Europa-Projekt Rainman ist abgeschlossen Werkzeugkasten gegen Schäden durch Starkregen

23. August 2020, 16:27 Uhr

Weil immer häufiger Starkregen fällt und große Schäden anrichtet, wurde für Mitteleuropa das Rainman-Projekt zur Vorsorge und Gefahrenabwehr auf die Beine gestellt. Auch sächsische Kommunen waren beteiligt, so die Gemeinde Leutersdorf in der Oberlausitz. Eine Bilanz.

Hochwasser muss nicht von Flüssen kommen. Vor drei Jahren hatte im Leutersdorfer Ortsteil Spitzkunnersdorf der heftige Regen einer Gewitterzelle in wenigen Minuten 30 Häuser geflutet. Das Wasser, das der Boden gar nicht so schnell aufnehmen konnte, ergoss sich als schlammige Flut von den Feldern ins Dorf, wie sich Jürgen Reichel von der Gemeindeverwaltung Leutersdorf erinnert. "Das hat hier zu einer Überschwemmung geführt, die es so bisher nicht gab. Obwohl wir 2010 und 2013 schon extreme Hochwasserereignisse hatten."

Suche nach Maßnahmen gegen Starkregenschäden

Die Überflutung im Jahr 2017 wurde zur Eintrittskarte für Leutersdorf, um neben Oderwitz und Meißen als weitere sächsische Pilotkommune bei dem europaweiten Forschungsprojekt Rainman mitzumachen. 2,5 Millionen Euro stellte der Europäische Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) zur Verfügung, um bis 2020 Maßnahmen zur Starkregenvorsorge in Mitteleuropa zu erarbeiten. Erfahrungen sowie Daten aus Höhenmodellen und Modellen zur Ausbreitung des Wassers sollten systematisiert und in einem mehrsprachigen Informationssystem gesammelt werden. Neben deutschen Kommunen und Fachämtern waren auch Orte und Behörden in Österreich, Ungarn, Tschechien, Polen und Kroatien mit im Boot.

Das Projekt ist jetzt abgeschlossen. Wer aber auf eine anwendbare Schablone gegen Starkregenschäden gehofft hat, wird enttäuscht. Wetterphänomene und die örtlichen Gegebenheiten seien zu komplex, sagt Reichel, der das Rainman-Projekt für Leutersdorf betreut hat. Es gehe vielmehr um die Sensibilisierung, dass Hochwasser allen passieren kann. Geeignete Schutzmaßnahmen müssen sich die Kommunen und Bürger letztendlich selbst erarbeiten.

Ergebnisse des Rainman-Projektes Leutersdorf: Die Gemeinde hat eine Fachplanung zum Hochwasser für das Spitzkunnersdorfer Wasser in Auftrag gegeben. Über diese sollen die Abmessungen und die Lage geplanter Regenrückhaltebecken und weiterer Maßnahmen zum Schutz vor Hochwasser genauer bestimmt werden. Rainman hat die Planung fachlich unterstützt.

Oderwitz: Hier ging es darum, die lokale Gefahrenabwehr zu verbessern, sprich Bewusstsein für die Notwendigkeit der Eigenvorsorge zu schärfen. So wurde ein Lehrpfad entlang der Landwasseraue konzipiert. Vier Hinweistafeln sollen die Bevölkerung für das Thema sensibilisieren und zur Eigenvorsorge anregen. Um auch Jüngere anzusprechen, wurde ein Geocache eingebunden.

Meißen: Die Stadtverwaltung hatte bereits ein ganzes Bündel baulicher und nichtbaulicher Maßnahmen realisiert. Die getroffenen Maßnahmen sind in der Rainman-Toolbox dokumentiert, um andere Kommunen zum Handeln anzuregen. Darüber hinaus wurden der Stadt für ihre weitere Planung Gefahrenhinweiskarten zur Verfügung gestellt.
Quelle: Sächsisches Ministerium für Umwelt und Landwirtschaft

Werkzeugkiste zur Gefahrenabwehr

Hilfestellung gibt ihnen ab sofort eine aus dem Rainman-Projekt heraus entstandene Toolbox. Diese Werkzeugkiste steht im Internet und liefert Kommunalverwaltungen und Hauseigentümern ein umfassendes Angebot an präventiven Maßnahmen wie Gefahrenanalysen und Kartierungen, an Bauvorschlägen und Einsatzverfahren im Hochwasserernstfall und an Katalogisierungsvorschlägen für die Schadensregulierung bei Versicherungen im Nachgang. Durch 100 Einzelmaßnahmen können sich Interessierte durcharbeiten und sich für die eigene Vorsorge inspirieren lassen.

Mit der Toolbox haben Kommunen und private Eigentümer die Möglichkeit, Schritte abzufragen, um entsprechende Schutzziele zu erreichen.

