Oberbürgermeisterin im Interview Simone Borris: "2022 war ein gutes Jahr für Magdeburg"

30. Dezember 2022, 05:22 Uhr

Intel-Ansiedlung, Energiekrise, Haushaltsloch und die ewige Tunnelbaustelle – drängende Themen hat Magdeburgs neue Oberbürgermeisterin Simone Borris zu Hauf auf dem Schreibtisch. Wie sie sie anzugehen gedenkt, welche neuen Herausforderungen das Jahr 2023 bringen wird und welche Projekte sie anschieben will, hat Borris dem MDR im Interview verraten.

Sören Thümler
Bildrechte: MDR/Sören Thümler

Seit Juli hat die Landeshauptstadt Magdeburg eine neue Oberbürgermeisterin. Die ehemalige Sozialbeigeordnete Simone Borris (parteilos) trat die Nachfolge von Lutz Trümper (SPD) an, der zuvor 21 Jahre an der Spitze der Stadtverwaltung stand. Sören Thümler hat sie zum traditionellen Jahresendinterview getroffen.

Im Sommer, nach Ihrer Wahl, hatte ich das Interview angekündigt. Und nun sind Sie schon fast ein halbes Jahr im Amt. Wie geht es Ihnen persönlich? Wie haben Sie diese ersten Monate als Oberbürgermeisterin denn überhaupt erlebt?

Simone Borris: Also mir geht es persönlich sehr gut. Ich fühle mich auch überhaupt nicht gestresst. Die ersten Wochen waren natürlich dadurch geprägt, dass ich erst mal die Leute noch näher kennenlernen musste, die man zuvor nur so im Vorbeigehen schon mal gesehen hat. Dazu kamen auch die neuen Arbeitsabläufe. Wie läuft es im Büro des Oberbürgermeisters oder jetzt der Oberbürgermeisterin? Da musste ich mich erst einmal ein bisschen einfinden. Dann natürlich die erste Stadtratssitzung und erste Aufsichtsratssitzungen. Jede Sache war dann ein erstes Mal, und mittlerweile, glaube ich, habe ich mich ganz gut reingefunden.

Ich fühle mich überhaupt nicht gestresst.

Simone Borris Oberbürgermeisterin Magdeburg

Haben Sie denn auch Dinge völlig neu gemacht?

Ein paar Dinge schon, ja. Ich habe Regeltermine für bestimmte Teams festgelegt. Ich habe auch ein Konzept für Bürgerbeteiligung für das nächste Jahr auflegen lassen. Das werden wir jetzt noch feinjustieren. Ich möchte ja auch andere Formate noch zusätzlich einführen, wie zum Beispiel Kaffeetrinken mit der Oberbürgermeisterin an verschiedenen Orten in der Stadt. Dass die Menschen einen dort treffen, wo sie zu Hause sind und nicht ins Rathaus kommen müssen.

Es wird auch wieder die reguläre Bürgersprechstunde geben. Wir haben die Bürgerberatung wieder neu aufleben lassen. Eine Einwohnerversammlung hatte ich jetzt auch erstmals. Die will ich noch häufiger machen und dann möglicherweise auch mal mit anderen Formaten. Nicht immer frontal, sondern tatsächlich eben auch mal in Gesprächsrunden, so dass man auch besser in die Diskussion kommt.

Ein großes Thema in der Stadt ist ja die die Ansiedlung des US-Chipherstellers Intel. Wie ist der Stand? Und wie läuft die Zusammenarbeit aus Ihrer Sicht?

Das läuft ja auf zwei Ebenen. Einmal die Zusammenarbeit auf der Landesebene, mit der Stadt und den Umlandgemeinden, die mit zu dem Hightech-Park gehören. Da werden verschiedene Themen beraten, die eben auch in Richtung Intel zu besprechen sind. Und die Gespräche mit Intel selbst. Da passiert viel auch auf der Ebene mit dem Wirtschaftsdezernat und dem neu gebildeten Team. Also nach anfänglichem Ruckeln, denke ich mal, hat sich das jetzt ganz gut entwickelt. Und wir sind zuversichtlich, dass wir zwar den Zeitplan nicht so halten, wie er am Anfang gestanden hat, aber auf alle Fälle im Jahr 2023 dann doch einen Spatenstich erleben werden.

