Wandel im ÖPNV Tatra: Abschied von der Kult-Straßenbahn im Osten

02. Juni 2023, 16:22 Uhr

Fast alle großen Städte der DDR mit Straßenbahnbetrieb hatten eins gemeinsam: den Tatra. Die in Prag hergestellten Züge galten als revolutionär in Technik und Design und wurden dem stetig wachsenden Nahverkehr im Osten gerecht. Ganze Generationen wurden mit den markanten Zügen groß. Bis heute umgibt die Tatra-Straßenbahnen ein gewisser Kult. Allerdings verschwinden die Bahnen nach und nach in die Museen.

MDR SACHSEN-ANHALT Autor Reporter Radio Online André Plaul
Bildrechte: MDR/Jörn Rettig

"Weiche, runde Formen", so beginnt die Schwärmerei von Thomas Lehnert vom Leipziger Straßenbahnmuseum, die "minimalistische Gestaltung, die unverkennbaren Schalensitze, das Design scheint zeitlos zu sein". Tatsächlich waren die Tatra-Straßenbahnen für die Verkehrsbetriebe in der DDR zunächst optisch ein Meilenstein, waren doch vielerorts noch Vorkriegsbahnen unterwegs.

Klack!

Geräusch der Tatra-Bahn beim Anfahren

Die Tatras überdauerten schließlich Jahrzehnte, prägten das Bild der Städte, begeisterten Fahrer wie Mitfahrer und wurden Kult. "In Zeiten, in denen Autos eine Seltenheit waren, wenn nicht gar bis Ende der 1990er-Jahre gehörten diese Wagen einfach dazu", antwortet Sven Götze von den Halleschen Straßenbahnfreunden die Frage, woher die Beliebtheit der Tatras stammt. "Viele Menschen sind mit dem Tatra groß geworden", erklärt es Uwe Wilhelm von den Straßenbahnfreunden Chemnitz. Auch bis nach der Wende hätten die runden Tatra-Züge im Vergleich zu modernen Wagen geradezu elegant gewirkt. Zur Optik kam der Klang, die "einzigartige Geräuschkulisse mit dem fauchenden Lüfter und dem typischen Klack", so Lehnert. Dieser "Klack" ertönte ursprünglich beim Anfahren. Wie er entstand? "Vom Ein- und Ausschalten des Hauptschützes", erklärt es Ralf Kozica vom Verein IGNah in Magdeburg: "Vereinfacht gesagt schaltet das Hauptschütz den Hauptfahrschalter, den sogenannten Beschleuniger, ein oder aus".

Der T4D – einer für (fast) alle in der DDR

Entworfen hat die Bahnen der Designer František Kardaus für die tschechoslowakischen Tatra-Werke in Prag. Sie übernahmen ab den Sechzigerjahren die zentrale Produktion von Straßenbahnen für nahezu alle sozialistischen Länder. So sahen es die Verträge mit dem Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) vor. Die Modelle T3D und T4D, das D steht für DDR, sollten zwischen Rostock und Plauen schnell in der Anfahrt und kuppelbar sein, um der wachsenden Nachfrage im öffentlichen Verkehr der Städte gerecht zu werden.

"Auf einmal haben wir Tatra-Großzüge bilden können, zwei Triebwagen und ein Beiwagen, wo wir 400 Leute mit einem Fahrer wegbringen konnten", erklärt Torsten Bauch vom Straßenbahnmuseum Dresden. Der T4D wurde zum populärsten Straßenbahnmodell. Ralf Kozica spricht von einem "ikonischen Meisterwerk". Zwischen 1968 und 1986 wurden über 2.500 Züge und Anhänger, sogenannte Beiwagen, in 14 Städte der DDR geliefert.

Diese Züge sind in hohem Grade elektronisch ausgerüstet. Sie haben eine halbautomatische Steuerung, ein großes Anzugsvermögen und eine moderne Innenausstattung.

Bericht "Facharbeiter für Städtischen Nahverkehr", Berliner Zeitung vom 20. Oktober 1971

Aus technischer Sicht war der Tatra T4D zwar ein Stromschlucker, die Elektronik dafür modern, wenn auch übersichtlich. Die Bahnen wurden per Fußpedal gesteuert – ohne Kurbel und Hebel im Pult – fuhren also praktisch "wie von Geisterhand", erinnert sich ein Vereinsmitglied der "Historischen Nahverkehrsmittel Leipzig". Gepriesen wurden die Bahnen auch für ihre "moderne Innenausstattung", so ein zeitgenössischer Zeitungsbericht. Tatsächlich waren in einem T4D-Triebwagen ab Werk maximal 26 Hartschalensitze aus Plastik verbaut. Ihre Kapazität kam durch gut 100 vorgesehene Stehplätze.

