Blick auf die Justitia über dem Eingang am Landgericht Chemnitz.
Am Chemnitzer Landgericht hat am Freitag das Verfahren zu den rechten Ausschreitungen - 2018 in Chemnitz gegen die noch drei verbliebenen Angeklagten stattgefunden. (Symbolbild) Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Hendrik Schmidt

Landgericht Chemnitz: Gewalt gegen linke Demonstranten? Gericht stellt Prozess ein

20. Januar 2024, 09:48 Uhr

Das Landgericht in Chemnitz hat einen Prozess zu Angriffen auf Teilnehmer einer "Herz statt Hetze"-Demonstration 2018 in Chemnitz eingestellt. Opfervertreter haben deshalb am Freitag die Justiz scharf kritisiert.

Das Chemnitzer Landgericht hat am Freitag das Verfahren gegen drei mutmaßliche Rechtsextremisten wegen Körperverletzung und Landfriedensbruchs eingestellt. Die Männer im Alter zwischen 26 und 44 Jahren müssen eine Geldauflage von jeweils 1.000 Euro an soziale Einrichtungen leisten. Die Einstellung nach Paragraph 153a Strafprozessordnung erfolgte mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten. Sie ist nicht anfechtbar. Ein vierter Angeklagter hatte zu Beginn des Prozesses ein Geständnis abgelegt, was zur Einstellung seines Verfahrens führte.

Anwältin kristisiert Entscheidung des Gerichts

Nebenklagevertreter sprachen nach dem Prozess von einem Skandal. Rechtsanwältin Kati Lang nannte es einen "Freifahrtschein für den rechten Mob“. Für die Betroffenen sei die Mutlosigkeit der Justiz ein weiterer Schlag ins Gesicht. "Erst die jahrelange Verschleppung des Verfahrens, dann keine Strafen für die an der Tat beteiligten Rechten." Ein Betroffener äußerte sich enttäuscht: "Ich habe durch den Prozess immerhin lernen dürfen, dass Nazis in Deutschland nichts zu befürchten haben, wenn sie auf politische Gegner losgehen."

Das ist ein Freifahrtschein für den rechten Mob.

Kati Lang Rechtsanwältin der Nebenklage

Gericht nennt keinen Grund

Nach Aussage der Nebenklage begründete das Gericht den Einstellungsbeschluss nicht näher. Allerdings dürfte die lange Verfahrensdauer ausschlaggebend gewesen sein. Wegen Corona hatte sich der Prozessbeginn verzögert. Vom Landgericht Chemnitz hieß es gegenüber der Deutschen Presse-Agentur, das Vorgehen sei von der Generalstaatsanwaltschaft angeregt worden. Die Männer aus Niedersachsen und Sachsen hätten zuvor über ihre Anwälte eine Erklärung abgegeben.

Bekannter Neonazi vor Prozess untergetaucht

Ursprünglich waren neun Männer angeklagt gewesen. Einer von ihnen ist ein bundesweit bekannter Neonazi. Der Dortmunder ist untergetaucht, seitdem er am 17. November 2023 eine Haftstrafe in anderer Sache hätte antreten müssen. Ein bulgarischer Angeklagter war nach den Recherchen von MDR SACHSEN nicht erreichbar. Ein weiterer steht demnach wegen psychischer Probleme unter Betreuung. Bei zwei Beschuldigten wurde das Verfahren eingestellt, weil sie in anderen Prozessen höhere Strafen zu erwarten haben.

Bei den Ausschreitungen nach dem so genannten Trauermarsch von AfD, Pegida und Pro Chemnitz waren am 1. September 2018 Rechtsextremisten auf Gegendemonstranten losgegangen. Elf Menschen wurden dabei verletzt. Insgesamt ermittelte die Polizei 29 Beteiligte, darunter prominente Rechtsextremisten aus Westdeutschland. Zwei weitere Prozesse am Landgericht sollen folgen. Bisher stehen jedoch noch keine Termine fest.

MDR (Thomas Datt/wim/Doelling)/dpa

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Chemnitz | 19. Januar 2024 | 17:30 Uhr

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