Willi Polte, steht mit einem weißen Anorak und einem karierten Hemd vor der Magdeburger Hubbrücke.
Willi Polte war von 1990 bis 2001 Oberbürgermeister von Magdeburg. Bildrechte: MDR/Guido Hensch

Magdeburger Oberbürgermeister Willi Polte – ein Gestalter wird 85

11. Januar 2023, 16:41 Uhr

Magdeburg galt zu DDR-Zeiten als graue Industriestadt im Westen der kleinen Republik, in der zwar der Sport eine große Rolle spielte, ansonsten aber eher nicht so viel los war. Mit der Wende allerdings wurden die Karten neu gemischt, denn Magdeburg, vom Krieg schwer zerstört, gehörte zu den ostdeutschen Städten mit dem höchsten Entwicklungspotenzial. Der langjährige Oberbürgermeister Willi Polte begleitete und gestaltete diesen Prozess. Uli Wittstock blickt zurück.

Portrait-Bild von Uli Wittstock
Bildrechte: Uli Wittstock/Matthias Piekacz

Als Wendehals kann man Willi Polte nicht bezeichnen, denn er war bereits 1960, ein Jahr vor dem Mauerbau, in die SPD eingetreten, heimlich natürlich, bei einem Besuch in Westberlin, als dort der SPD Bürgermeister Willy Brandt regierte. Einen Parteibeitrag musste Polte natürlich nicht zahlen, denn was hätte wohl die SPD mit dem Ostgeld anfangen sollen, zumal ja die SPD im Osten verboten war. 

Als sich dann im Wendeherbst Bestrebungen zur Gründung einer ostdeutschen sozialdemokratischen Partei abzeichneten, gehörte Willi Polte zu den Organisatoren und wurde später Vorsitzender des Stadtverbandes sowie Parteichef des Bezirks Magdeburg.

Magdeburg 1990: Wilder Osten

Magdeburg galt als traditionelle Hochburg der SPD und so wunderte es nicht, dass der Ingenieur Willi Polte die ersten freien Kommunalwahlen der DDR im Frühjahr 1990 gewann.

Doch während sich Stadtrat und Verwaltung erstmal neu sortieren mussten, übernahm Willi Polte ein fragliches politisches Erbe. Denn sein unmittelbarer Amtsvorgänger, der PDS-Mann Werner Nothe, hatte große Teile der Magdeburger Innenstadt an einen windigen Unternehmer aus der Nähe von Düsseldorf veräußert, rund 50 Hektar besten Innenstadtlage.

Zwischen dem Hauptbahnhof und der Elbe, also der heutigen Kernzone der Innenstadt, erstreckten sich damals nur Grünflächen. Diese Geschäfte rück abzuwickeln und zugleich die Ansprüche hunderter Alteigentümer zu prüfen, bestimmte die erste Phase des städtischen Wiederaufbaus.

Während andere Städte wie Halle oder Leipzig von allerlei Wendeskandalen erschüttert wurden, blieb dies der Stadt Magdeburg in Folge erspart. Das ist bestimmt auch dem Wirken des Oberbürgermeisters zu verdanken. Ob aber aus heutiger Sicht die Innenstadtentwicklung mit den drei bestimmenden Einkaufscentern als gelungen gelten darf, ist umstritten. Allerdings schien es seinerzeit dazu kaum Alternativen zu geben, auch mit Blick auf die großen Center jenseits der Stadtgrenze.

Allee-Center-Magdeburg
Das Allee-Center ist eines der großen Einkaufszentren in der Magdeburger Innenstadt. Bildrechte: imago images/Christian Schroedter

Ende des Schwermaschinenbaus in Magdeburg

Während Stadtverwaltung und Politik mit dem Neustart beschäftigt waren, ging der Wirtschaft die Puste aus. Der ehedem als stahlhart geltende Magdeburger Schwermaschinenbau ging in den Wellen der Privatisierung unter. Zehntausende Beschäftigte verloren ihren Job.