Technisch erst wartungsarm, dann ein Problem

Mehr Kapazität brachten in den Siebzigern die längeren KT4D-Tatra-Bahnen. Das K steht für Kurzgelenktriebwagen, zu erkennen an den Ziehharmonika-Lamellen in der Wagenmitte. "Im Stadtverkehr so schnell wie ein Auto", schrieb das "Neue Deutschland". Ihr Charme lag und liegt im "markanten, eckigen Design, das bis heute nahezu unverändert ist", so Klaus Rennau von der Gothaer Straßenbahn. Nach Thüringen wurde nur die eckige Tatra-Variante geliefert.

Eine historische Straßenbahn vom Typ Tatra KT4D mit der Nummer 219481-3 bei einer Nostalgiefahrt durch Berlin, auf dem Foto an der Haltestelle am Alexanderplatz.
In den Siebzigern wurde der Tatra kantig und geräumiger – mit dem KT4D. Bildrechte: imago/Hohlfeld

Die als robust geltenden Tatra-Fahrzeuge waren bis nach der Wende "lange Zeit wartungsärmer als die modernen Niederflurwagen", so Tim Stein von den Magdeburger Verkehrsbetrieben (MVB). Wobei aus Sicht der Zwickauer Verkehrsbetriebe bis heute "Hochbodenfahrzeuge aus Betriebssicht einfacher zu warten" seien, heißt es aus der Pressestelle. Allerdings müssten die betagten Bahnen nun häufiger die Werkstatt aufsuchen.

Doch auch die beständigsten Wagen mussten nach und nach modernisiert werden. Einige Städte bauten sie sogar barrierefrei um. Frank Gecks, Fachvorarbeiter in der Geraer Straßenbahnwerkstatt, resümiert: "Die Tatras wurden eigentlich erst in den Neunzigerjahren brauchbar, nachdem wir die Fahrzeuge in mehreren Stufen tiefgehend durchrepariert und modernisiert hatten." Unendlich ist die Zeit der Tatra-Bahnen dennoch nicht.

Tatra-Senioren drehen ihre letzten Runden

Tatra-Straßenbahn in Dresden
Im Linienbetrieb auf der Dresdner Augustusbrücke werden diese Tatras nicht mehr fahren. Bildrechte: imago/suedraumfoto

"Es ist kein Fahrzeug, das für modernen ÖPNV steht", erklärt Marc Backhaus von den Leipziger Verkehrsbetrieben. Tatras passten nicht mehr in die Zeit. Die hohen Bahnen mit den Stufen würden viele Fahrgäste ausschließen. Die Messestadt hat ihre Tatra-Züge schon 2022 aus dem Linienverkehr gestrichen. Einen offiziellen Abschied sollte es nicht geben. Man weiß ja nie. In Dresden hatte man schließlich schon 2010 "Tschüss, Tatra" gesagt – die Bahnen dann aber 2022 wieder aus dem Depot geholt. Fahrzeug- und Ersatzteilmangel machten es nötig.

Magdeburg und Gera, wo noch immer KT4D-Tatras unterwegs sind, verweisen darauf, dass Ersatzteile immer schwieriger zu beschaffen seien. Als größter Nachteil wird aber der Stufeneinstieg ausgemacht, "weshalb wir lieber heute als morgen auf sie verzichten würden", so die MVB. In Sachsen-Anhalts Landeshauptstadt wird das aber erst Ende 2025 der Fall sein.

Eine Tatra-Straßenbahn in Magdeburg.
Die T4D-Tatrazüge wurden in Magdeburg 2013 verabschiedet. Die KT4D-Züge sind weiterhin unterwegs. Bildrechte: MDR/André Plaul

Hier sind Tatra-Straßenbahnen noch im Einsatz

Magdeburg

In Sachsen-Anhalts Landeshauptstadt haben Tatra-Bahnen zuletzt wieder an Bedeutung gewonnen. Nachdem Anfang 2013 die Tatra-Bahnen vom Typ T4D in den Ruhestand geschickt wurden, gingen 2020 acht Züge vom Typ KT4D von den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) in die Magdeburger Flotte über. Original nach Magdeburg geliefert wurde diese Bauart aber nie. Hier waren ab 1969 die runden T4D-Züge prägend, bis 1986 wurden insgesamt 274 Triebwagen beschafft. Ab 1989 kamen Triebwagen des Typs T6A2 hinzu. Abschied vom Tatra T4D im Linienbetrieb wurde offiziell am 27. Januar 2013 gefeiert.