Also nach anfänglichem Ruckeln, denke ich mal, hat sich das jetzt ganz gut entwickelt.

Simone Borris Oberbürgermeisterin Magdeburg

Die veränderte Weltlage mit den Auswirkungen der Pandemie und des Krieges in der Ukraine haben also keine Folgen für die Intel-Ansiedlung?

Zusammengezuckt sind wir wahrscheinlich alle, weil die Kostensteigerungen werden ja auch an Intel nicht vorbeigehen. In Sachen Baukostensteigerungen habe ich mir gerade gestern noch einmal das Haushalts-Interview von meinem Alt-OB angehört. Und er hat im Dezember letzten Jahres schon darauf hingewiesen. Zinssteigerungen und auch Baukostensteigerungen werden uns ereilen. Das ist auch eingetreten und es geht auch an Intel nicht vorbei.

Zu dem Zeitpunkt, als Intel die Zusage getroffen hat, gab es den Ukraine-Krieg noch nicht. Und bestimmte Entwicklung waren damals nicht im Blick. Aber nach dem Grundstückskauf durch die Stadt und dann den Verkauf an Intel, denke ich mal, sind wir wieder zuversichtlich, dass das auch alles funktionieren wird. Es geht jetzt voran.

Da sind wir schon beim Thema Baustellen. Sie werden das Stadtoberhaupt sein, welches dann im nächsten Jahr keine Frage mehr zur Tunnelbaustelle und einem Eröffnungstermin beantworten muss. Wie optimistisch sind Sie denn, dass die Eisenbahnunterführung am Bahnhof endlich eröffnet wird?

Ja, sehr optimistisch. Wir sind jetzt bei den letzten Arbeiten. Offen ist ja die Tunnelüberwachung. Da bin ich auch zuversichtlich, dass wir erst mal eine Zwischenlösung finden, sodass der Tunnel tatsächlich dann im ersten Quartal eröffnet werden kann. Mir wäre es natürlich lieb, wenn es der Januar oder Februar wäre. Vielleicht wird es März. Aber auf alle Fälle im ersten Quartal. Die Zeichen stehen jedenfalls günstig.

Ja, und natürlich werde ich den Alt-OB dazu bitten, das Bändchen mit durchzuschneiden. Denn das war ja sein Großprojekt und ich glaube, er hätte es ganz gern auch noch selbst in seiner Amtszeit zu Ende gebracht.

Wir müssen natürlich hier auch über die Energiepreise reden. Wie ist Magdeburg auf die Steigerungen, die da kommen, vorbereitet?  Und wie geht die Stadt mit eventuellen Stromausfällen um?

Ich denke, die SWM sind ganz gut aufgestellt. Wir haben gerade bei den Heizkosten ja den Vorteil, dass wir mit dem Müllheizkraftwerk, welches hoffentlich auch genug Müll zum Verbrennen bekommt, in der Perspektive ganz gut aufgestellt sind. Hier wird ein dritter Block gebaut und dann können noch weitere Gebiete an die Fernwärme angeschlossen werden. Wir werden trotzdem nicht daran vorbeikommen, die Preise zu erhöhen. Also das wird die Herausforderung der nächsten Wochen und Monate.

Das Thema „Blackout“-Vorbereitung hatten wir im Stadtrat in einer aktuellen Debatte. Es gibt dazu auch eine Arbeitsgruppe. Die haben jetzt ein Konzept erarbeitet, welches wir demnächst auch in den Ausschüssen vorstellen werden. Es sind zum Beispiel zusätzlich Notstromaggregate für die Feuerwehr angeschafft worden. Ich glaube, wenn es dazu kommt, dann sind wir bis zu einem bestimmten Punkt gut darauf vorbereitet und müssen aber auch weiterhin darauf hoffen, dass die Selbsthilfe unter den Magdeburgern und unter den Vereinen und Verbänden, die auch für die Menschen in der Stadt da sind, vorangeschritten und machbar ist.

Der Stadtrat hat jetzt ja auch den Haushalt für 2023 beschlossen. Wie ist Magdeburg denn aufgestellt für das kommende Jahr?