Ausgerechnet der Ingenieur Willi Polte sollte Recht behalten mit seiner Vision, dass die Stadt des Schwermaschinenbaus sich zu einer Stadt der Dienstleistung und der Verwaltung wandeln würde. Seinerzeit allerdings erntete er dafür erhebliche Kritik. Alle Versuche, einen Kern des Maschinenbaus in Magdeburg zu erhalten, scheiterten jedoch. Allerdings spielten die Stadt und ihr Oberbürgermeister in den Verhandlungen zwischen der Treuhand und der Landesregierung so gut wie keine Rolle.

Willi Polte: Ein glühender Lokalpatriot

Neben den wirtschaftlichen Schwierigkeiten prägten die ersten Jahre auch die Auseinandersetzung mit rechtsradikalen Übergriffen. Immer wieder geriet die Stadt in die bundesdeutschen Schlagzeilen, etwa nach dem Überfall auf die Magdeburger Elbterassen mit dem Tod von Torsten Lamprecht. Drei Jahre später waren es die Magdeburger Himmelfahrtskrawalle, die sogar international für Aufsehen sorgten.

Willi Polte verwies vor allem auf den Umstand, dass die meisten der Täter nicht aus der Stadt selbst, sondern aus dem Umland stammten. Die Befürchtung, dem Image der Stadt weiter zu schaden, schien größer zu sein, als einzugestehen, dass auch Magdeburg ein Problem mit rechtsextremer Gewalt hatte. Noch Jahre später war Magdeburg immer wieder auf Deutschlandkarten verzeichnet, die No-go-Areas für Menschen zeigten, die von Rassismus betroffen sind.

Blick auf den Jahrtausendturm im Magdeburger Elbauenpark
Der Elbauenpark in Magdeburg zieht lange nach der Bundesgartenschau noch Besucher an. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Peter Gercke

Andererseits dürfte wohl Willi Polte der einzige Oberbürgermeister einer deutschen Großstadt sein, der einen Auftritt in der Fernsehserie "Lindenstraße" nutzte, um für die Bundesgartenschau in der Stadt zu werben. Wenn es um die Nachhaltigkeit staatlicher Förderung geht, könnte die Buga in Magdeburg als ein positives Beispiel gelten, denn der Elbauenpark ist noch immer ein beliebter Ausflugsort für die Magdeburger und ihre Besucher. Willi Polte hat daran einen großen Anteil.

Politisch eigensinnig

Anders als sein Parteifreund und Amtsnachfolger Lutz Trümper trat Willi Polte nie aus der SPD aus und wieder ein. Dass er allerdings zumindest zeitweilig mit seiner Partei über Kreuz lag, darf als sicher gelten. Insbesondere das Magdeburger Modell, eine SPD-Minderheitsregierung, toleriert von den damaligen SED-Nachfolgern PDS, war für Willi Polte schwer erträglich. Entgegen aller Befürchtungen nahm die Demokratie jedoch keinen Schaden.

Immerhin wurde Willi Polte im Jahr 2010 für seine 50-jährige Mitgliedschaft in der SPD mit dem Goldenen Parteiabzeichen geehrt. Er dürfte der einzige ehemalige DDR-Bürger sein, der diese Auszeichnung bislang erhalten hat. Aktiv für "seine" Stadt ist Willi Polte noch immer. So lancierte er vor einiger Zeit Pläne, Teile der verlorenen Magdeburger Barockfassaden mit modernen Mitteln wieder aufzubauen, wofür er sowohl glühende Begeisterung als auch laute Protest erntete. Das freilich ist er gewohnt. Bislang jedenfalls wurden viele seiner Vorstellungen tatsächlich auch umgesetzt.

MDR (Uli Wittstock, Maren Wilczek)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 11. Januar 2023 | 08:10 Uhr

1 Kommentar

DanielSBK am 11.01.2023

Willi wer??

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