Aktuell sind laut Magdeburger Verkehrsbetriebe MVB werktags noch bis zu neun Tatra-Züge im Einsatz. Da sie nicht barrierefrei sind, werden diese Bahnen im Fahrplan gesondert gekennzeichnet. Bis Ende 2025 sollen sie nach und nach außer Dienst gestellt werden, wenn ab 2024 neue Straßenbahnen des Typs "Flexity" für den universellen Einsatz auf allen Linien kommen.

Im Museums-Bestand der Stadt befindet sich noch ein Tatra-Großzug, bestehend aus zwei T4D-Triebwagen, darunter dem ersten Zug von 1969, und einem B4D-Beiwagen, ebenfalls aus der ersten Lieferserie. Die Fahrzeuge werden gemeinsam mit dem Verein IGNah e.V. betreut, stehen nach deren Angaben aber aktuell nicht für Fahrgast-Fahrten zur Verfügung. Ein Termin für eine nötige Hauptuntersuchung stehe noch nicht fest, heißt es.

Gera

Ab 1979 kamen die ersten Tatra-KT4D-Triebwagen nach Gera. 1990 fuhren sie den gesamten Verkehr in der Stadt. Sechs dieser Triebzüge wurden ab Ende der Neunzigerjahre umgebaut und durch einen Niederflur-Mittelteil barrierefrei gemacht. Laut Verkehrs- und Betriebsgesellschaft Gera sind bis heute noch 20 KT4D-Züge im Einsatz, die sechs umgebauten Zügen sowie 12 in den Tausenderjahren beschaffte Niederflurwagen. Auf der Linie 3 ist Montag bis Freitag aktuell stündlich mindestens ein KT4D-Tatra-Zug im Einsatz.

Görlitz

"Görlitz ohne Tatras geht gar nicht", resümiert Ulf Klimke von den Görlitzer Verkehrsbetrieben. In Deutschlands östlichster Stadt besteht der aktive Fuhrpark bis heute vollständig aus Tatra-KT4D-Wagen. Die Züge kamen zwischen 1983 und 1998 an die Neiße, sodass 2023 das 40-jährige Tatra-Jubiläum gefeiert wird. Die Bahnen sollen erst im Frühjahr 2025 durch Niederflurgelenktriebwagen (NGTG) abgelöst werden. Dann wird der Straßenbahnbetrieb in Görlitz barrierefrei. Die neuen Bahnen, die auch für Zwickau und Leipzig gebaut werden, werden unter anderem mit WLAN und Klimaanlage ausgestattet sein.

Gotha

Auch in Gotha sind Tatra-Züge noch immer das Maß der Dinge. Laut der Thüringer Waldbahn und Straßenbahn Gotha GmbH sind aktuell 12 KT4D-Fahrzeuge im Linienverkehr im Einsatz, sie wurden aus Erfurt übernommen. Außerdem fährt eine zur "Party-Tram" umgerüstete Bahn an mehreren Tagen im Monat Sondertouren. Bis Mitte der Sechzigerjahre wurden im VEB Waggonbau Gotha eigene Straßenbahnen hergestellt, danach kamen Bahnen aus der Tschechoslowakei.

Plauen

Ab 1981 wurde Plauen mit KT4D-Tatras versorgt. Kleinere Tranchen folgten bis 1988. Ein Jahr später wurden zehn KT4D aus Zwickau übernommen, sodass das gesamte Plauener Netz bis Anfang der Neunzigerjahre auf Tatra-Betrieb umgestellt wurde. Die Wagen wurden in zwei Intervallen modernisiert. Erst ab 2013 kamen Niederflur-Straßenbahnen nach Plauen. Etwa die Hälfte des Verkehrs wird bis heute mit Tatra-Wagen gefahren.

Zwickau

Erst 1987 begann in Zwickau das Tatra-Zeitalter, mit einem KT4D-Wagen aus Plauen. Bis zur Wende folgte ein gutes Dutzend Neufahrzeuge. Zehn weitere KT4D wurden nach Plauen abgegeben. Die Tatra-Züge fahren bis heute einen wesentlichen Teil des Verkehrs in Zwickau, 5 von 13 Kursen, so die Städtischen Verkehrsbetriebe auf MDR-Anfrage. Die Tatra-Bahnen sollen voraussichtlich noch bis 2026 in Zwickau fahren, bevor sie durch Niederflur-Straßenbahnen ersetzt werden.

