Hochschulgesetz Studierende fordern Schutz vor sexueller Belästigung und Diskriminierung an Unis

04. März 2023, 11:11 Uhr

Im Sächsischen Hochschulgesetz klafft eine große Lücke. Von sexueller Belästigung und Diskriminierung betroffene Studierende haben keine rechtliche Handhabe, bemängelt die Landesstudierendenvertretung. Das Gleichbehandlungsgesetz gelte nur für die Beschäftigten. Das muss sich ändern, fordert die Konferenz der Sächsischen Studierendenschaften (KSS). Noch immer blieben Diskriminierungen durch Professoren völlig sanktionslos.

Auf dieser Seite:

  • Die Konferenz Sächsischer Studierendenschaften (KSS) kritisiert, dass Diskriminierung und sexuelle Belästigung durch Lehrende an Hochschulen ohne Konsequenzen bleiben
  • Studierende fordern die "klaffende Gesetzeslücke" zu schließen und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) auf Studierende auszuweiten
  • Studien zeigen laut KSS, dass mehr als die Hälfte der Studierenden schon von sexueller Belästigung oder Diskriminierung im Schulalltag betroffen waren.

Studierende in Sachsen sind Diskriminierungen durch Lehrpersonal oft schutzlos ausgeliefert. Zu diesem Schluss kommt die Konferenz der Sächsischen Studierendenschaften (KSS). "Nehmen wir das Beispiel Schwangerschaftsabbruch", erklärt KSS-Sprecherin Sabine Giese. Ein Professor habe eine Studierende vor versammelter Mannschaft wegen ihres Abbruchs bloßgestellt. "Als Gleichstellungsbeauftragter wusste er davon, da die Studentin Rat bei ihm wegen ihrer Schwangerschaft gesucht hatte", sagt Giese. "Bislang gibt es keine Konsequenzen für Profs, wenn sie Studierende diskriminieren." Neben frauenfeindlichen und übergriffigen Formulierungen gebe es auch homophobe und rassistische Äußerungen, die nicht sanktioniert werden können. "Damit muss endlich Schluss sein", fordert Giese.

"Klaffende Gesetzeslücke schließen"

Die Landesstudierendenvertretung fordert, die "klaffende Gesetzeslücke zu schließen" und den Diskriminierungsschutz für Studierende gesetzlich in der Novelle des Sächsischen Hochschulgesetzes zu verankern. "Neben Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Hamburg haben weitere fünf Bundesländer Diskriminierungsschutz für Studierende längst verankert", erklärt Giese. "Die sächsische Regierung hatte im Koalitionsvertrag 2019 versprochen, gesetzliche Lücken im Diskriminierungsschutz zu schließen. Wir wollen geregelte Gleichbehandlung. Es ist doch lächerlich, dass wir diese Forderung im Jahr 2023 überhaupt formulieren müssen. Wir brauchen einen konsequenten und wirksamen Diskriminierungsschutz für sächsische Studierende. Dieser fatale Umgang ist den wissenschaftlichen Einrichtungen nicht würdig.“

Wir brauchen einen konsequenten und wirksamen Diskriminierungsschutz für sächsische Studierende. Dieser fatale Umgang ist den wissenschaftlichen Einrichtungen nicht würdig.

Sabine Giese Sprecherin der Konferenz der Sächsischen Studierendenschaften (KSS)

Linke-Fraktion hat Antrag im Landtag gestellt

Um das Diskriminierungsverbot gegenüber Studierenden in der Novelle des Sächsischen Hochschulgesetzes festzuhalten und auch Gesetzeslücken in anderen Bildungsbereichen zu schließen, hat die Linke-Fraktion bereits im Februar 2022 einen entsprechenden Antrag im Landtag eingereicht. Das Gleichbehandlungsgesetz solle ausgeweitet sowie Beschwerdestellen eingerichtet und ein Meldeverfahren installiert werden. Am Montag hat sich der Landtag in einer öffentlichen Anhörung dem Thema gewidmet. "Die Ausweitung des Diskriminierungsschutzes ist längst überfällig", erklärt dort Georg Teichert, Gleichstellungsbeauftragter der Universität Leipzig.

