Die Justizvollzugsanstalt (JVA) in Dresden (Sachsen)
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Freiheitsstrafen in der Pandemie Stau im Strafvollzug - Verurteilte bleiben in Freiheit

22. April 2021, 05:00 Uhr

Die Pandemie hat überall zu Verwerfungen geführt - auch im Strafvollzug. Die Gefängnisse in Sachsen sind zurzeit nicht so voll wie in normalen Zeiten. Das liegt aber nicht daran, dass weniger Straftaten verübt werden, sondern daran, dass die sächsischen Gefängnisse Zellen freihalten, um Häftlinge im Falle eines Corona-Ausbruchs räumlich trennen zu können. Davon profitiert manch Verurteilter.

In Sachsen gibt es zurzeit Tausende Gefängnisstrafen, die nicht vollstreckt werden - weil die Justizvollzugsanstalten (JVA) Zellen freihalten müssen. Denn falls im Knast Corona auftritt, müssen die betroffenen Gefangenen isoliert werden können. Wie viele verschobene Freiheitsstrafen das allein bei der Dresdner Staatsanwaltschaft seien, zählt Staatsanwalt Jürgen Schmidt auf: "Insgesamt betrifft das etwa 80 unbedingte Freiheitsstrafen und darüber hinaus 1.500 Ersatzfreiheitsstrafen." Das sind zum Beispiel ursprüngliche Geldstrafen, die in Freiheitsstrafen umgewandelt wurden, weil die Verurteilten einfach nicht gezahlt haben.

Den Grund für den Stau im Strafvollzug erklärt die sächsische Justizministerin Katja Meier von den Grünen. Zum einen gebe es seit Jahren eine angespannte Situation mit der Belegung in den sächsischen JVAs: "Wenn ein Gefängnis mit 90 Prozent belegt ist, gilt es quasi als voll belegt." Man habe sich auf die Situation vorbereiten müssen, Leute separieren zu können. "Deswegen haben wir in Absprache mit den anderen Bundesländern den Haftantritt verschoben", sagt Meier, sodass es eine maximal 80-prozentige Belegung gebe.

Wieder mehr Ladungen zum Haftantritt

Momentan sind es in Sachsen durchschnittlich 75 Prozent. Aber die Staatsanwaltschaften versuchten bereits seit Anfang April, die Bugwelle von offenen Haftstrafen abzubauen, sagt Staatsanwalt Schmidt: "Das ist ein ziemlicher Berg, der sich da angesammelt hat. Zunächst beginnen wir mit den Freiheitsstrafen von über einem Jahr und anschließend werden sukzessiv natürlich die weiteren Freiheitsstrafen und die Ersatzfreiheitsstrafen vollstreckt." Das dürfe man allerdings erst zum 1. Juli 2021 vornehmen.

Schmidt verschickt also jetzt schon wieder mehr Ladungen zum Haftantritt an die Verurteilten. Weil aber die Gefängnisse nach wie vor zusätzliche freie Kapazitäten vorhalten müssen, schafft das Probleme - zum Beispiel in der JVA Dresden. Am Hammerweg im Norden der Landeshauptstadt blickt die Chefin Rebecca Stange aus dem zweiten Stock über die große Anlage: "Für uns ist es ganz wichtig, dass wir jetzt nicht ad hoc eine massive Überlastung der Anstalt verzeichnen müssen." Die Vollstreckungen sollten nach und nach wieder aufgenommen werden, plädiert Stange.

Kein Ausfall der Strafen

Und während die Staatsanwaltschaften den Stau an offenen Haftstrafen lieber schneller auflösen wollen, mahnt Anstaltsleiterin Stange zur Vorsicht: "Wir müssen das jetzt beobachten, wie sich die Belegung in den nächsten Wochen entwickelt, und uns dann mit der Staatsanwaltschaft abstimmen."

Flexibles Management ist angesagt und zusätzlich versuche die Justiz, Verurteilte dazu zu bewegen, ihre Strafe doch nicht im Gefängnis abzusitzen, wenn sie nicht unbedingt müssten, sagt Ministerin Meier: "Wir versuchen auch mit dem sozialen Dienst und mit den Staatsanwaltschaften auf die Ersatzfreiheitsstrafler hinzuwirken, dass sie die Ratenzahlung in Anspruch nehmen, oder überhaupt die Möglichkeit dieser Geldstrafe." In den nächsten Monaten werden also weiter Verurteilte in Freiheit bleiben können. Eines aber möchte Katja Meier garantieren: Ausfallen würden Strafen auf keinen Fall, jede einzelne werde nachgeholt, sobald freie Kapazitäten entstünden.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 22. April 2021 | 06:00 Uhr

2 Kommentare

Arbeitende Rentnerin am 22.04.2021

Bei Ersatzfreiheitsstrafen, wenn man eine Geldbuße nicht bezahlen kann, wäre es da nicht sinnvoll, die abarbeiten zu lassen, wo z.B. in der Landwirtschaft Kräfte fehlen, jeder Hafttag kostet Steuergeld, das fließt doch jetzt nicht so reichlich, oder ?

Blumenfreund am 22.04.2021

Dann müssen die Zellen eben doppelt belegt werden.
Sowas gibts wohl nur in der BRD.

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