Straßenbahn am Hauptmarkt Richtung Stadthalle in der Altstadt Zwickaus
Zwickau kann auf den KT4D noch nicht verzichten. Bildrechte: imago/Scherf

Chemnitz

Das einstige Karl-Marx-Stadt besaß in Sachen Tatra-Straßenbahn einen Sonderstatus. Zusammen mit Schwerin war es die einzige Stadt in der DDR, die die im Vergleich zum Typ T4D breiteren Fahrzeuge T3D einsetzen konnte.

Heute befinden sich im Bestand der Stadt noch zwei Tatra-T3D-Triebwagen. Laut den Straßenbahnfreunden Chemnitz e.V. ist einer von ihnen Teil einer Dauerausstellung. Der andere Zug kann für Rundfahrten gemietet werden, kommt aber bei bestimmten Veranstaltungen auch im Liniendienst zum Einsatz. Außerdem werden zwei Doppeltraktionen modernisierter Triebwagen T3D-M als Reserve vorgehalten, eine davon für Schulungsfahrten.

Dresden

In Dresden wurden ab Ende 1964 Triebwagen des Typs T3 von den Prager Verkehrsbetrieben getestet, schließlich aber wieder in die Tschechoslowakei zurückgeschickt. Stattdessen trat der Typ T4D seinen Siegeszug an der Elbe an: Ab dem 14. September 1967 kam der Musterwagen Nummer 2000 im Dresdner Linienverkehr zum Einsatz. Ihm folgten laut Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB) bis 1984 insgesamt 572 weitere T4D Triebzüge sowie knapp 250 Beiwagen. Als Nachfolger kamen ab 1986 Tatra-T6A2-Wagen nach Dresden, jedoch nur in geringer Stückzahl. Sie wurden bis 2001 eingesetzt.

Die Tatra T4D-Züge bildeten noch bis Mitte der Neunzigerjahre das Rückgrat des Nahverkehrs in Dresden, danach kamen Niederflurwagen, hergestellt in Bautzen. Der offizielle Abschied von den Tatras wurde in Dresden zwar schon 2010 begangen. Aushilfsweise oder bei Sondereinsätzen wurden sie aber noch gefahren. Bis März 2023 gab es Abschiedstouren auf Dresdens längster Linie 4. Nach dem zweiten offiziellen Abschied von den verbliebenen sechs Triebwagen sollen zwei von ihnen im Dresdner Straßenbahnmuseum ihren technischen Lebensabend verbringen. Dort befindet sich auch der Wagen 2000, der viele Jahre als Fahrschulwagen im Einsatz war.

Erfurt

Ab Mitte der Siebzigerjahre bis zur Wende wurden rund 150 KT4D-Tatras nach Erfurt geliefert. Ein Teil wurde später nach Görlitz, Gotha und Cottbus verkauft. Andere Tatras wurden in den Neunzigern modernisiert und bis weit in die Tausenderjahre im Linienverkehr eingesetzt. Im 18. Oktober 2014 wurde der letzte Planeinsatz in Thüringens Landeshauptstadt gefahren. Während zuletzt noch KT4D-Züge für Sonderfahrten gebucht werden konnten, befindet sich aktuell kein Tatra mehr im Bestand der Erfurter Verkehrsbetriebe. Der letzte verbliebene Triebzug kam 2020 als Leihgabe ins Eisenbahnmuseum Weimar.

Innenleben der alten Erfurter Straßenbahn
Erfurt hat schon seit Jahren keine Tatra-Bahnen mehr im Einsatz. Bildrechte: eBay Kleinanzeigen/ Thomas F.

Halle

Als die Straßenbahn-Serienproduktion in der DDR 1967 endete, erhielt Halle aus den Tatra-Werken in Praha-Smíchov die ersten Züge. Doch diese T2D-Straßenbahnen wurden noch nach Konstruktionsplänen des VEB Waggonbau Gotha gebaut. Erste tschechoslowakische Tatra T4D-Züge kamen ab August 1969 an die Saale. 323 Trieb- und 124 Beiwagen wurden beschafft. In Nach der Wende wurden die Züge schrittweise durch Niederflurwagen abgelöst. Ähnlich schrittweise erfolgte auch der Abschied von der Tatra. Einen ersten Anlauf gab es Ende 2013, 2021 war endgültig Schluss. Im Museumsbestand befinden sich nach eigenen Angaben noch historische wie umgebaute Tatra-Züge.

