Anhalt. Ein Porträt.
- Ines Schwerdtner kommt aus Berlin, tritt aber für Sachsen-Anhalts Linke zur Europawahl an. Kein Problem, meint Parteivorsitzende Böttger.
- Schwerdtner war viele Jahre freiberufliche Journalistin. Jetzt will sie Politik machen und die Linke aus der Krise führen.
- Sie unterstützt die linken Kommunalverbände und möchte als Kandidatin des Ostens auftreten – hat aber namhafte Konkurrenz.
Sachsen-Anhalts Linke schicken zur Europawahl am 9. Juni 2024 keinen Kandidaten aus dem eigenen Bundesland ins Rennen. Stattdessen hat sich die Landespartei für die Berlinerin Ines Schwerdtner als Spitzenkandidatin entschieden. Noch dazu ist die 34-Jährige erst seit Sommer dieses Jahres überhaupt in der Politik und in der Partei. Kann das funktionieren? Ja, glaubt man der Landesvorsitzenden der Linken Janina Böttger. Schwerdtner war am Mittwoch in Halle zu Besuch.
Schwerdtner auf Platz 5 der Bundesliste
Am Samstagabend ist Ines Schwerdtner auf dem Bundesparteitag der Linken auf Listenplatz fünf gewählt worden. Sie erhielt im ersten Wahlgang 40,9 Prozent, in der anschließenden Stichwahl dann 57,5 Prozent der Stimmen.
Bei der Europawahl 2019 holten die Linken fünf Sitze im Europäischen Parlament. Sollten sie also nicht an Wählerstimmen verlieren, hätte Schwerdtner realistische Chancen, Sachsen-Anhalts Linke zukünftig im EU-Parlament zu vertreten. Allerdings hat die Partei seit Jahren mit immer weiter sinkenden Wahlergebnissen zu kämpfen.
Europakandidatin für Sachsen-Anhalt aus Berlin
"Wir als Linke stehen fest an eurer Seite", ruft Ines Schwerdtner den Demonstranten am Mittwochmittag in Halle zu. Sie steht auf der Ladefläche eines Transporters. Die Demonstranten vor ihr: Beschäftigte aus dem öffentlichen Dienst. Sie streiken an diesem Tag für mehr Lohn. Schwerdtner ist bereits seit dem Morgen dabei, hat auch den Demozug aus dem Volkspark bis ans Steintor begleitet. Sie spricht mit den Menschen, fragt nach, hört zu.
Sie präsentiert sich als eine von ihnen. Dabei kommt sie selbst eigentlich gar nicht aus Sachsen-Anhalt. Aufgewachsen ist sie in Sachsen. Heute lebt die 34-Jährige mit ihrem Sohn in Berlin. Eine Millionenstadt, ganz anders als das, was man in Sachsen-Anhalt kennt. Und trotzdem hat sich der sachsen-anhaltlische Landesverband der Linken dazu entschlossen, Ines Schwerdtner zu seiner Spitzenkandidatin für die Europawahl im kommenden Jahr zu machen – zur Spitzenkandidatin für Sachsen-Anhalt. Kann das funktionieren?
"Es gibt sehr viele Europaabgeordnete, die ihre Büros auch in anderen Bundesländern haben", meint Janina Böttger. Sie ist Landesvorsitzende der Linkspartei und sagt: "Wir haben einen sehr guten Draht zu ihr." Schwerdtner sei auch bei Vorstandssitzungen und anderen Beratungen der Partei dabei gewesen. Volle Unterstützung also für eine Frau, die bis vor wenigen Monaten noch gar nicht Mitglied der Linken war.
Seitenwechsel: Politik statt Journalismus
Denn Ines Schwerdtner war freie Journalistin, hat für verschiedene Medien geschrieben und dann selbst ein Magazin gegründet. "Das kommt aus den USA, das heißt 'Jacobin Magazin', ein linkes Magazin, um eine frische neue Stimme des Sozialismus zu sein", erzählt sie. Darüber sei sie schließlich auch zur Linkspartei gekommen, die sie als Journalistin lange beobachtet und über die sie hunderte Texte geschrieben habe. Dabei sei in ihr die Entscheidung gereift, nicht mehr nur am Rand zu stehen, sondern selbst in der Politik mitzumachen.
In Europa drohe ein sehr starker Rechtsruck, während die Linke selbst in einer Krise stecke. "Ich habe dann gedacht, das passt vielleicht nicht in meinen persönlichen Lebensplan, aber es ist eigentlich jetzt oder nie. In zwei Jahren kann es auch zu spät sein", so Schwerdtner. Also trat sie im Sommer dieses Jahres in die Partei ein. Es sei aber klar, dass man die Linke nur zusammen retten könne. "Wenn wir gemeinsam an einem Strang ziehen, dann glaube ich, dass wir das auch schaffen können. Ich bin da guter Dinge", gibt sich Schwerdtner optimistisch.
