Ein Mann liest einem Kind aus einem Buch vor.
Robert Dietsche kümmert sich seit fünf Jahren um Kinder und Jugendliche, die einen Trauerfall in ihrem Umfeld zu beklagen haben. Bildrechte: Johanniter Dresden

Hilfe Kinder und Jugendliche bei ihrer Trauer begleiten: das Lacrima in Dresden feiert Geburtstag

27. September 2023, 18:25 Uhr

Einen Menschen zu verlieren, der einem sehr nahe stand, ist nie leicht. Trauer kann sich sehr unterschiedlich äußern. Besonders bei Kindern geht sie ganz eigene Wege. Egal ob Wut rauslassen, weinen oder gemeinsam reden, bei Lacrima ist seit fünf Jahren Platz für alle Formen der Trauer.

Kinder und Erwachsene trauern ganz unterschiedlich, weiß Robert Dietsche vom Kinder- und Jugendtrauerzentrun Lacrima in Dresden. Seiner Erfahrung nach würden Kinder nicht permanent, sondern in Wellen trauern. So schnell die Trauer komme, so schnell sei sie auch wieder weg.

Kinder trauern nicht permanent. Ich beschreibe es gerne mit der Metapher: Sie springen in Trauerpfützen. Die Trauer kommt in Wellen und so schnell wie sie kommt, so schnell ist sie auch wieder weg.

Robert Dietsche Mitarbeiter des Lacrima

Diese zeitweise Trauer ist laut Dietsche Schutzmechanismus und Bewältigungsstrategie für Kinder zugleich. Das heiße nicht, dass wenn sie nach außen hin keine Trauer zeigen, diese nicht unterbewusst verarbeitet werde. Die Art der Trauer hänge somit auch von der kognitiven Entwicklung und dem Alter des Kindes ab.

Anders sehe es bei Erwachsenen aus, bei denen es eher eine permanente Trauer von früh bis spät sei.. Umso wichtiger sei es, den Kindern, aber auch den Eltern einen Raum für ihre Trauer zu geben und individuell auf ihre Bedürfnisse einzugehen.

Das Lacrima wird fünf Jahre alt

Seit 2018 gibt es in Dresden einen solchen Raum, das Kinder- und Jugendtrauerzentrum Lacrima. Robert Dietsche, Leiter der Einrichtung, ist von Anfang mit dabei. Mit seinen knapp 30 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern begleitet er Kinder und Jugendliche, aber auch ihre trauernden Familienangehörigen.

Wir versuchen hier bei Lacrima einen Raum der Begegnungen für trauernde Familien zu schaffen und ihnen wieder zurückzuhelfen in ein verändertes, aber ein normales Leben.

Robert Dietsche Mitarbeiter des Lacrima

Menschen stehen vor einem Haus
Die Trauerbegleitung der Lacrima findet in der Seidnitzer Straße in Dresden statt. Bildrechte: Konstantin Henß

Individuelle Betreuung, so gut es geht

Die Schicksäle, die die Kinder erlebt hätten, könnten laut Robert Dietsche unterschiedlicher nicht sein. Umso wichtiger sei es, dass auch das Betreuungsangebot individuell auf jedes Kind angepasst sei. Deshalb gebe es bei Lacrima sowohl Einzel- als auch Gruppenbetreuung, wobei der Großteil der Betroffenen an den Gruppenstunden teilnehme.

Alle zwei Wochen treffen sich die trauernden Kinder, um sich untereinander auszutauschen, über ihre Gefühle, ihre Lebenssituation, ihre Sorgen, Trost und Hoffnung gemeinsam ins Gespräch zu kommen. Aktuell gebe es laut Dietsche zwischen 50 und 60 Betroffene, unterteilt in sieben Gruppen, je nach Alter.

Eine solche Gruppenstunde beginnt immer mit dem gleichen Ritual, der sogenannten Kerzenrunde. Dabei setzen sich die Kinder mit den ehrenamtlichen Trauerbegleiterinnen und -begleitern in den sogenannten Entspannungsraum. Jedes Kind zündet dort eine selbst gebastelte Kerze an und teilt dem Rest der Gruppe mit, für wen diese brennen soll. Im nächsten Schritt soll jedes Kind erzählen, wie es ihm oder ihr gerade geht. Dietsche erklärt, dass eben diese Gruppenatmosphäre oft einen positiven Effekt auf die Kinder hat.

Innenansicht eines Jugendzentrums
Im sogenannten Entspannungsraum beginnt die Gruppenstunde. Bildrechte: Johanniter Dresden

Der Austausch mit anderen Kindern, das Gefühl zu bekommen, es gibt eine Unterstützung, weil andere Kinder vielleicht schon weiter sind in ihrer Trauer. Dieser Effekt ist sehr, sehr positiv und bei weitem nicht zu unterschätzen.

Robert Dietsche Mitarbeiter des Lacrima

Im Anschluss finden sich die Kinder in Kleingruppen zusammen, um mit einer Betreuerin über verschiedene Themen in Bezug auf Trauer ins Gespräch zu kommen.

Im zweiten Teil der Gruppenstunden soll laut Dietsche kreativ gearbeitet werden. Es wird gebastelt, gemalt, gespielt oder was auch immer das Kind gerade braucht, um ihm ein Stück Normalität wiederzugeben. Zum Schluss kommen wieder alle Kinder zusammen und teilen sich erneut gegenseitig mit, wie es ihnen jetzt geht. Nach diesen knapp zwei Stunden, werden die Kerzen ausgepustet, die Kinder von ihren Eltern abgeholt und es geht wieder nach Hause.

Innenansicht eines Jugendzentrums
Im Kreativraum gibt es allerhand Möglichkeiten sich künstlerisch zu entfalten. Bildrechte: Johanniter Dresden

Von Anfang bis Ende meist ein Jahr

Die erste Kontaktaufnahme von Betroffenen erfolge meist durch einen Anruf, weiß Robert Dietsche. Dann folgen einzelne Gespräche mit den Erwachsenen und den Kindern. So wird versucht, die gesamte familiäre Situation zu erfassen. Außerdem soll das Kind ein Gefühl dafür bekommen, wie so eine Gruppenstunde abläuft. Die Motivation, das Angebot von Lacrima anzunehmen, müsse von den Betroffenen selbst kommen, so Dietsche. Die meisten Kinder nehmen das Angebot meist für ein Jahr in Anspruch. Doch, und das ist Robert Dietsche wichtig zu betonen, stehe die Tür immer offen.

Wenn jemand sagt, ich will hier nochmal hin oder hat zu früh gesagt, ich brauche das nicht mehr: Unsere Tür bleibt immer offen.

Robert Dietsche Mitarbeiter des Lacrima

Auf der Suche nach Trauerbegleitern

Robert Dietsche erzählt, dass die Anzahl an ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern aktuell gerade so ausreiche, um entsprechende Betreuungsangebote anbieten zu können. Deshalb sei er ständig auf der Suche nach neuen Ehrenamtlichen, die sich vorstellen können, sein Team zu ergänzen. Interessierte können sich direkt an das Lacrima wenden. Spezielle Voraussetzungen brauche es nicht, wobei ein gutes Maß an Selbstreflexion, Empathie sowie Bereitschaft zur Teamarbeit von Vorteil seien, so Dietsche. Ende des Jahres soll es für Interessierte einen Vorbereitungskurs geben.

MDR (koh)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | 25. September 2023 | 13:05 Uhr

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