Studien: Viele Studierende betroffen

Laut KSS belegen zahlreiche Studien und Befragungen, dass mehr als die Hälfte der Studierenden schon mal von sexueller Belästigung oder Diskriminierung im Hochschulalltag betroffen waren. In der europaweiten UniSAFE Studie zu geschlechtsbasierter Diskriminierung gaben beispielsweise. 57 Prozent der befragten Studierenden an, geschlechtsbasierte Diskriminierung im Unikontext erlebt zu haben. Der Bereich Bildung gilt nach Einschätzung des Antidiskriminierungsbüro Sachsen als der dritthäufigste von Diskriminierungen betroffene Lebensbereich im Freistaat.

Hohe Dunkelziffer

Laut einer Kleinen Anfrage der Linken-Landtagsabgeordneten Sarah Buddeberg vom Frühjahr 2022 sind seit 2010 über hundert Fälle von diskriminierendem Verhalten an Sachsens Hochschulen gemeldet worden. "Wir müssen davon ausgehen, dass die Dunkelziffer viel höher ist", sagte Giese.

Diskriminierungsschutz auch für Studierende

Bislang ist im Entwurf der Hochschulgesetz-Novelle ein Diskriminierungsschutz für Studierende - sprich ein Recht zur Beschwerde - nicht vorgesehen. "Die Handlungsmöglichkeiten für Opfer von Diskriminierungen sind minimal, weil die gesetzliche Grundlage fehlt", erklärte Giese. Dabei sei es doch so einfach. Mit einem Satz im Gesetz könnten Studierende nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz ebenso geschützt werden, wie Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. "Wir brauchen einen konsequenten und wirksamen Diskriminierungsschutz für sächsische Studierende! Dieser fatale Umgang ist den wissenschaftlichen Einrichtungen nicht würdig", erklärte die KSS-Sprecherin.

MDR (tom)

Mehr zum Thema

Wissen

Stilisierte weiße Backsteinwand mit einem Videokonferenz-Icon, Schrift: ALINA & PHILIPPE ALLEIN ZU HAUS, STUDIEREN IM LOCKDOWN , Logo: MDR WISSEN 8 min
Bildrechte: Mitteldeutscher Rundfunk
8 min

Seminarräume, Hörsaal und Mensa sind geschlossen, der Lockdown macht Studenten zu Einzelkämpfern. Ist der Studienerfolg eines ganzen Jahrgangs gefährdet?

MDR+ Do 25.02.2021 17:50Uhr 08:22 min

https://www.mdr.de/wissen/videos/corona-studierende-im-lockdown-100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video

11 Kommentare

randdresdner am 18.10.2022

Was hat das mit doppelt gemoppelt zu tun. Wir haben in unserer Firma auch einen Kodex, der MDR hat auch Verhaltensregeln für seine Foren. ...... Es stört doch keinen.
Und wenn Sie schon für den Atheist antworten. Was hat das Ganze damit zu tun, dass alle auf Linie gebracht werden?

Maria A. am 18.10.2022

randdresdner, Ja. Kennen sie den Ausdruck "doppelt gemoppelt"?
Hinsichtlich Diskriminierung, Rassismus und Homophobie bestehen gesetzliche Regelungen. Es sei denn, diese Unis waren bisher rechtsfreier Raum...

Maria A. am 18.10.2022

Diskriminierung ist doch gar nicht mehr erlaubt und wegen der ständigen Beobachtung und Bewertung der Smartphone-Generationen eigentlich gar nicht mehr folgenlos möglich. Welche Person des öffentlichen Lebens, welcher gut bezahlte Hochschulprofessor, riskiert mit unliebigen Äußerungen gesellschaftliche Ächtung? Wäre es nicht besser, den Fokus auf gute Lehrtätigkeit zu richten, also mehr Wert auf das Niveau der Vorlesungen Haltenden zu legen und nicht überall Verstöße gegen den Zeitgeist zu wittern, die es zu reglementieren gilt? Kein Wunder, dass deutsche Unis keine Begehrlichkeiten mehr im Ausland wecken. Amerikaner sollen ihrem Nachwuchs, der gern in Europa studieren will, sogar drohen, sie zum Studieren nach Deutschland zu schicken, nicht nach England, wenn der es mal mit dem jugendlichem Leichtsinn übertreibt.

Mehr aus Sachsen