Leipzig

Zu Silvester 1968 erreichte der erste Tatra-Triebwagen die Messestadt. Zweieinhalb Monate später begann der Linieneinsatz des Typs T4D, weitere rund 600 Triebwagen folgten. Nach 1988 kamen bis zur Wende wenige T6A2-Wagen sowie Beiwagen zum Bestand hinzu. Ein Großteil der T4-Wagen wurde nach der Wende verschrottet, der Rest modernisiert und umgebaut. Sie waren bis 2022 im Linieneinsatz, hatten in der Regel einen Niederflur-Beiwagen angehängt. Ein Trieb- und ein Beiwagen wurden mit Glasdach und Tischen versehen, um als "Gläserner Leipziger" für Stadtrundfahrten eingesetzt zu werden. Außerdem wurde ein Tatra zum Straßenbahn-Cabrio umgebaut und fährt als "Offener Leipziger" an Museumstagen.

Derzeit sind in Leipzig noch 30 Tatra-Triebwagen im Einsatz. Die Leipziger Verkehrsbetriebe wollen sie bis Mitte der Zwanzigerjahre als Reserve vorhalten. Sie kommen bei Großveranstaltungen und Störungen zum Einsatz. Im Bestand der historischen Straßenbahnen, die durch die Arbeitsgemeinschaft "Historische Nahverkehrsmittel Leipzig" e.V. ehrenamtlich betreut und instandgehalten wird, befinden sich ein Tatra-T4D-Zug und ein KT4D von 1976. Ein Wagenzug des Typs T6A2 mit Beiwagen wird laut Verein gerade grundlegend restauriert. Die historischen Fahrzeuge können im Museum von Mai bis September jeweils am dritten Sonntag im Monat gesehen werden.

Straßenbahn auf dem Willy-Brandt-Platz vor dem Hauptbahnhof Leipzig
Nur noch bei Großveranstaltungen in Leipzig zu sehen: Tatra-Großzug mit zwei Triebwagen und einem Beiwagen. Bildrechte: imago/Schöning

Berlin

In der Hauptstadt der DDR waren die Tatra-Züge vergleichsweise spät unterwegs. 1976 fuhr der erste KT4D durch Berlin. Nach der Wende eroberten aber auch hier moderne Niederflurwagen die Gleise. Offizieller Abschied von den Tatras wurde in Berlin am 30. Oktober 2021 gefeiert.

Stichwort: Spurweiten Wie groß ist der Abstand zwischen den Schienen im Straßenbahnnetz?

Darauf gibt es keine einheitliche Antwort. Doch diese Spurweite hat Einfluss darauf, welche Verkehrsbetriebe untereinander Straßenbahnwagen tauschen können.

In Thüringen ist die Sache klar: Alle noch vorhandenen Straßenbahnnetze haben eine Spurweite von 1.000 Millimetern. In Sachsen-Anhalt gibt es diesen Schienenabstand auch in Halberstadt, Halle und Merseburg sowie Naumburg. Auf sogenannter "Normalspur", 1.435 Millimeter, rollen die Bahnen hingegen in Dessau-Roßlau und Magdeburg – sowie auch in den benachbarten Hauptstädten Schwerin, Potsdam und Berlin. In Sachsen sind einzig Chemnitzer Bahnen auf "Normalspur" unterwegs. Hier nutzt das "Chemnitzer Modell" den Umstand, dass die 1.435 Millimeter auch auf dem deutschen Eisenbahnnetz gelten. So verschmelzen in Chemnitz Bahnen und Linien auf denselben Gleisen im Stadt- und Überlandverkehr. Etwas größer ist die Spurweite in Dresden mit 1.450 Millimetern – ein einmaliges Maß, das es sonst bis 1919 nur in Zittau noch gab. Die größte Spurweite deutscher Straßenbahnen bietet Leipzig mit 1.458 Millimetern. Ansonsten herrscht in Sachsen die Spurweite 1.000 Millimeter vor.

MDR (André Plaul)

Literatur:
- "Straßenbahn-Archiv", Transpress VEB Verlag für Verkehrswesen, Berlin , 1987
- "Verkehr in der DDR", Landeszentrale für Politische Bildung Thüringen, 2017

Vielen Dank an die Verkehrsbetriebe, Straßenbahnfreunde und Museumsvereine von Magdeburg, Halle, Gotha, Gera, Leipzig, Zwickau, Chemnitz, Plauen, Dresden und Görlitz für die freundliche Zuarbeit.

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSENSPIEGEL | 03. Juni 2023 | 19:00 Uhr

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