Jürgen Reichel Projektbegleiter in Leutersdorf

Wasserwehr und SMS-Alarmierung

Die Gemeinde Leutersdorf hat nach dem verheerenden Schaden im Jahr 2017 eine eigene Wasserwehr gegründet. Die Mitstreiter kontrollieren unter anderem, dass die Abflüsse an den Brücken des Spitzkunnersdorfer Wassers immer frei sind. Zwei Männer übernehmen die Alarmierung, wenn ein großes Unwetter naht. Auf einer Wetterkarte im Internet wird zunächst die Bewegung der Gewitterzelle beobachtet, spitzt sich die Situation zu, geht eine SMS-Alarmierung an die Einwohner raus.

Des Weiteren sind zwei Regenrückhaltebecken in Planung und für das Spitzkunnersdorfer Wasser wird ein Hochwasserrisikomanagementplan erstellt. "Anhand von hydrologischen und geologischen Verhältnissen werden Abflusswerte ermittelt, um Hochwassergefahrenkarten erstellen zu können", erklärt Reichel.

Auch hat sich die Gemeindeverwaltung während des Rainman-Projektes verschiedene Partner an den Tisch geholt. Zum Beispiel gab es mit dem örtlichen Landwirtschaftsbetrieb Überlegungen, die Fruchtfolge bei der Bewirtschaftung der Felder zu verändern, damit der Boden bei Starkregen nicht so leicht weggeschwemmt wird. "Damit ist das Rückhaltevermögen des Bodens für Niederschläge besser", so Reichel.

Man hatte sich an einer Stelle für eine Grünfläche entschieden, wie es auch von Hochwasserschutzbehörden empfohlen wird. Allerdings forderte die Landwirtschaftsbehörde vom Betrieb wiederum, dass solche Grünflächen zum Herbst umgebrochen werden. Hier wünscht sich Reichel für die Zukunft, dass die Behörden enger zusammenarbeiten und auch mal über den Tellerrand sehen.

==> hier geht es zur Rainman-Toolbox

Quelle: MDR/ma

Dieses Thema im Programm bei MDR SACHSEN MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | 26.08.2020 | 14:30 Uhr im Regionalreport aus dem Studio Bautzen

2 Kommentare

THOMAS H am 23.08.2020

"... eine Grünfläche entschieden, wie es auch von Hochwasserschutzbehörden empfohlen wird. Allerdings forderte die Landwirtschaftsbehörde ..., ... Grünflächen zum Herbst umgebrochen werden."
GENAU DIESE NICHTZUSAMMENARBEIT ZWISCHEN ZWEI BEHÖRDEN UND EU-RICHTLINIEN IN BEZUG DER LANDBEWIRTSCHAFTUNG SIND DIE URSACHEN FÜR SOLCHE SCHLAMMLAWINEN (s. auch Oberlungwitz).
ICH FRAGE MICH ABER AUCH IMMER WIEDER: WARUM SCHLIEßEN SICH DIE LANDWIRTE UND GEMEINDEN NICHT ENDLICH ZUSAMMEN UND WEHREN SICH? WARUM BEKLAGEN SIE, DIE IMMER WIEDER AUSUFERNDEN SCHÄDEN UND BESEITIGEN NICHT DIE BEKANNTEN GRUNDURSACHEN, INDEM SIE VON SICH AUS ANFANGEN UND SICH DADURCH IMMER MEHR NACHAHMER ANSCHLIEßEN UND SOMIT DIE EU-VERANTWORTLICHEN ZUM UMDENKEN ZWINGEN?
Da ich selbst ab 1982 in der Landwirtschaft gelernt habe und es da noch eine eigene Brigade für die Erhaltung von Gräben und Grünstreifen gab, weiß ich, daß diese an und zwischen den Felder als Schutzflächen galten und für den Naturschutz von Bedeutung sind.

Elsburg am 23.08.2020

Leider gibt's bei EG-Agrarmarkt immernoch brutal schädliche, aufgezwungene Wahnsinns-Übergriffe als Eingriffe in ldw.Bewirtschaftung, auch gegen übergeordnete Allgemein-Ziele wie gewünschte Schutzökologie +Nachhaltigkeit.

Hier 1x jährliche Grasnarbenvernichtungspflicht (umpflügen oä) des bereitgestellten Schutzgürtels aus Ackerflächen, der sonst umgewidmet gilt zu ertragsschwachem Dauergrünland, das dann nimmer Acker sein darf, ohne Rückwidmungsgenehmigung [=kostenpflichtig +teuer, da Sondergutachten gefordert werden (dürfen +leider auch werden!)];
keine Kommune/Lkrs/Bundesland ist bereit, ldw.Ertragsnachteil ausgleichend (wie ldw Pacht) dauerhaft inflationsgesichert zu bezahlen!

2.Beispiel bzgl Tierwohl
gegen gesetzl.anerkannte BVGer+ausgeurteilte verbotene Tierquälerei,fortgesetzt verlängernd Übergangsfrist zulassen längst verbotener SauenBoxenstände durch grundgesetzwidrig+kriminelle, nie bestrafte Schreintischtäter
aktivBeamte=Ekel-Bearbeiter der polit.Entscheidungsvorlagen dazu!

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