Dabei hat die Linke gerade mit dem Austritt ihres vielleicht prominentesten Gesichts zu kämpfen. Sahra Wagenknecht gründet ihre eigene Partei und Mitglieder der Linken folgen ihr. Für Schwerdtner ist das keine Option: "Es wäre verantwortungslos, einfach aufs nächste Pferd zu springen, weil es gerade vielversprechend ist. Das können andere machen." Sie wolle sich nicht auf eine Person verlassen, die heute das und morgen das sage.
Schwerdtner will Linke vor Ort unterstützen
Am Nachmittag hilft Ines Schwerdtner den Linken in Halle noch bei einer Unterschriftensammlung. Gemeinsam mit der Landesvorsitzenden Janina Böttger klappert sie die Hauseingänge der Wohnblöcke ab. Es geht um eine Mietenpetition, einen Mietendeckel für die Stadt Halle sozusagen. Ein bekanntes Thema für Schwerdtner. In Berlin hat sie Unterschriften zur Enteignung großer Immobilienkonzerne gesammelt – erfolgreich.
Ihre Erfahrung sei, dass man für solche Haustürgespräche einen langen Atem brauche. Die meisten seien dann doch froh, wenn man mit ihnen gesprochen habe. Aber bis dahin müsse man viele Klingeln drücken. In Halle geht es der 34-Jährigen dabei um noch etwas anders. Sie will den Parteimitgliedern vor Ort zeigen: Wenn sie gemeinsam mit ihr im nächsten Frühjahr Europawahlkampf machen, "dann mache ich mit euch natürlich auch Kommunalwahlkampf". Doch viel Zeit bleibt dafür an diesem Tag nicht. Noch am Mittwochnachmittag muss Schwerdtner schon wieder weiter.
Ihre nächste Station nach Halle ist Brandenburg. Immerhin will sie sich als linke Europakandidatin den gesamten Osten präsentieren. Doch hinter sie haben sich nur die Landesverbände aus Sachsen-Anhalt und – wenn auch nicht in Ostdeutschland – Bayern gestellt. In Sachsen, wo Schwerdtner aufgewachsen ist, haben sich die Linken stattdessen für die Aktivistin Carola Rackete als Spitzenkandidatin entschieden, die 2019 als umstrittene Seenotretterin im Mittelmeer bekannt wurde.
Kontakt zur Basis statt zu Lobbyisten
Sollte Schwerdtner es ins Europäische Parlament schaffen, will sie ihr Mandatsgehalt auf einen Facharbeiterlohn begrenzen. "Ich werde mehr bei der Bevölkerung als bei den Lobbyisten sein", kündigt sie an. Im Parlament selbst möchte die Linkenpolitikerin dann mit ihren Themen Wirtschafts- und Industriepolitik überzeugen. Europa hänge bei eigentlich allen zukunftsweisenden Technologien hinterher, resümiert sie.
Erneuerbare Energien, Bahnstrecken, Stromnetze – alles Themen, für die Schwerdtner mit den Linken streiten möchte. Doch vorher muss sie die Hürde nehmen, überhaupt genügend Stimmen für die Linkspartei zu sammeln. Angesichts sinkender Wahlergebnisse und Umfragewerte in den letzten Jahren, ist ein Platz im EU-Parlament keine Selbstverständlichkeit mehr.
MDR (Engin Haupt) | Erstmals veröffentlicht am 17.11.2023
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 17. November 2023 | 19:00 Uhr
MiSt am 19.11.2023
@Ralf G
Unabhängig von dem ganzen mikrokosmischen Geschwurbel ist es tatsächlich so, dass hier lediglich ein Funktionswechsel aus einer passiv-berichtenden in eine aktiv-agierende Funktion auf Seiten der politischen Linken angestrebt wird. Sollte nicht so schwer zu verstehen sein, kann aber gern wortreich widersprochen werden.
Anita L. am 19.11.2023
@pwsksk, müssen wir noch einmal auf die Grundlagen einer richtigen Argumentation eingehen? Wer die Behauptung aufstellt, hat die Beweise zu liefern.
Der Forist Altlehrer stellt eine (ganz "clever" als "Vermutung" getarnte) Behauptung auf, die noch dazu eine weitere Unterstellung gegen die Person Schwerdtner schlussfolgert. Warum soll irgendjemand diese Behauptungen entkräften, solange der Forist noch nicht einmal ansatzweise eine Begründung für seine Ad hominem-Unterstellung liefert?
Anita L. am 19.11.2023
Unbewiesene Behauptungen aufstellen, um eine einem unbeliebte Person zu diskreditieren, ist so ziemlich die letzte Stufe in einer Argumentation, wenn einem keine sachlichen und vor allem belegbaren Argumente mehr einfallen. Pfui Teufel. Da sind mir ja jene, die der betreffenden Person unterstellen, sich "der falschen Partei anzudienen".