Wir hatten ja vor kurzem die Meldung, dass wir fast eine schwarze Null haben. Nur 330.000 Euro Minus. Nun sind verschiedene Dinge dazugekommen, sodass wir jetzt mit einem Defizit von 4,5 Millionen in das Jahr gehen, weil bestimmte Positionen gerade auch im sozialen Bereich dazugekommen sind. Soziales bleibt nach wie vor mit der Hälfte der Ausgaben die größte Position. Die meisten Leistungen davon sind aber verpflichtend.

Nun sind verschiedene Dinge dazugekommen, sodass wir jetzt mit einem Defizit von 4,5 Millionen in das Jahr gehen.

Simone Borris Oberbürgermeisterin Magdeburg

Und dann sind da ja Investitionen von rund 150 Millionen Euro. Vieles für die laufenden Bauprojekte wie Strombrücke, Stadthalle oder Hyparschale. Und man muss auch sagen, wir sind in den letzten Jahren immer mit dem ausgeglichenen Haushalt über die Runden gekommen. Das ist auch der klugen Politik des ehemaligen Finanzbeigeordneten im Zusammenspiel mit unserem Ex-Oberbürgermeister Lutz Trümper zu verdanken.

Kommen wir zu einem Thema, das Ihnen am Herzen liegt: Die „Sportstadt“ Magdeburg. Wie wichtig sind Erfolge der Handballer des SCM oder auch der Klassenerhalt des 1. FC Magdeburg in der 2. Fußball-Bundesliga für die Stadt?

Also zuerst möchte ich hier einmal sagen, dass ich natürlich sportbegeistert bin. Das heißt aber nicht, dass ich nicht auch für die Kultur und für die Bildung in der Stadt ein Herz habe. Das möchte ich einmal betonen, weil es gibt immer auch mal wieder so Hinweise, dass ich mich im Opernhaus nicht sehen lasse.

Natürlich sind die Sport-Mannschaften wie der 1. FC Magdeburg, aber auch die Handballer ein wesentlicher Bestandteil der Stadt. Die Wahrnehmung im Fußball ist nun mal sehr groß. Man sieht es ja auch, wieviel Fans des 1. FC Magdeburg mit zu den Auswärtsspielen fahren. Es ist einfach mal genial, und ich bin auch zuversichtlich, dass wir die Klasse halten. Wir brauchen natürlich auch diesen Wirtschaftsfaktor.

Die Stadt möchte eine klimaneutrale Kommune bis 2035 werden. Ist das Ziel wirklich erreichbar und vor allem, wie?

Grundsätzlich, denke ich, das Ziel muss erreicht werden. Ob es bis 2035 erreicht werden kann, weiß ich nicht. Den Umstieg auf den ÖPNV werde ich jetzt nicht durch Druck erreichen. Das kann nicht gelingen, sondern ich muss die Menschen tatsächlich überzeugen und da packen, wo es ihnen persönlich eben auch ein Herzenswunsch ist, für die Klimaneutralität etwas zu tun. Wir haben ein Konzept. Den Masterplan 100 Prozent Klimaschutz. Nun gilt es, den wirklich auch in den Blick zu nehmen und auch umzusetzen.

Grünes Bauen hatten wir angesprochen. bei Neubaumaßnahmen oder eben auch bei Sanierungsmaßnahmen immer wieder auch das Grün mit in den Blick zu nehmen. Was kann die Stadt da machen? Wo kann ich Photovoltaikanlagen tatsächlich anbringen? Welche Förderprogramme gibt es, mit denen ich eben auch Klimaneutralität herstellen kann? Und vielleicht gelingt es auch später, Abwärme von Industrieansiedlungen zu nutzen, um da eben auch klimaneutraler zu werden.

Und am Endes des Jahres müssen wir natürlich fragen: Wie war das zu Ende gehende Jahr 2022 für Magdeburg und für die Magdeburgerinnen und Magdeburger. Wie war dieses Jahr aus Ihrer Sicht?

Ich glaube, dass das Jahr 2022 mit allen Herausforderungen trotzdem für die Stadt Magdeburg ein gutes Jahr gewesen ist. Wir haben viel erreicht, und das sage ich immer wieder in allen Runden, in denen ich bin. Wir Magdeburger sollten einfach mal wirklich richtig stolz sein auf unsere Stadt, weil diese wunderschön ist. Und auch wie ehrenamtlich engagiert die Menschen in der Stadt Magdeburg sind. Das kann man wirklich nicht genug loben.

Wir Magdeburger sollten einfach mal wirklich richtig stolz sein auf unsere Stadt.

Simone Borris Oberbürgermeisterin Magdeburg

Das ist nicht nur eine Floskel. Wir haben es gesehen bei der Aufnahme der Ukraine-Flüchtlinge. Wie gut es uns in der Stadt gelungen ist, sich um die Menschen zu kümmern. Sie sind alle in Wohnungen untergebracht, werden zum großen Teil auch für die Stadt perspektivisch tätig werden, werden eine Arbeit aufnehmen. Wir werden auch mit den ganzen schwierigen Verkehrssituationen gut klarkommen. Also ich glaube, es ist ein erfolgreiches Jahr gewesen. Man kann sehen, wie sich vieles entwickelt und eine Stadt, die baut, das muss man immer wieder sagen, hat noch Geld und ist eine gutsituierte Stadt.

Und dann schließt sich natürlich diese Frage an. Vor welchen Herausforderungen steht der Stadt Magdeburg im kommenden Jahr bevor? Die Bewältigung der Energiekrise? Was denken Sie mit Blick auf 2023?

Also die Herausforderung wird sein, dass wir für alle Menschen in der Stadt gleichermaßen den Zusammenhalt beibehalten. Dass die Stadtgesellschaft nicht auseinanderdriftet, sondern wir nach wie vor zueinanderstehen, dass alle Errungenschaften, die wir in der Stadt haben, sei es die kulturelle Landschaft, aufrechtzuerhalten. Im Bildungsbereich müssen wir mehr für unsere Kinder und Jugendlichen tun.

Es gilt, die Großprojekte, die wir uns vorgenommen haben, auch umzusetzen. Wenn Intel kommt, dass wir auch da alle Rahmenbedingungen so schaffen können, dass die neu zu uns kommenden Menschen dann auch gut aufgenommen werden. Dass die Stadt Magdeburg noch internationaler wird, die Behörden besser arbeiten und bürgerfreundlicher werden können. Also, das sind die Herausforderungen, vor denen wir stehen. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir das schaffen.

Und was wünschen Sie denn den Einwohnerinnen und Einwohnern Magdeburgs und vielleicht auch den Gästen der Stadt?

Der Magdeburger neigt ja immer dazu, das Glas halb voll zu sehen oder zu sagen „da kann man nicht meckern“. Das ist ja schon das höchste Lob. Also ich würde mir einfach wünschen, dass die Menschen zuversichtlich bleiben und ein Stück weit ihren Optimismus behalten, sich auf die schönen Dinge besinnen, die da sind, Freunde zu haben und Freunde auch zu behalten. Das ist gerade in Corona-Zeiten nicht so einfach gewesen. Und vor allem wünsche ich natürlich allen Magdeburgern und Magdeburgerinnen Gesundheit. Denn das ist ein Gut, welches man sich mit Geld nicht kaufen kann.

Vielen Dank für das Gespräch.

MDR (Sören Thümler, Daniel Salpius)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 29. Dezember 2022 | 16:30 Uhr

6 Kommentare

DanielSBK am 30.12.2022

Hat er. Zusätzlich wurde auch noch eine sehr gute (hohe) bezahlte Beamtenstelle "geschaffen" - TaskForce-Bearbeiter "Intel" oder so ähnlich....
Die Ausschreibung dazu spottet jeder Beschreibung und war auch wohl nur 2 Tage "on Air"... alles ein abgekartetes Spiel, am grünen Tisch im Hinterzimmer entschieden..

DanielSBK am 30.12.2022

"Nun sind verschiedene Dinge dazugekommen, sodass wir jetzt mit einem Defizit von 4,5 Millionen in das Jahr gehen, weil bestimmte Positionen gerade auch im sozialen Bereich dazugekommen sind."

Köstliche Formulierung für die "Gäste", die hier gleich mal ins Bürgergeld gehen und da auch drinbleiben.... dafür steht man doch gerne früher auf und macht sich den Buckel krumm.

Und wie kann es da dann sein, dass von den zig Tausend keiner bei HelloFresh, Intel oder Amazon arbeiten will???

Haller am 31.12.2022

Slogan wie, "Gemeinsam arbeiten, leben und lernen" (Sinngemäßes Zitat) war füher.

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